Klinische Forschung in Indien

Probanden wehren sich gegen Regelverstöße

Hyderabad - 19.08.2016, 07:00 Uhr

Die Familie einer mittlerweile verstorbenen Studienteilnehmerin vor ihrem Haus im indischen Indore. Eine Gruppe von Probanden klagt nun bei der NHRC gegen die Umstände in ihrem Land. (Foto: nik)

Die Familie einer mittlerweile verstorbenen Studienteilnehmerin vor ihrem Haus im indischen Indore. Eine Gruppe von Probanden klagt nun bei der NHRC gegen die Umstände in ihrem Land. (Foto: nik)


Eine Gruppe von klinischen Probanden aus den indischen Bundesstaaten Andhra Pradesh und Telanga ist bei der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) vorstellig geworden. Sie werfen einigen Forschungsorganisationen und Laboratorien vor, Vorschriften zu verletzen und die Freiwilligen auszubeuten.   

Mit einem Appell hat sich eine Gruppe von Studienteilnehmern wegen Missständen bei der Durchführung von Studien an die indische Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) gewandt. Angeführt von MS Swamy Choudary aus Hyderabad und Shaik Sabir Ali aus dem Industrie- und Business-Knotenpunkt Jammikunta im Distrikt Karimnagar haben sie die NHRC dazu aufgefordert, Unregelmäßigkeiten bei den klinischen Forschungslaboratorien und CROs in Andhra Pradesh und Telangana zu untersuchen und entsprechend einzugreifen. Dies berichten das indische Pharmaportal pharmabiz.com und die englischsprachige indische Tageszeitung „The Hans India“.

Laut Statistik gibt es in den beiden Bundesstaaten im Südosten des indischen Subkontinents rund 200.000 Freiwillige, die sich für klinische Prüfungen zur Verfügung stellen, etwa 10 bis 15000 aus jedem Distrikt. Sie sind an neun Forschungseinrichtungen angebunden (Axis Lab, Vimta Labs, QPS Bioserve Indien, CR Bhayo Labs, Actimas Lab, Sipra Lab, Clinsion Lab, Agent-Lab und Yanclor Labs). Außer Actimas sind alle in Telangana rund um die Stadt Hyderabad angesiedelt. Die meisten Studienteilnehmer seien entweder „unwissend“, das heißt sie könnten nicht lesen und schreiben, oder sie litten an einer Krankheit und erhofften sich Heilung über die Studienteilnahme. So würden sie für die Agenten und Laboratorien zu einer leichten Beute, berichten beide Medien.

Leichtgläubigkeit der Menschen ausgenutzt

Die Probandengruppe bringt vor, dass die Mehrheit der Studienlabore die vorgegebenen Richtlinien nicht befolge und die Leichtgläubigkeit der Menschen ausnutze. Außerdem beuteten sie sie aus, indem sie ihnen keine angemessene Entschädigung zahlen und keine umfassenden Informationen über die Arzneimittel geben, die an ihnen getestet werden, auch bezüglich etwaiger Nebenwirkungen.

„Bei der Auswahl der Studienteilnehmer ist keine Ethikkommission dabei“, sagte Shaik Sabir Ali gegenüber pharmabiz.com. „Kein Proband bekommt eine Kopie seiner Einwilligungserklärung ausgehändigt, und die meisten wissen nichts über die Erklärung und deren Inhalt. Manche müssen 72 Stunden bis 15 Tage im Labor bleiben, je nach Medikament. Damit sie mit niemandem in Verbindung treten können, nimmt man ihnen vor Beginn der Prüfung die Mobiltelefone weg.“ 

Wiederholte Versuche, die Beamten vom Regionalbüro der zentralen indischen Aufsichtsbehörde „Central Drug Standard Control Organisation“ (CDSCO) in Hyderabad zu kontaktieren, seien vergeblich gewesen. Die Unternehmen stellten sich auf den Standpunkt, dass sie sämtliche regulatorischen Vorgaben der Regierung befolgen und dass sie alle ihre Untersuchungen nach weltweiten Standards durchführen.

Neue Ethik-Leitlinien auf den Weg gebracht

Erst unlängst hatte die indische Regierung Erleichterungen für die Durchführung klinischer Prüfungen bekannt gegeben. So wurde unter anderem die Mindestzahl von fünfzig Betten für eine Studieneinrichtung abgeschafft. Etwa zeitgleich hat der indische Rat für die klinische Forschung (Indian Council of Medical Research, ICMR) einen Entwurf für neue „Nationale Ethik-Leitlinien für die biomedizinische und die Gesundheitsforschung am Menschen 2016“ bekannt gemacht. Mit der Revision des Vorläufer-Dokumentes aus dem Jahr 2006 sollten nicht nur neue Technologien berücksichtigt, sondern auch das verantwortliche Handeln in der Forschung gestärkt werden. Unter anderem sollen die Vorgaben zum Einwilligungsprozess und zur Vulnerabilität von Studienteilnehmern erweitert werden. 

Bleibt zu hoffen, dass diese bald in Kraft treten und vor allem in der Praxis auch konsequent umgesetzt werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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