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Cannabis als Medizin
779 Patienten besitzen Cannabis-Ausnahmeerlaubnis
In Deutschland dürfen derzeit 779 Patienten Cannabis zu medizinischen Zwecken erwerben und anwenden. Die meisten setzen es zur Schmerzbehandlung ein. An zweiter Stelle folgt die Diagnose ADHS. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich
schon seit Jahren für einen leichteren Zugang zu Cannabis als Medizin ein. Anfang
2015 wagte auch das CDU-geführte Bundesgesundheitsministerium einen Schritt in
diese Richtung. Inzwischen befindet sich ein entsprechender Gesetzentwurf im
parlamentarischen Verfahren. Am morgigen Donnerstag, dem 7. Juli, steht im Bundestag die erste Lesung an – allerdings erst zu sehr später Stunde.
Das geplante Gesetz soll schwerwiegend erkrankten Patienten ermöglichen, getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in standardisierter Qualität auf ärztliche Verschreibung in Apotheken zu erhalten. Voraussetzung ist, dass sie keine Therapiealternative haben und eine entsprechende ärztliche Indikationsstellung vorliegt. Die gesetzlichen Kassen müssen in diesen Fällen auch für die Behandlung zahlen. Verknüpft wird die Erstattung mit einer begleitenden Datenerhebung. Weitgehende Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Versorgung mit Medizinalhanf werden dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingeräumt (Cannabis-Agentur).
85 Ausnahmegenehmigungen bislang in 2016
Um diese Pläne der Regierung geht es in der jüngsten Kleinen Anfrage der Grünen zur „Versorgung mit Cannabis in der Medizin“, zu der nun die Antwort der Bundesregierung vorliegt. Diese liefert zunächst einige frische Fakten. So haben am 14. Juni 779 Patienten über eine Ausnahmeerlaubnis des BfArM zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie verfügt. Von diesen Ausnahmegenehmigungen wurden 744 für den Erwerb von Cannabisblüten und 45 für den Erwerb von Cannabisextrakt erteilt. Zehn Patienten haben die Erlaubnis, Blüten und Extrakt gleichermaßen zu erwerben.
Die Zahl der Anträge ist dabei in den letzten
Jahren beständig gestiegen. Gingen 2011 noch 60 Anträge beim BfArM
ein, waren es 2013 schon 173 und 2015 dann 434 Anträge. 692 Genehmigungen erteilte das BfArM in den Jahren 2011 bis 2015. Im laufenden Jahr gingen bislang
zwischen 30 und 44 Anträge im Monat bei der Behörde ein. 85 Mal beschied sie bislang positiv – und es befindet sich derzeit noch eine „größere Zahl“ von Anträgen in Bearbeitung.
Die Grünen fragten auch nach den Anwender-Zahlen zu den Cannabis-Arzneimitteln Dronabinol, Nabilon und Sativex®. Hier konnte die Regierung nur zu Sativex® antworten – da nur dieses Mittel von den Kassen erstattet wird und daher Daten aus der vertragsärztlichen Versorgung vorliegen. Das MS-Arzneimittel wurde 2015 knapp 22.000 Mal verordnet.
Die häufigsten Diagnosegruppen
Auskunft gab die Regierung auch zu den Hauptdiagnosegruppen. Bei Patienten, die eine Ausnahmeerlaubnis haben, stellen sich diese derzeit wie folgt dar:
- Schmerz (einschließlich schmerzhafte Spastik bei multipler Sklerose): ca. 62 Prozent,
- ADHS: ca. 12 Prozent,
- Tourette-Syndrom: ca. 4 Prozent,
- Epilepsie: ca. 3,5 Prozent,
- Sonstige Neurologie: ca. 0,5 Prozent,
- Depression: ca. 6 Prozent,
- Sonstige Psychiatrie: ca. 3 Prozent,
- Darmerkrankungen: ca. 4 Prozent,
- Inappetenz/Kachexie: ca. 4,5 Prozent,
- Lungenerkrankungen: ca. 0,5 Prozent.
Die Grünen wollten ferner wissen, wann nach Auffassung der Regierung keine Therapiealternative zur Verfügung steht – also „keine anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Leistung im Einzelfall“. Hierzu heißt es in der Antwort, dass der Arzt hierüber entscheide. Um die Voraussetzungen zu prüfen, könne die Krankenkasse den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit einer Begutachtung des Einzelfalls beauftragen.
Regierung verteidigt verpflichtende Begleiterhebung
Auch zur Begleiterhebung, die der Gesetzentwurf als Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch nennt, haben die Grünen einige Fragen. Denn hierbei handelt es sich um ein Novum in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Auch der Bundesrat hat bereits Bedenken gegen diese Pläne angemeldet. Doch die Regierung will bislang nicht von ihnen abrücken. Die Begleiterhebung diene dazu, umfassende Erkenntnisse über die therapeutischen Ergebnisse der Cannabis-Anwendung zu medizinischen Zwecken zu gewinnen, schreibt sie. Diese soll später der Gemeinsame Bundesausschuss nutzen, um Näheres zur Leistungsgewährung entscheiden zu können.
Die Regierung weist ferner darauf hin, dass es bei den von der Regelung umfassten Arzneimitteln keine Evidenz gebe, wie sie sonst für die Erstattung vorausgesetzt wird. „Deshalb ist ausnahmsweise die verpflichtende Teilnahme an einer Begleiterhebung Voraussetzung für die Leistungsgewährung der GKV“. Zudem: Es handele sich um eine nicht-interventionelle Erhebung, weitere Diagnoseverfahren als ohnehin erforderlich, kämen nicht zur Anwendung. Auch würden die Daten anonym an das BfArM ermittelt. Die Ärzte selbst blieben ebenfalls anonym. Näheres zur Begleiterhebung werde durch eine Rechtsverordnung geregelt. Erkenntnisse der höchsten Evidenzstufe erwartet die Regierung von der Erhebung nicht. Dennoch geht sie von einem Erkenntnisgewinn aus, der im Interesse der betroffenen Patienten und Ärzte liegen wird.
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