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Seit dem heutigen Freitag veröffentlichen rund 50 Pharmahersteller Zahlungen an Ärzte oder Apotheker. Während der Großteil der Empfänger nicht angegeben wird, hat DAZ.online mit vier Ärzten gesprochen, die im vergangenen Jahr um die 20.000 Euro von einzelnen Herstellern erhielten – und kein Problem damit haben, dies offenzulegen. Was unterscheidet sie von ihren Kollegen?
Rund 575 Millionen Euro zahlten gut 50 Pharmafirmen im vergangenen Jahr an Ärzte, Apotheker oder Gesundheits-Institutionen in Deutschland. Da diese Leistungen schnell in den Verdacht von Einflussnahme geraten, soll die Transparenzinitiative nun zeigen, dass es sich bei fast allen Formen der Zusammenarbeit um gewünschte Kooperation handelt – und nicht um unlautere Korruption. Bis zur vergangenen Mitternacht waren im Rahmen der Selbstverpflichtung erstmals die Zahlen vom letzten Jahr vorzulegen. Doch nur rund ein Drittel der Ärzte willigte laut Angaben der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) in die Veröffentlichung der persönlichen Zuwendungen ein. Gleichzeitig wird der Großteil der Gelder ohnehin nicht aufgeschlüsselt: Zahlungen für Studien und Anwendungsbeobachtungen werden nur in einer Zahl pro Firma gesammelt veröffentlicht.
Verschiedenste Gründe für Transparenz
Warum hat sich ein Teil der Heilberufler entschlossen, der freiwilligen Veröffentlichung zuzustimmen? DAZ.online hat bei mehreren der Empfänger nachgefragt, die nicht nur einige hundert Euro, sondern größere Summen um 15.000 oder 20.000 Euro von einzelnen Herstellern im Jahr 2015 erhalten haben. Vier haben geantwortet. Warum haben sie veröffentlicht – und sehen sie Interessenkonflikte? Die Gründe unterscheiden sich.
„Weil ich nichts zu verbergen habe“, erklärt der Frauenarzt Thomas Römer vom Endometriosezentrum am Evangelischen Krankenhaus Köln-Weyertal seine Motivation. Auf allen internationalen Kongressen sei es inzwischen üblich, Zuwendungen offenzulegen. „Wenn man es nicht offenlegt, ist immer etwas Geschmäckle dabei, man hätte etwas zu verbergen“, sagt Römer.
Das eigene Abendessen ist bezahlbar
Für einen Außenstehenden scheint es ziemlich viel Geld zu sein – aber es stecke viel Arbeit dahinter. Römer ist einer der Ärzte, die von Bayer im Jahr 2015 knapp 22.000 Euro erhielten und sich entschlossen haben, die Zahlungen offenzulegen. Er habe hierfür um die 15 Vorträge im In- und Ausland gehalten. Ungefähr 70 Prozent der Gelder im letzten Jahr wurden für Auslandsreisen nach Weißrussland oder Dubai, Kuweit und Katar bezahlt, rund 10 Prozent für einige Vorträge in Deutschland und die restlichen 20 Prozent für Beratungstätigkeiten in Advisory Boards. „Das kompensiert ja nicht einmal meinen Verdienstausfall“, sagt Römer.
Interessenkonflikte sieht er nicht. „Auf dem Gebiet der Kontrazeption arbeite ich mit allen Großen zusammen“, sagt Römer. Als Klinikarzt könne er wenig Einfluss auf Verordnungen nehmen – und für die Vorträge lasse er sich ohnehin keine Diasätze von den Firmen geben, sondern er zeige immer sein eigenes Material. In der Öffentlichkeit würden die Zahlungen oft falsch dargestellt – wobei früher auch „eine ganze Menge schiefgelaufen“ sei, wie er einräumt. Wahrscheinlich sei er unter seinen Kollegen im Moment noch eine Ausnahme, nimmt Römer an – und hat damit Recht.
„Was transparent ist, kann nichts Schlimmes sein. Was problematisch ist, sind immer die Dinge, die nicht transparent sind“, erklärt er. „Mein Abendessen kann ich auch selber bezahlen.“
Durchsetzen tut sich das, was hilft
„Es ist ja nicht viel, was ich verdiene – dafür schäme ich mich nicht“, sagt der Epileptologe Thomas Mayer, Ärztlicher Leiter des Sächsischen Epilepsiezentrums Radeberg. Er erhielt 2015 knapp 25.000 Euro von UCB. „Das kommt hin, das ist eine Zahl, die stimmt“, sagt Mayer. Die Zahlungen erhält er beispielsweise für Vorträge oder seine Arbeit in Beratungsgremien. Für Vorträge zahle UCB normalerweise Honorare von 600 bis 1000 Euro – das sei „nichts, was man nicht angeben dürfte“, erklärt Mayer. Die Ärzte, die sich der Initiative „Mein Essen zahl ich selbst“ angeschlossen haben, würden vermutlich gut verdienen – und im Westen leben. Die Pharma-Zahlungen sind für ihn „der kleine Bonus, sich das zu finanzieren, was man sich sonst nicht leisten könnte“.
Mayer erhält auch Unterstützung für die Durchführung von Studien sowie Anwendungsbeobachtungen. Diese Gelder werden im Rahmen des Transparenz-Codex nicht individuell veröffentlicht. „Ich hätte nichts dagegen“, sagt der Arzt. „Ich weiß, wie die Gelder früher verteilt wurden – inzwischen verschenkt die pharmazeutische Industrie ja nicht einmal mehr Kugelschreiber“. Über das in der Presse gezeichnete Bild ärgert er sich – da er auch alles ordentlich versteuert.
Uneigennütziges Engagement?
Bergen Pharma-Zahlungen nicht auch das Risiko von Interessenkonflikten? „Die Gefahr besteht, das würde ich auch bestätigen“, räumt Mayer ein. Das Problem sei jedoch nicht so groß, wenn man mit allen – oder vielen – Firmen zusammenarbeitet. Bei ihm seien es drei weitere. Außerdem gäbe es in der Epileptologie nicht so viele innovative Mittel. Darüber hinaus würden ihm die Patienten schnell sagen, was ihnen gut tut. „Durchsetzen tut sich das, was hilft“, sagt Mayer. Daher habe er persönlich nicht viel Einflussmöglichkeit: Er überrede keinen Patienten. In anderen Fächern – wie der Psychiatrie oder der Inneren Medizin – könne dies anders sein.
Für den Lübecker Onkologen Jens Kisro ist ein offensiver und proaktiver Ansatz die einzige Möglichkeit, mit den Zahlungen umzugehen. „Wir haben ja nichts zu verstecken“, erklärt er. Er war mit Zahlungen in Höhe von rund 18.000 Euro einer der Ärzte, die am meisten von Roche erhielten. „Ich habe Beraterfunktionen für Pharmafirmen, mache Studien“, sagt er. Ein großer Teil ginge auch bei ihm in Auslandsreisen, was wichtig sei, um sich über neue Daten zu informieren. „Das mache ich nicht für mich“, erklärt Kisro. Er verdiene soviel Geld, dass er die Zahlungen von Pharmafirmen gar nicht brauche.
Mit Honoraren gegen Raubtierkapitalismus
„Herr Lauterbach würde sagen, das geht niemals mit rechten Dingen zu“, sagt der Onkologe – der es deutlich anders sieht. Denn eigentlich verfolgt er ein anderes Ziel zusammen mit dem SPD-Gesundheitspolitiker: Er will die „völlig inakzeptable Preispolitik“ der Firmen deutlich kritisieren. „Wir können nicht so tun, als hätten wir für das Gesamtsystem keine Verantwortung“, sagt er. Daher nutze er die Beratungstätigkeit bei den Firmen, um den „Raubtierkapitalismus“ bei der Preisgestaltung zu kritisieren. „Wenn sie nur Lobhudeleien hören wollen, laden sie mich nicht ein“, erklärt Kisro.
Er rät allen Gesundheitsberuflern zur Offenlegung von Zahlungen. „Meiner Meinung nach müssen wir so transparent sein wie möglich – gerade bei teuren Medikamenten“, erklärt der Onkologe.
Überhaupt kein Problem mit Transparenz
Deutscher Top-Verdiener von Pfizer war im vergangenen Jahr der Kardiologe Mathias Rauchhaus aus Potsdam – er erhielt knapp 25.000 Euro an Honorarzahlungen und für Aufwendungen. Doch er verdient seinen Lebensunterhalt durch derartige Beratungsleistungen – im Bereich Studienmanagement, Prozess- und Qualitätsmanagement oder der Zulassung von Medizinprodukten. „Ich bin selber Arzt, aber vor einigen Jahren aus der kurativen Medizin ausgestiegen“, erklärt Rauchhaus. Daher arbeite er mit Interessen – aber ohne Konflikte, was die Patientenversorgung anbelangt. „Ich habe überhaupt kein Problem mit Transparenz“, sagt Rauchhaus.
Obwohl auch Apotheker unter den offengelegten Zahlungen sind, fanden sie sich zumindest nicht unter den Top-Verdienern. Da die Firmen nicht angegeben haben, zu welcher Art von Berufsgruppe die einzelnen Empfänger gehören, konnte diesbezüglich nicht nachgefragt werden. Doch sowohl die vielen Ärzte wie auch Ärztepräsident Ulrich Montgomery als auch verschiedene Pharmafirmen setzen sich in dieser Sache für mehr Transparenz ein, so dass im nächsten Jahr vielleicht noch mehr Angaben veröffentlicht werden. Die ABDA wollte auf Nachfrage aktuell zur Transparenz-Initiative keine Stellung nehmen.
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