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Pharma-Honorare
Montgomery will korrupte Kollegen aufdecken
Die Bundesärztekammer begrüßt die Transparenz-Initiative internationaler Pharmafirmen: Ab sofort werden Honorare, die die Industrie an Ärzte oder Apotheker zahlt, einmal im Jahr veröffentlicht – allerdings auf freiwilliger Basis. Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery geht die Aktion nicht weit genug. Er fordert eine Pflicht, künftig alle Zahlungen offenzulegen – auch ohne vorherige Zustimmung des Empfängers.
Der Transparenz-Kodex der Pharmaindustrie ist für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, ein „Schritt in die richtige Richtung“ – doch geht er nicht weit genug, wie er auf Nachfrage gegenüber DAZ.online erklärt. „Die übergroße Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte lässt sich nichts zu Schulden kommen und muss deshalb Transparenz nicht fürchten“, erklärte Montgomery. 54 Pharmaunternehmen haben sich im Rahmen der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) zusammengeschlossen, die bis Ende Juni Listen von Honorarzahlungen an einzelne Ärzte, Apotheker oder andere „Fachkreisangehörige“ veröffentlichen.
Bislang ist die Veröffentlichung für die Empfänger der Zahlungen freiwillig – sie erfolgt nur nach Einwilligung. Ärzte möchten jedoch nicht „von den wenigen schwarzen Schafen in Misskredit gebracht werden“, erklärt Montgomery. „Deshalb wünschen wir uns prospektiv, dass die Veröffentlichung der Zuwendungen unabhängig von der Zustimmung des Empfängers erfolgen kann.
Keine Positionierung durch die ABDA
Alternativ sollten Pharma-Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit Ärzten verzichten, die nicht genannt werden wollen, erklärt Montgomery, wie es die Bundesärztekammer auch schon bei der Vorstellung des Transparenzkodex der FSA im letzten Herbst gefordert hatte. Die ABDA wollte hierzu vorläufig keine Stellung nehmen, wie sie auf Nachfrage sagt.
Für eine Veröffentlichung der Honorarzahlungen ohne Zustimmung der Empfänger wäre eine gesetzliche Grundlage nötig. Einfacher sähe es aus, wenn die Pharmafirmen die Einwilligung zur Veröffentlichung zukünftig als Bedingung für Zahlungen verlangen. Doch sei auch dies rechtlich nicht ganz unumstritten, gibt FSA-Geschäftsführer Holger Diener auf Nachfrage zu bedenken – denn damit die Zustimmung datenschutzrechtlich unbedenklich ist, müsse sie freiwillig und nicht „mit Zwang“ erfolgen. Diese Option habe für die FSA aber bisher ohnehin nicht zur Diskussion gestanden.
Montgomery und die Bundesärztekammer wollen am liebsten hart durchgreifen und fordern ähnlich strenge Gesetze wie in den USA. Die Ärzteschaft befürworte „seit langem“ eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild des US-amerikanischen „Physicians Payment Sunshine Act“, erklärt er. „Danach müssen alle finanziellen Leistungen und Sachleistungen sowie Name, Adresse, Anbieter, Wert, Datum und Art der Zuwendung offengelegt werden.“ In den USA werden alle Zahlungen an Ärzte in der Datenbank „Dollar for Docs“ aufgeführt, die das gemeinnützige Recherchebüro ProPublic veröffentlicht.
Vieles bleibt erstmal unbekannt
Trotz der groß angekündigten Transparenzinitiative wird nur ein kleiner Teil der Zuwendungen an Einzelpersonen offengelegt. Rund zwei Drittel der Zahlungen von insgesamt rund 575 Millionen Euro wollen Unternehmen nicht aufschlüsseln: Die 366 Millionen Euro, die dem Bereich „Forschung und Entwicklung“ zugeordnet wurden, sollen nicht individuell aufgeführt werden – wie beispielsweise Honorare für die Durchführung von klinischen Studien oder Anwendungsbeobachtungen.
Mit ungefähr 90 Millionen Euro gingen letztes Jahr weitere 15 Prozent der Gesamtsumme an medizinische Institutionen wie zum Beispiel Krankenhäuser. Und von den verbleibenden 119 Millionen Euro, die an Ärzte oder Apotheker für Vortragshonorare oder Fortbildungen gezahlt wurden, wird auch nur ein kleinerer Teil veröffentlicht. Laut FSA-Informationen habe nämlich nur ungefähr jeder dritte Zahlungsempfänger der Veröffentlichung zugestimmt.
Die FSA will sich dafür einsetzen, dass die Zustimmungsquote zukünftig steigt. „Wenn uns die Bundesärztekammer bei dem Prozess unterstützen kann, würden wir das sehr begrüßen“, erklärt Geschäftsführer Diener. Er verweist auch darauf, dass beide Seiten sich entlasten können, indem sie unbegründeten Vorwürfen unlauterer Beeinflussung entgegentreten – Heilberufler können die Honorare natürlich selber beispielweise auf ihrer Homepage aufführen, welche Gelder sie zu welchem Zweck bekommen haben. „Sie können es ja als Arzt am besten ihrem Patienten erklären“, sagt Diener.
Wes‘ Brot ich ess…
Wie schnell Ärzte sich in ihrem Verordnungsverhalten wohl auch unterbewusst beeinflussen lassen, zeigt eine aktuelle Studie im Fachmagazin „JAMA Internal Medicine“: Mediziner verschreiben öfter die Präparate von Herstellern, von denen sie sich bewirten lassen, als andere zur Verfügung stehende Arzneimittel. Eine Analyse der mehr als 63.500 Zahlungen an knapp 280.000 Ärzte in den USA ergab auch einen Zusammenhang zwischen den Kosten der Mahlzeit und der Häufigkeit der Verschreibung.
„Meiner Meinung nach ist es von vorne-hinein unethisch, wenn Ärzte die Kosten für ihre Mahlzeiten vom amerikanischen Volk bezahlen lassen – in Form höherer Arzneimittelpreise“, sagte der Soziologe Eric Campbell von der Harvard Medical School in Boston gegenüber dem Branchendienst STAT. „Ärzte werden in dieser Gesellschaft ausreichend bezahlt – und sollten ihr Mittagessen selber bezahlen.“
1 Kommentar
FSA Transparenzkodex
von J. Barth am 22.06.2016 um 10:54 Uhr
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