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- Der Ausschreibungsfehler
Bei den gegenwärtigen Ausschreibungen von parenteralen Zubereitungen läuft derzeit einiges verquer. Dr. Franz Stadler, Apotheker aus Erding, setzt jetzt auf Erkenntnis und die aus seiner Sicht einzig logische Konsequenz: die Ausschreibungen aufzugeben.
Einen Fehler einzugestehen fällt schwer. Oft versuchen wir, so lange als möglich zu vermeiden, die einzig richtige Konsequenz zu ziehen: den Fehler zu korrigieren. Im Fall der Ausschreibung von parenteralen Zubereitungen bedeutet dies, diese Ausschreibungen aufzugeben und die angestrebten Einsparungen auf andere Weise zu erzielen.
Was ist der Sinn der ambulanten Zytostatikabehandlung? Der meist schwerkranke Patient soll wohnortnah, in seinem gewohnten Umfeld und ohne teuren Krankenhausaufenthalt qualitativ hochwertig behandelt werden. Psychologisch, aber auch medizinisch ist das für die betroffenen Menschen die beste Variante. Wichtig dabei aber ist, dass die Behandlungsqualität nicht schlechter als im Krankenhaus ist und das Zusammenspiel der beteiligten Leistungserbringer vor Ort reibungslos funktioniert.
Fehleranfällige Vergabelogik
Allein dieses Argument würde schon stark gegen Ausschreibungen sprechen, die gewachsene Strukturen mutwillig aufs Spiel setzen. Wie das Beispiel der AOK-Ausschreibungen zeigt, erhält zwar in einigen Fällen die ortsansässige Apotheke den Zuschlag. Zum Teil kann es aber auch zu Lieferungen über 200 km kommen – oder zwei Apotheken fahren aneinander vorbei und beliefern die Praxis nahe am Standort der jeweils anderen Apotheke. Diese Vergabelogik erhöht nicht nur das Verkehrsaufkommen, sondern kompliziert unnötigerweise das Praxismanagement. In nicht allzu ferner Ausschreibungszukunft wird jede Praxis je nach Krankenkasse des Patienten bei einem anderen Lieferanten bestellen müssen, ein fehleranfälliges Verfahren. Auch die unterschiedlichen Lieferzeiten, die zudem bei längeren Strecken stark verkehrsabhängig sind, werden die Verweildauern der Patienten in den Praxen deutlich erhöhen.
Hauptproblem: Lieferzeiten
Bei den Lieferzeiten ergibt sich aber das Hauptproblem. Nicht alle Wirkstoffe sind nach ihrer Zubereitung beliebig lange haltbar. Leider ist es auch nicht damit getan, wie bei der DAK/GWQ-Ausschreibung unlängst erfolgt, die von den Krankenkassen akzeptierten Lieferzeiten für Ad-hoc-Lieferungen von 60 auf 90 Minuten zu verlängern. Zwar wird mit dieser Verlängerung möglicherweise das postulierte Ziel der Krankenkassen erreicht, keine potenziellen „Bieter von der Angebotsabgabe abzuhalten oder ihr Angebot aufgrund erschwerter Umstände kalkulieren zu müssen“. Aber einige Wirkstoffe (u.a. Dacarbazin) sind eine Stunde nach Zubereitung bereits verfallen. Ihr späteres Inverkehrbringen und ebenso ihre Anwendung am Patienten sind unzulässig. Auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sagt, dass die Versorgung entsprechend der arzneimittelrechtlichen Regelungen erfolgen muss und die Angaben zur Haltbarkeit für jeden Apotheker gleichermaßen verbindlich sind.
Mangelnde Kontrolle
Fakt ist, dass die Krankenkassen bei ihren Einsparbemühungen nach wie vor kaum kontrolliert werden. So stellt die DAK zwar in Richtung der Apotheker fest, dass nur die Haltbarkeiten der Fachinformationen, beziehungsweise der Hilfstaxe gelten („Es gelten die Stabilitätsangaben der Fachinformationen bzw. der Hilfstaxe.“), handelt aber selbst nicht danach. Wie kann das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde der DAK akzeptieren, dass Ad-hoc-Lieferzeiten über die Haltbarkeitsdauer betroffener Wirkstoffe hinaus verlängert werden?
Aber nicht nur die DAK verlängert trotz ihrer eigenen Aussage zu den Haltbarkeiten die Lieferzeiten und kontrolliert die Fahrstrecken der gegebenenfalls zuliefernden Herstellbetriebe nicht. Auch die AOK Bayern hat, trotz der jüngsten BMG-Äußerungen, gegen ein Urteil des Sozialgerichts Würzburg, in dem sie, nach Jahren, zur Zahlung korrekt abgerechneter Verwürfe verurteilt wurde, Berufung eingelegt. Wer überprüft dieses Verhalten? Gilt das Gesetz nur für die Apotheker, aber nicht für die Kassen? An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Einsparungen auch anders erzielt werden können. Sollte es im Gesundheitswesen tatsächlich um den Patienten gehen, wäre das Eingeständnis, dass Ausschreibungen im Fall parenteraler Zubereitungen nicht zielführend sind, ein erster Schritt zu einer möglichen Einigung der Sozialpartner.
4 Kommentare
Auf den Punkt gebracht . . .
von Uwe Hansmann am 01.08.2016 um 20:55 Uhr
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AW: Richtig...
von Bernd Jas am 02.08.2016 um 9:36 Uhr
AW: Apotheken-/Mittelstandsvernichtungsprogramm
von Josef Werner am 02.08.2016 um 11:18 Uhr
Was Bleibt?
von Bernd Jas am 01.08.2016 um 15:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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