ABDA-Chefjurist zum Rx-Boni-Verfahren

ABDA braucht erst einmal keinen Plan B

Stuttgart - 29.06.2016, 16:35 Uhr

Füße still halten: ABDA-Chefjurist Lutz Tisch will in Sachen Rx-Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken erst einmal nichts unternehmen und das Urteil des EuGH abwarten. (Foto: ABDA)

Füße still halten: ABDA-Chefjurist Lutz Tisch will in Sachen Rx-Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken erst einmal nichts unternehmen und das Urteil des EuGH abwarten. (Foto: ABDA)


ABDA-Chefjurist Lutz Tisch ist zuversichtlich, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigen wird, dass die deutsche Preisbindung für Rx-Arzneimittel auch für ausländische Versender gilt. Die anderslautenden Schlussanträge des Generalanwalts seien nicht überzeugend, sagte Tisch gestern in Stuttgart.

Ein „apodiktisches Plädoyer“ gegen Apotheker

Auf Einladung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg war der ABDA-Geschäftsführer Recht, Lutz Tisch, am gestrigen Dienstag nach Stuttgart gekommen. Dort erläuterte er der Vertreterversammlung die Sicht der ABDA auf das Verfahren zur grenzüberschreitenden Arzneimittel-Preisbindung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dass der Generalanwalt Maciej Szpunar in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertritt, das deutsche Arzneimittel-Preisrecht verstoße gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs, hatte Anfang Juni für Aufregung in der Apothekerschaft geführt.

Für diese Aufregung sieht Tisch allerdings wenig Grund, „die Schlussanträge sind noch nicht das Urteil“. Es sei auch nicht sinnvoll, mit dem „statistischen Wert“ zu hantieren, dass das Gericht dem Generalanwalt in 80 Prozent der Fälle folge – entscheidend sei, ob dieser Fall zu den anderen zwanzig Prozent gehört. Und davon sei er überzeugt.

Tisch: Generalanwalt hat schlechte Argumente

Denn der EuGH müsse seine bisherige Rechtsprechung  „auf den Kopf stellen“, um der Argumentation Szpunars zu folgen, so Tisch. Vor allem die Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten, welche Maßnahmen sie für notwendig erachten, um eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung abzuwenden, stehe den Argumenten Szpunars entgegen. Der EuGH habe mehrfach geurteilt, dass diese Gefahrenabwehr auch Beschränkungen auf dem Apothekenmarkt rechtfertige, beispielsweise als er das deutsche Fremdbesitzverbot für rechtmäßig erklärte. Tisch glaubt nicht, dass der EuGH eine Abkehr von dieser bisherigen Rechtsprechung vollziehen wird. Auch dass das Verfahren vor einer kleinen Kammer mit fünf Richtern gelandet ist, ist für ihn ein Indiz dafür, dass wohl keine Rechtsgrundsätze umgeworfen werden.

Außerdem konstatierte Tisch eine bemerkenswerte argumentative Schwäche der Schlussanträge. Diese seien sehr einseitig und folgten auffallend der Argumentation der Europäischen Kommission. Ein Abwägen der verschiedenen Argumente finde kaum statt. Szpunar zeige eine „ganz besondere, eher ordoliberale Sicht“ auf das deutsche Gesundheitssystem. Beispielsweise habe es Szpunar als „bedauerlich“ abgetan, dass der EuGH in mehreren Verfahren das Vorsorgeprinzip auch auf die Apotheken „ausgeweitet“ habe. Tischs Fazit: „Die Schlussanträge erscheinen eher als apodiktisches Plädoyer denn als ausgewogene Prüfung aller vorgetragenen Argumente.“

ABDA braucht erst einmal keinen Plan B

Tisch warnte eindrücklich davor, nun Konzepte zu entwickeln, wie man mit einem – bisher rein hypothetischen – Wegfall der Preisbindung umgehen könnte. Solche Ideen könnten zu leicht ein Eigenleben entwickeln und von der Politik in Deutschland als Vorschläge aus der Apothekerschaft aufgegriffen werden. „Deswegen ist für uns im Moment die Politik eigentlich gefährlicher als der EuGH“, so Tisch. Es sei auch nicht notwendig, sich einen „Plan B“ zu überlegen. „Es ist sinnvoll, sich erst dann aufzuregen, wenn etwas passiert ist“ – und bisher sei noch nichts passiert.

Selbst wenn der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts vollständig folgen sollte, bedeute das nicht, dass am Tag danach alle Arzneimittel in Holland bestellt würden. Bis die Auswirkungen des Urteils wirklich bei den Apotheken ankommen, würden wohl fünf Jahre vergehen, meint Tisch.

Preisbindung hätte auch weiter Bestand

Denn das Verfahren vor dem EuGH ist ein Vorlageverfahren, sein Urteil entscheidet also nicht über die Gültigkeit des nationalen Rechts, sondern legt  fest, wie das nationale Gericht – also OLG Düsseldorf – in der vorgelegten Frage das europäische Recht auslegen muss. Vor allem aber beträfe ein Urteil nur den grenzüberschreitenden Arzneimittelversand, nicht die Regelungen innerhalb Deutschlands. Tisch ist überzeugt, dass innerhalb Deutschlands die Preisbindung selbst bei ungünstigem EuGH-Urteil noch lange gültig wäre und auch durchgesetzt würde. Denn sowohl die Bundesregierung wie auch die Länder, die ja die Aufsicht über die Einhaltung der apothekenrechtlichen Vorschriften ausüben, schätzten den Wert des deutschen Apothekenwesens und würden die Bedeutung der Preisvorschriften kennen.

Als Fazit seiner Ausführungen bezog sich ABDA-Jurist Tisch auf ein britisches Propaganda-Plakat aus dem Zweiten Weltkrieg. Es gelte nun ruhig zu bleiben und weiterzumachen – „Keep calm and carry on“.



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13 Kommentare

Vor Gericht..

von Florian Becker am 06.07.2016 um 15:19 Uhr

Vor Gericht und auf See ist man in Gottes Hand, Herr Tisch.
Jeder Seemann weiß, wie wahr das ist.. Bei den Juristen scheint man da weniger überzeugt..

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Plan B für wen?

von Heiko Barz am 30.06.2016 um 14:01 Uhr

20%, Herr Tisch, Erfolgsaussicht für die Ablehnung der Bonifrage ausländischer Arznei - Versender und die von Ihnen unterstellte Beruhigung, ist eine Farce.
Vor dem Hintergrund des Brexit und der immer labiler werdenden EU wird an entscheidender Stelle Durchhaltevermögen gezeigt. Wenn Deutschland erst anfängt, europäische Entscheidungen zu bezweifeln und nicht anzuerkennen, dann wird es schwierig.
Damit das nicht passiert, wird das Gericht in Düsseldorf, vielleicht sogar unter massiven Druck aus Berlin, einem entsprechend negativen Urteil für uns Apotheker zustimmen.
Wir sollten nicht davon ausgehen, dass europäische Bestimmungen und Beschlüsse von der Deutschen Regierung in voraneilendem Gehorsam abgelehnt werden.
Der Verlust der inhabergeführten Apotheken ist doch nur eine Randepisode für die Politik.
Dass dort ganz andere Player im Hintergrund die Fäden für eine Veränderung der Arzneimittelbelieferung in Europa ziehen, ist uns doch allen klar . ( Kapital- und Aktiengesellschaften ),Doc M, Zur Rose, und viele "Heuschrecken" mehr!!
Und Herr Tisch steht da und versucht mit seinem 'Lächeln', die 80% Katastrophe zu schönen..
Ich glaube, die phantasievollen Macher des Berufsbildes 2030 brauchen unbedingt einen "Plan B"!!

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keine Überraschung

von dr.pohl@mwp-apo.de am 30.06.2016 um 7:23 Uhr

das verwundert natürlich nicht im Geringsten. Mitarbeiter der ABDA und der 17 Landesapothekerkammern erhalten ihre Vergütung auch ohne Plan B, den sie halt jetzt einfach nicht haben und somit auch leistungsunabhängig.
Die Beiträge der Apotheker werden in gleichem, vielleicht sogar in noch höherem Maße in die Kassen der Kammern sprudeln, auch wenn RX-Boni zugelassen werden.

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wunschdenken

von frank ebert am 29.06.2016 um 23:11 Uhr

wie sagte junker heute zu ceta : die nationalen Parlamente sind ihm schnurzegal. Die EU ist am Ende und die deutschen Apotheken werden gerade noch rechtzeitig kaputt gemacht---jede Wette unter 8.35euro

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Wenn die ABDA keinen Plan B braucht, ok. Aber die Apothekem brauchen ihn!

von Kerstin Kemmritz am 29.06.2016 um 21:19 Uhr

Auch wenn ich mit der nüchternen Einschätzung zum möglichen Ausgang des EuGH-Urteils im Herbst konform gehe, zumal der Brexit hier die Eigenständigkeiten einzelner EU-Mitglieder eher befördert haben sollte, würde ich nichts darauf wetten.

Und für diesen unwahrscheinlichen Fall heißt es vorbereitet zu sein! Das ist der Plan B, den man von einer Standesführung allemal erwarten darf! Da kann man sich dann nicht erst nach britischer Manier erstaunt zurücklehnen und sagen "Damit hat ja niemand gerechnet!", sondern dafür müssen Pläne existieren! Das heißt nicht, irgendwelche Ergebnisse vorneweg zu nehmen, Flinten ins Korn zu werfen oder Leute, die noch ganz andere Ideen als wir haben, auf ebensolche zu bringen, sondern die Mitgliedsorganisationen auf alles Mögliche vorzubereiten, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Diese Ruhe hat eher etwas von einem Totstellreflex. Das hat in schwierigen Zeiten noch nie geholfen und dafür braucht man auch keinen Führungskader. Einen Newsroom auch nicht...

Es kann nicht sein, dass man sich im Falle der Boni-Freigabe für ausländische Versender erst mal entspannt zurücklehnt und abwartet, bis der erste Inländer auf Diskriminierung klagt und dann irgendwann in ein paar Jahren die Preisbindung auch in Deutschland fällt

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AW: Likefunktion an:

von Bernd Jas am 30.06.2016 um 9:57 Uhr

Sehr richtig Frau Kemmritz,

obwohl ich eher glaube zu wissen wer als letzter baden geht.
Wobei wir wider der Glaubens- und Wissensphilosophie wären.
Besser ist mit allem Schlechten zu rechnen. Und ob man sich danach zurücklehnen kann bleibt weiterhin offen.

Hat .....

von gabriela aures am 29.06.2016 um 20:23 Uhr

...man nicht in Berlin bis zuletzt NICHT an den Versandhandel geglaubt ?
Hat man nicht in Berlin bis zum Schluß an eine Honoraranpassung auf über 9€ geglaubt ?
Hat man nicht in Berlin bis zum Schluß an die (positive) Berücksichtigung in diversen Gesetzen geglaubt ?
Hat man nicht in Berlin an die teilweise Durchsetzung der monetären Forderungen der Apotheker geglaubt ?

Hat man in Berlin den Schuß gehört ?
Wer's glaubt...

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Puh, Schwein gehabt .......

von Wolfgang Müller am 29.06.2016 um 19:19 Uhr

Das ist ja in der Tat eine ganz vortreffliche Beruhigung, die uns endlich von dazu ganz unzweifelhaft berufener Seite zuteil wird. Davon abgesehen, dass Herr Kollege Rechtsanwalt Tisch vollkommen Recht hat, dass keineswegs sicher ist, dass dieses ja leider etwas unschöne EU-Verfahren zu unseren Ungunsten ausgeht: Die entscheidende, wahrhaft große und von Anderen so offensichtlich bisher nicht ausreichend intellektuell erfasste Beruhigung transportiert doch der vorletzte Absatz "Preisbindung hätte auch weiter Bestand" in die unentspannte Inferiorenschaft.

Danke dafür, und erneut: Chapeau!

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ABDA total verschnarcht

von Karl Friedrich Müller am 29.06.2016 um 17:11 Uhr

Wann bekommen die mal ihren Hintern hoch? Noch nicht mal, wenn er lichterloh brennt!
Lt apotheke adhoc will man tatsächlich einen Juristen zur Abwehr von Retaxen einstellen.
Wie !! Lange werden wir schon retaxiert? Und Zig Millionen verbraten? Und keinen von der ABDA hat es je interessiert?
Berechtigte Einsprüche werden ignoriert! Bei der ABDA unbekannt!
Nur schlechte Juristen mit schlechten Klagen, die noch nicht mal angenommen werden!
Uns nun will man sich auch nicht vorbereiten. Bedeutet für mich, dass im Fall des Falles wieder schlecht vorbereitet eine Niederlage droht.

Kann man diese Leute für den Schaden haftbar machen?
Schnarchtruppe auflösen! Sie sind eine Schande für die Apotheker.

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AW: Nee...

von gabriela aures am 29.06.2016 um 17:22 Uhr

..der Jurist macht Retax nebenher.
Das ist jetzt eine aktuelle Erweiterung seines Betätigungsfeldes.
Nicht doof die Ansage,denn welche Kammer, welcher Verband würde schon GEGEN einen hauseigenen Retax-Juristen stimmen ?

Ursprünglich ist er nämlich dafür zuständig:

Der Jurist soll sich zudem um Verhandlung und Betreuung von Hilfsmittelversorgungsverträgen kümmern und das Apotheken-A bei Nicht-Verbandsmitgliedern, bei Unternehmen und „sonstigen Dritten“ gegen Lizenzgebühren vermarkten.

Männer ohne Nerven

von Bernd Jas am 29.06.2016 um 17:01 Uhr

Die Haltung erinnert mich schwer an die alte Slapstick-Komödie "Männer ohne Nerven".
Da fällt eine Hausfassade mit einem offenen Fensterausschnitt um, und der Mann der vor dem Haus stand bleibt durch den Fensterausschnitt unversehrt stehen.
Das ist Berechnung, aber auch mutig.
In wie weit ein EuGH-Urteil berechenbar ist wage ich nicht zu erwägen. Was bleibt, ist etwa zwanzig Prozent vom Mut; wobei mit einem Dachschaden auch nicht zu rechnen ist.

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Jetzt....

von gabriela aures am 29.06.2016 um 16:50 Uhr

..ist es offiziell:

Ein simples "Weiter so ! " ist also das Motto der Standesvertretung.

Das (Bestell)Mails über Landesgrenzen hinweg verschickt werden können und DocMO und Konsorten MASSIVST in Werbung für ihre Boni werben werden, das ficht doch eine ABDA nicht an !
Oder interessiert sie schlichtweg nicht.
Statt mittlerweile gelernt zu haben, in "Apothekerfragen" grundsätzlich vom worst case auszugehen, verbreitet sie Frohsinn und Durchhalteparolen.

Einen Fünf-Jahresplan hat sie auch schon - meinen Glückwunsch- also noch eine ganze Legislaturperiode für FS und Kollegen, um sich noch bestmöglich abzusichern, bevor der ganze Laden (und damit ihre durchaus wohldotierten Ehrenamtsposten) den Bach runtergehen.

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