Apotheker in der Erdbebenregion in Italien

„Die Menschen brauchen mich jetzt“

Berlin - 25.08.2016, 16:21 Uhr

Auf dem linken Foto ist die Apotheke von Francesco Nigro noch unbeschädigt. Nach dem Erdbeben in Mittelitalien ist sie nicht mehr betretbar. Nigro versorgt die gesamte Region. (Foto: Google | dpa )

Auf dem linken Foto ist die Apotheke von Francesco Nigro noch unbeschädigt. Nach dem Erdbeben in Mittelitalien ist sie nicht mehr betretbar. Nigro versorgt die gesamte Region. (Foto: Google | dpa )


Wieder einmal wurde Mittelitalien von einem starken Erdbeben heimgesucht. Anderthalb Tage nach der Naturkatastrophe liegt die Zahl der Toten bei fast 250, hunderte Menschen werden noch vermisst. Die Arzneimittelversorgung der Region muss von einigen wenigen Apothekern geschultert werden. Einer von ihnen ist Francesco Nigro.

Apotheker Francesco Nigro klingt gehetzt. Kein Wunder. Das Haus, in dem er wohnt, ist nicht mehr betretbar. Seine Apotheke in dem Bergdorf Accumoli ist einsturzgefährdet. Deswegen musste Nigro in der vergangenen Nacht, der ersten Nacht nach dem Erdbeben, zu seiner Familie fahren, ins 220 Kilometer entfernte Pescara. Der Apotheker ist am heutigen Donnerstag aber in aller Eile zurückgekehrt in die Katastrophenregion. Er will helfen, mit anpacken. „Hier kennt jeder jeden, wir sind eine große Familie, die Menschen brauchen mich jetzt“, erzählt Nigro.

Was war passiert? In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bebte zwischen 3 und 4 Uhr morgens etwa eine Minute lang die Erde in Mittelitalien. Besonders schlimm betroffen sind Bergdörfer in den italienischen Regionen Marken, Abbruzzen, Latium und Umbrien. Der Ort Amatrice ist dem Erdboden gleich, kein Haus steht mehr. Auch das Dorf von Francesco Nigro wurde schwer getroffen. Der Zivilschutz zählt bislang etwa 250 Tote, ständig werden aus den Trümmern neue Leichen geborgen, hunderte Menschen werden noch vermisst oder sind verletzt.

Straßen nicht mehr passierbar. Am Ende dieser Straße in Accumoli liegt die Apotheke von Francesco Nigro. (Foto:dpa)

Das Generalalphabet steht kurz vor dem Kollaps

Als die Erde bebte, lag Francesco Nigro in seinem Bett und schlief. Während der Woche, wenn seine Apotheke geöffnet ist, wohnt er in einer 1-Zimmer-Wohnung in Accumoli. Der Apotheker erinnert sich: „Ich bin aufgewacht, weil alles um mich herum wackelte. Mein Bett steht neben einem Schrank, ich hatte Angst, dass der auf mich rauffällt.“ Nigro rannte hinaus auf die Straße. Ihm bot sich ein Bild des Schreckens: Viele Gebäude in dem alten, italienischen Bergdorf wurden von einer Minute auf die andere zerstört. Die Häuser, die noch stehen, haben kein Dach mehr oder ausgebrochene Fenster.

In den Morgenstunden wagte Nigro dann einen ersten Blick in seine Apotheke. Auch dieser Anblick schockierte ihn: „Fast alle Schränke, das gesamte Generalalphabet sind aus Holz. Das ist zu 80 Prozent in sich zusammengekracht. Insgesamt wirkt der gesamte Laden nicht mehr stabil“, sagt Nigro. Weil es den ganzen Tag zu Nachbeben kam, fuhr der Apotheker erst einmal zu seiner Familie.

Notversorgung aus Apotheken-Containern und Wohnmobilen

Doch schon am gestrigen Mittwochnachmittag begannen die Feuerwehr und der Zivilschutz mit dem Wiederaufbau der betroffenen Regionen. In der Nähe von Accumoli wurde eine Zeltstadt errichtet, in der jetzt schon mehr als 200 Menschen ihr Lager aufgeschlagen haben. „Inzwischen ist keiner mehr im Ort. Es gibt kein Haus mehr, das nicht einsturzgefährdet ist“, berichtet Nigro. Auch die medizinische Versorgung in der Region hat gelitten: In Accumoli gibt es zwei Ambulanzen von niedergelassenen Ärzten, die dort ein paar Mal in der Woche eine Sprechstunde anbieten – ähnlich wie Nigros Apotheke sind beide nicht mehr betretbar.

Noch schlechter sieht es mit der Versorgung im rund 14 Kilometer entfernten Amatrice aus: In dem Ort gibt es zwei Apotheken. Beide sind komplett zerstört. Dem italienischen Apothekerverband zufolge ist nicht mal mehr eine Notversorgung möglich – alle Arzneimittel liegen unter einem riesigen Schutthaufen. Glücklicherweise ist beiden Apothekeninhabern aber nichts passiert.

Zerstörte Häuser in Accumoli (Foto:dpa)

Insuline, Herzmedikamente, Notfallmedikamente, Verbände, Pflaster

Weil aber die Arzneimittelversorgung der gesamten Region vor dem Zusammenbruch stand, riefen die Feuerwehr und der Zivilschutz auch bei Nigro an. Ob er noch Zugang zu seinen Medikamenten, Verbandsmaterialien sowie medizinischem Besteck habe, wollte die Feuerwehr wissen. Nigro sagte zu. Seit heute Morgen ist er nun also damit beschäftigt, seine Apotheke nach und nach leer zu räumen und die Arzneimittel in der gesamten Region zu verteilen.

„Insbesondere alte Menschen und Chroniker in den Zelten, aber auch in den Nachbarorten müssen versorgt werden. Es geht um Insuline, Blutdruckmedikamente, Asthma-Mittel, Verbände und Pflaster“, berichtet der Pharmazeut. Die Feuerwehr und die Apothekenkooperation, in der Nigro Mitglied ist, haben ihm bis Ende der Woche einen Container zugesagt. Den soll Nigro dann im Tal, nahe der Zeltstadt, aufbauen und von dort aus die Versorgung steuern.

Insgesamt acht Apotheken sind nicht mehr betretbar

Auch der italienische Apothekerverband zieht eine erschreckende Bilanz. Neben den zwei komplett zerstörten Apotheken in Amatrice seien insgesamt acht Standorte so geschädigt, dass sie nicht mehr betretbar seien. So wie Francesco Nigro hätten aber auch alle anderen betroffenen Apotheker die Versorgung sofort wieder aufgenommen. Neben Nigro gibt es laut Apothekerverband noch einen weiteren Pharmazeuten, der Amatrice mit lebenswichtigen Medikamenten versorgt, darunter Schmerzmittel und andere Notfallmedikamente. In den nächsten 48 Stunden will der Apothekerverband zwei Wohnmobile in die Region schicken, in denen sowohl Ärzte als auch Apotheker ihre Patienten beraten können. Für die betroffenen Pharmazeuten hat der Verband bereits ein Spendenkonto eingerichtet.

Für Nigro ist es eine Selbstverständlichkeit, sich die kommenden Tage und Nächte komplett seinen Nachbarn zu widmen. „Ich habe diese Apotheke jetzt seit drei Jahren. Es war nicht immer einfach, weil meine Kinder so weit weg wohnen. Das ganze Dorf hier ist aber inzwischen zu meiner zweiten, großen Familie geworden. Als Apotheker in einem so kleinen Dorf bist du auch an normalen Tagen sowieso nicht nur Apotheker, sondern auch Mediziner, Psychologe und Sozialarbeiter“, erzählt Nigro, während er mit seinem Auto die von Feuerwehrleuten abgesperrte Zufahrt zu seinem Dorf erreicht. Auflegen muss er, weil er die Absperrung passieren muss, um dann aus seiner Apotheke neue, benötigte Arzneimittel zu holen.

Kontoverbindung für Spenden

Liebe Leserinnen und Leser,
uns haben einige Fragen zu den Daten des Spendenkontos erreicht. Wenn Sie gerne spenden möchten, dann richten Sie Ihre Überweisung bitte an die Firma "Edra Spa". Das ist ein Subunternehmen des Apothekerverbandes in Rom, welches das Hilfsprogramm "Farma & Friends" organisiert.

Die IBAN-Nummer des Spendenkontos ist:
IT 22 V 03069 09502 100000001613

Als Verwendungszweck geben Sie bitte an:
"donazioni terremoto agosto 2016"

Am Ende dieser Internetseite ist zudem ein Link zum Paypal-Verfahren, falls Sie daran teilnehmen:
http://www.farmaefriends.it

Der Leiter des Hilfsprogramms sagte, dass alle Spendengelder ausschließlich in den Wiederaufbau der betroffenen Apotheken fließen. Die Rekonstruktion der Apotheken in der Regionen sei einer der größten Gefallen, den man der Bevölkerung derzeit machen könne.

Vielen Dank für Ihr Interesse!



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Kontoverbindung für Spenden

von Benjamin Rohrer am 25.08.2016 um 19:23 Uhr

Liebe Leserinnen und Leser,
uns haben einige Fragen zu den Daten des Spendenkontos erreicht. Wenn Sie gerne spenden möchten, dann richten Sie Ihre Überweisung bitte an die Firma "Edra Spa". Das ist ein Subunternehmen des Apothekerverbandes in Rom, welches das Hilfsprogramm "Farma & Friends" organisiert. Die IBAN-Nummer des Spendenkontos ist:
IT 22 V 03069 09502 100000001613

Als Verwendungszweck geben Sie bitte an:
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Am Ende dieser Internetseite ist zudem ein Link zum Paypal-Verfahren, falls Sie daran teilnehmen:
http://www.farmaefriends.it

Der Leiter des Hilfsprogramms sagte, dass alle Spendengelder ausschließlich in den Wiederaufbau der betroffenen Apotheken fließen. Die Rekonstruktion der Apotheken in der Regionen sei einer der größten Gefallen, den man der Bevölkerung derzeit machen könne.

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Mit den besten Grüßen
Benjamin Rohrer

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Spendenkonto

von Gerrit Linnemann am 25.08.2016 um 18:07 Uhr

"Für die betroffenen Pharmazeuten hat der Verband bereits ein Spendenkonto eingerichtet."

IBAN / BIC ??

Für irgendwas muss das blöde SEPA doch zu gebrauchen sein...

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