Beratungs-Quickie

Diclofenac und Methotrexat gegen rheumatoide Arthritis

München - 30.06.2016, 17:00 Uhr

Ein fester Tag für die MTX-Gabe, um Überdosierungen zu vermeiden: darauf sollte in der Apotheke hingewiesen werden.(Foto: Schlierner/ Fotolia)

Ein fester Tag für die MTX-Gabe, um Überdosierungen zu vermeiden: darauf sollte in der Apotheke hingewiesen werden.(Foto: Schlierner/ Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über Diclofenac und Methotrexat für einen Mann mit rheumatoider Arthritis. 

Formalien-Check

Mit grimmiger Miene betritt ein älterer Herr die Apotheke. Auf Nachfragen und Hinweise reagiert er ungehalten. In seiner Stammapotheke wüssten alle Bescheid, leider habe er vor seinem Urlaub vergessen dort das Rezept einzulösen. 

Das Rezept ist vollständig, aber nicht eindeutig. Position zwei ist in der Stärke 5 mg nicht verfügbar. Es gibt nur Methotrexat Lederle® 2,5 mg und 10 mg. Andere Hersteller (z.B. Hexal) bieten 5 mg an. Es ist Rücksprache mit dem Arzt erforderlich. Das Ergebnis kann auf der Verordnung dokumentiert und mit Datum abgezeichnet werden. Rabattverträge sind zu beachten. Für Arthotec® forte sind preisgünstige Importe bevorzugt abzugeben.

Sehr zum Ärger des ungeduldigen Kunden ist kein Gebührenstatusfeld angekreuzt. Er sei von der Zuzahlung befreit. Widerwillig zeigt er seinen Ausweis vor. „Gebühr frei“ unter Angabe der Gültigkeitsdauer und der Nummer des Befreiungsausweises wird ergänzt und mit Datum und Unterschrift abgezeichnet.

Ab Ausstellungsdatum ist das Rezept einen Monat gültig.

Beratungs-Basics 

Verordnet sind ein nichtsteroidales Antirheumatikums (NSAR) und ein sog. Basistherapeutikums (DMARD = Disease-modifying antirheumatic drug) zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis.

Arthotec forte® Manteltabletten enthalten neben 75 mg Diclofenac im Kern zusätzlich 0,2 mg Misoprostol im Mantel. Diclofenac wird zur symptomatischen Behandlung der Beschwerden eingesetzt.Das Prostaglandin-E1-Analogon Misoprostol dient der Prophylaxe von NSAR-induzierten Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren.

Die Standarddosierung beträgt zweimal täglich eine Tablette. Die Manteltabletten sind unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit zu einer Mahlzeit einzunehmen.

Neben gastrointestinalen Beschwerden stellen arterielle thrombotische Ereignisse unerwünschte NSAR-Wirkungen dar. Beide können sich ohne vorausgehende Warnsignale entwickeln und haben ein hohes Komplikationspotenzial, wie gastrointestinale Blutung oder Perforation sowie Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Außerdem sind schwere hepatotoxische Wirkungen (dosisabhängig) möglich.

Nebenwirkungen können reduziert werden, indem die niedrigste wirksame Dosis über den kürzesten erforderlichen Zeitraum angewendet wird.

Ältere Patienten sollten besonders sorgfältig hinsichtlich Nebenwirkungen überwacht werden.

Methotrexat (MTX) wird als Basistherapeutikum zur Behandlung der chronischen Polyarthritis eingesetzt. Zur Erstlinientherapie ist der Folsäureantagonist das Mittel der ersten Wahl unter den DMARDs. Bei Bedarf kann man mit anderen DMARDs. kombinieren. DMARDs besitzen krankheits­modifizierende (immunsuppresive) Eigenschaften und können das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen oder sie sogar völlig zum Stillstand bringen. 

Die Einnahme erfolgt einmal wöchentlich. Empfohlen wird eine Initialdosis von 7,5 bis 15 mg pro Woche. Bei Bedarf sind bei guter Verträglichkeit schrittweise Dosiserhöhungen (um 2,5 mg) bis max. 20 bis 25 mg pro Woche möglich. Die Behandlung erfolgt als kontinuierliche Langzeittherapie. Ältere Menschen erhalten eine niedrige Anfangsdosis mit vorsichtiger Steigerung und Anpassung an die Nierenfunktion.

Die Tabletten werden unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit, vorzugsweise am Abend und möglichst nicht zu einer Mahlzeit eingenommen. Mit einem Ansprechen ist nach circa vier bis acht Wochen zu rechnen.

Eine zu hohe MTX-Dosis kann lebensbedrohlich sein. Insbesondere bei Erstverordnung sind Kunden ausdrücklich auf die einmal wöchentliche Gabe hinzuweisen. Am besten legt man einen Wochentag fest.

Warnsymptome einer Überdosierung bedürfen sofort ärztlicher Behandlung. Das können grippeähnliche Symptome, Atembeschwerden, Reizhusten (Cave: Pneumonitis) oder schmerzhafte Entzündungen in der Mundhöhle sein.

Auch noch wichtig

Zahlreiche Nebenwirkungen sind möglich. Übelkeit und Erbrechen lassen sich vermeiden, wenn das Medikament zur Nacht eingenommen wird. Bei schlechter Verträglichkeit, kann die Wochendosis auf drei Gaben verteilt werden, die jeweils im Abstand von zwölf Stunden eingenommen werden.

Es sind engmaschige (Blutbild)kontrollen erforderlich.

Zur Verringerung von Nebenwirkungen empfiehlt sich die Gabe von 5-10 mg Folsäure einen Tag nach der MTX-Gabe. Entsprechende Präparate werden in der Regel mitverordnet und sind in dieser Indikation erstattungsfähig durch die GKV (siehe Anlage I zum Abschnitt F der AM-RL).

Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation sind zu beachten. Die gleichzeitige, regelmäßige Einnahme von Diclofenac (Arthotec forte®) kann zu einer Verstärkung der Methotrexat-Nebenwirkungen führen (durch indirekte Dosiserhöhung von MTX)! Auch in diesem Hinblick ist eine möglichst niedrige Dosierung des Analgetikums anzustreben.

Äussert der Kunde den Wunsch nach einem Produkt zur Behandlung von Mundschleimhautveränderungen, muss er sofort Rücksprache mit dem Arzt halten. Ulzerationen können eine Nebenwirkung von MTX sein. Dasselbe gilt bei ungeklärtem Durchfall, anhaltendem trockenem Reizhusten sowie bei Gefäßentzündungen, herpetiformen Hautveränderungen und allergischen Reaktionen.

Unter MTX-Therapie muss eine intensive Sonneneinstrahlung vermieden werden. Auch auf Alkohol sollte der Kunde während der Behandlung verzichten.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Die Behandlung der Rheumatoiden Arthritis sollte ein erfahrener Facharzt durchführen.
  • Entscheidend für den Behandlungserfolg ist ein früher Behandlungsbeginn und ein Ausschöpfen aller Therapiemöglichkeiten. 
  • Neben den klassischen DMARDs (wie MTX, Leflunomid oder Sulfasalazin) stehen als Behandlungsoption Biologika zur Verfügung: TNF-α Inhibitoren (wie Adalimumab, Etanercept oder Infliximab) sowie Abatacept oder Tocilizumab. In besonderen Fällen wird Rituximab empfohlen.
  • Initial wird meist ein Glucocorticoid zu den klassischen DMARDs verabreicht, das nach sechs Monaten wieder ausgeschlichen werden sollte.
  • Neben der medikamentösen Therapie sind Krankengymnastik, Ergotherapie und physikalische Maßnahmen sowie Schulung der Betroffenen und psychologische Hilfe wichtige Eckpfeiler in der Rheumabehandlung.
  • In schweren Fällen können operative Eingriffe, wie Korrekturoperationen und Gelenkersatz, zum Einsatz kommen.
  • Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen sollte während der Therapie mit Methotrexat (Immunsuppression!) nicht durchgeführt werden. 

Zuletzt entschuldigt sich der Kunde für sein schroffes Auftreten. Er habe einfach kaum noch Geduld mit seinen Mitmenschen. Das soll sich wieder ändern. Wenn ihn die Krankheit schon körperlich unbeweglich mache, dann möchte er sich zumindest eine gewisse Flexibilität im Geiste bewahren.

Der DAZ.online-Beratungsquickie

Jede Woche präsentieren wir einen kurzen Fall, wie er im Apothekenalltag vorkommen könnte. Die Fälle und die Beratungshinweise basieren auf dem Rezepttrainer 1, dem Rezepttrainer 2 und dem HV-Trainer, des Deutschen Apotheker Verlags.
Die Beispiele geben Anregungen zur Beratung und anderen Dingen, die bei der Abgabe zu beachten sind:

  • Formalien-Check: unter anderem Informationen zur Verordnungsfähigkeit sowie Gültigkeit des Rezeptes

  • Beratungs-Basics: die wichtigsten Informationen zur Anwendung

  • Auch noch wichtig: Infos zu häufigen Nebenwirkungen und anderen Anwendungsproblemen, Wechselwirkungen mit der Selbstmedikation, Warnzeichen für Komplikationen, …

  • Darf`s ein bisschen mehr sein? Weitergehende Informationen und mögliche Zusatzempfehlungen

Fehlt was?
Haben wir etwas Wichtiges übersehen, haben Sie noch eine weitere Idee oder gar einen ganz anderen Ansatz? Nutzen Sie die Kommentarfunktion und lassen Sie es uns wissen.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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