Interview mit Stada-Chef Matthias Wiedenfels

Ich bin CEO. Punkt.

Stuttgart - 04.08.2016, 09:30 Uhr

Matthias Wiedenfels leitet Stada seit einigen Wochen – und gedenkt offenbar nicht, wieder aufzuhören. (Foto: Stada)

Matthias Wiedenfels leitet Stada seit einigen Wochen – und gedenkt offenbar nicht, wieder aufzuhören. (Foto: Stada)


Wie geht es weiter bei Stada? Der umstrittene Investor Active Ownership Capital will das Unternehmen bei der nächsten Hauptversammlung kräftig aufmischen. Nachdem der bisherige Vorstandschef erkrankte, hat Matthias Wiedenfels die Leitung übernommen. Gegenüber DAZ.online bekräftigt er seinen Führungsanspruch und äußert sich zur Zukunft von Stada.

Beim Arzneimittelhersteller Stada geht es seit Monaten turbulent zu. Investoren machen Druck auf die Unternehmensführung, um die Tagesordnung der anstehenden Hauptversammlung wird heftig gerungen und der langjährige Vorstandschef Hartmut Retzlaff hat sich krank gemeldet.

Anlässlich der Vorstellung der Unternehmenszahlen am heutigen Donnerstag hat DAZ.online den neuen Mann an der Spitze, Dr. Matthias Wiedenfels, gefragt, wie es mit Stada weitergeht. Dieser macht klar, dass eine Aufspaltung des Konzerns – wie von vielen gefordert – für ihn nicht infrage kommt. Und er bekräftigt seinen Anspruch, Stada weiterhin zu führen.

DAZ.online: Sie sind seit Anfang Juni der neue Mann an der Spitze von Stada. Ist Stada Ihrer Meinung nach auf dem richtigen Kurs oder sehen Sie Handlungsbedarf, die Richtung zu ändern?

Matthias Wiedenfels: Stada steht sehr gut da, und unser Geschäftsmodell ist kerngesund. Wir werden uns deshalb nicht neu erfinden. Unsere Wachstumsstrategie ist tragfähig und allseits anerkannt. In einem herausfordernden Umfeld haben wir gerade erst hervorragende Halbjahreszahlen erreicht. Wir haben also eine starke Basis, auf der wir aufsetzen können. Auch in Zukunft bleibt das Generika-Geschäft das solide Fundament für unseren Erfolg. Allerdings werden wir unsere beiden Kernsegmente Generika und Markenprodukte konsequent internationalisieren und weiterentwickeln, Wachstumsmärkte stärker erschließen, die Konzernstruktur effizienter gestalten und die Profitabilität durch die Reduzierung von Kosten verbessern.

Unser oberstes Ziel ist, dass wir weiter profitabel wachsen, Umsatz und Gewinn steigern und Stada in eine erfolgreiche Zukunft führen. Davon profitieren unsere Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre. Dabei setzen wir auf einen hohen Anteil an Kontinuität, aber auch auf gesunden Wandel und Fortschritt.  

DAZ.online: Was bedeutet das konkret? Planen Sie Änderungen im Portfolio und der regionalen Präsenz?

Wiedenfels: Wie bereits ausgeführt, muss sich Stada weiterentwickeln, aber nicht neu erfinden. Bei dem angepeilten Wachstum wird das in vielen Märkten führende Generika-Geschäft weiterhin die solide Basis bleiben, und dort sehen wir aufgrund niedrigerer Penetrationsraten auch noch Wachstumspotenzial. Gleichzeitig soll der Markenprodukt-Bereich ausgebaut und der Anteil dieses Segments am Konzernumsatz mittelfristig weiter erhöht werden. Dafür sollen Markenprodukte wie Apo-Go, Ladival oder Daosin stärker internationalisiert und auch in neuen Märkten platziert werden. Darüber hinaus sehen wir Wachstumschancen in innovativen Produktfeldern wie Biosimilars oder Kosmetik/Ästhetik, die wir weiter ausbauen werden.

Wäre eine Aufspaltung Stadas förderlich?

DAZ.online: Stada gilt seit Langem als Übernahmekandidat beziehungsweise als Unternehmen, das aufgespalten werden könnte – sind das Optionen für Sie?

Wiedenfels: Eine Aufspaltung würde mit Blick auf den nachhaltigen Erfolg von Stada und die langfristige Wertsteigerung gegenwärtig keinen Sinn machen. Zwischen beiden Segmenten gibt es ein wertsteigerndes Zusammenspiel. Schauen Sie sich Beschaffung, Produktion und generell die gesamte Supply Chain an, da gibt es jede Menge Synergien zwischen beiden Bereichen. Darüber hinaus bestehen in Märkten wie Russland oder Vietnam hohe Synergien im Vertrieb. In solchen Märkten ist die Abgrenzung in Generika, Markengenerika und OTC ohnehin verschwommen. Denn hier ist auch für Generika der Markenname von entscheidender Bedeutung, weil er für ein glaubhaftes Qualitätsversprechen steht.

Daher ergänzen sich die beiden Säulen Generika und Markenprodukte hervorragend. Außerdem müssten bei einer Aufspaltung in vielen Ländern kostspielige Doppelstrukturen aufgebaut werden. An diesen Beispielen zeigt sich, dass eine Aufspaltung negative Auswirkungen auf den Konzernerfolg sowie den Unternehmenswert hätte.

DAZ.online: Ihr Unternehmen steht seit Monaten unter Druck durch den aktivistischen Investor AOC. Er verlangt einen Umbau des Aufsichtsrates und die Abschaffung der vinkulierten Namensaktien. Wie beurteilen Sie die Forderungen, auf die Sie ja zu einem großen Teil bereits eingegangen sind?

Wiedenfels: Grundsätzlich gilt: Wir sind an allen Vorschlägen unserer Aktionäre interessiert. Unabhängig davon prüfen wir sehr genau, ob und wie wir Stada weiter voranbringen können. Die Themen, die Active Ownership Capital angesprochen hat, kannten wir bereits und wir arbeiten schon seit Längerem an einer strategischen Weiterentwicklung. Auch hatte der Aufsichtsrat ohnehin für 2018 eine wesentliche Erneuerung des Gremiums geplant. Die personelle Erneuerung des Aufsichtsrats wurde um zwei Jahre vorgezogen, um der bereits begonnenen strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens mit Blick auf die Internationalisierung und den Ausbau des Markenproduktbereichs noch besser Rechnung zu tragen. Intensive Gespräche mit zahlreichen Investoren hatten ergeben, dass unsere Aktionäre eine frühere Neubesetzung im Aufsichtsrat begrüßen würden.

Der Stada-Aufsichtsrat hat, wie angekündigt, unabhängig vom Vorstand und mit professioneller Unterstützung durch die renommierte Personalberatung Egon Zehnder einen strukturierten und transparenten Auswahlprozess für die Kandidaten zur Neuwahl in den Aufsichtsrat durchgeführt. In diesem Zuge wurde ein Anforderungsprofil für unabhängige, dem Unternehmen und allen Aktionärsinteressen dienenden Kandidaten erarbeitet, die zusammen mit den verbleibenden Aufsichtsratsmitgliedern eine unabhängige und hervorragende Expertise für Stada bieten.

DAZ.online: Und die Forderung nach der Abschaffung der vinkulierten Namensaktien?

Wiedenfels: Darüber entscheidet allein die Hauptversammlung. Wenn unsere Aktionäre mehrheitlich der Meinung sind, dass dieses Instrument nicht mehr zeitgemäß ist, dann schaffen wir es ab. Aus Sicht des Vorstands hat die Vinkulierung keinerlei Bedeutung, erst recht nicht die, die ihm in manchen öffentlichen Berichten zugesprochen wird. Es ist Unsinn, anzunehmen, dass die Vinkulierung als Abwehrbollwerk gegen Übernahmen eingesetzt würde oder wurde.

Keine Interims-Lösung

DAZ.online: Wie bezeichnen Sie selbst Ihren Führungsstil?

Wiedenfels: Eine gute Frage. Ich formuliere gerne einen Führungsanspruch, der auf persönlicher Integrität und fachlicher Exzellenz basiert. Die Kultur in einem Unternehmen ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor, der wesentlich darüber mitbestimmt, wie motiviert die Mitarbeiter sind und wie sehr sie hinter dem eigenen Unternehmen stehen. Neben den rein fachlichen Aspekten, die sich messbar in operativen Ergebnissen niederschlagen, ist die weniger messbare, aber ebenso wichtige Basis des Erfolgs meiner Meinung nach eine vertrauens- und integritätsgestützte Unternehmenskultur, in der auf allen Ebenen offene und konstruktive Dialoge geführt werden.

Wir haben eine tolle Mannschaft, die sich voll und ganz für Stada einsetzt. Unsere Mitarbeiter verfügen über ein hervorragendes Produktwissen und exzellente Marktkenntnisse. Allerdings war dieses Know-how in der Vergangenheit nicht ausreichend vernetzt. Das ändern wir jetzt, indem wir den Konzern effizienter organisieren. Zudem setzen wir in der Kommunikation mit unseren Mitarbeitern nun deutlich stärker auf einen dialogorientierten Austausch. 

DAZ.online: Sie sind offiziell Interims-CEO. Werden Sie am Ende länger in diesem Amt bleiben als nur vorübergehend?

Wiedenfels: Es ist nicht meine Wahrnehmung, dass hier nur eine Übergangslösung geschaffen wurde. Ich bin CEO. Punkt. Und als solcher stelle ich das Unternehmen auf, nachhaltig und mit einem Profitabilitäts- und Wachstumsanspruch, wie sie ihn interimistisch gar nicht formulieren könnten. Ich kenne das Unternehmen auch gut genug, um zu wissen, wo die wirklichen Wachstumspotenziale liegen. Ich bin äußerst motiviert, die nächsten Schritte beherzt anzupacken und gemeinsam mit meinem Vorstandskollegen, Herrn Kraft, einem qualifizierten Management und engagierten Mitarbeitern auch optimal darauf vorbereitet.  

Kurzvita Matthias Wiedenfels

Der promovierte Jurist Dr. Matthias Wiedenfels, 43, ist seit dem 5. Juni 2016 Vorstandsvorsitzender der Stada Arzneimittel AG. Zuvor war er drei Jahre lang im Vorstand für den Bereich Unternehmensentwicklung und Zentrale Dienste zuständig. Bevor Wiedenfels 2009 zu Stada wechselte, arbeitete er mehrere Jahre als Rechtsanwalt bei Ashurst LLP.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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