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Regeln für Heilpraktiker
Verbote wären ein „unheimlicher Eingriff“
Standesvertreter von Heilpraktikern sprechen sich gegenüber DAZ.online gegen verschärfte Regeln aus: Die Todesfälle in Brüggen-Bracht dürften nicht einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen. Nur zwei von fünf Verbänden antworten – und zeigen sich nur teilweise für Veränderungen der Regeln offen.
Nachdem drei Krebspatienten kurz nach einer alternativmedizinischen
Behandlung eines Heilpraktikers in Brüggen-Bracht verstarben, forderten
Gesundheitspolitiker aller im Bundestag vertretenen Parteien eine Verschärfung
der Regeln für Heilpraktiker. Was sagen die Betroffenen hierzu? Auf eine
Anfrage von DAZ.online an die fünf Vereine, die im Dachverband Deutscher
Heilpraktikerverbände organisiert sind, antworteten
nur zwei.
„Wir sehen ein Problem darin, dass Politiker vielfach die Rechtslage gar nicht kennen, aber Veränderungen oder Verschärfungen fordern“, erklärt Dieter Siewertsen, Vorsitzender der „Freien Heilpraktiker“. „Das Problem ist nicht das Heilpraktiker-Recht“, erklärt er – sondern ein Heilpraktiker, der sich über wesentliche rechtliche Vorgaben hinweggesetzt und möglicherweise kriminell gehandelt habe.
Siewertsen verweist auf das umfangreiche Regelwerk, an das sich Heilpraktiker halten müssten – wie auch das Infektionsschutzgesetz und das Arzneimittelgesetz. „Heilpraktiker dürfen eine Behandlung nur dann vornehmen, wenn sie hierfür fachlich qualifiziert sind“, sagt er. Auch seien Heilpraktiker medizinisch so ausgebildet, „dass sie in jedem Behandlungs-Einzelfall fachlich abgeschätzt können, ob sie eine Behandlung übernehmen dürfen und ob sie mit alternativen Behandlungsmethoden einen Erfolg erzielen können. Dies würde vom Gesundheitsamt sicherstellt. „Niemand kann die Überprüfung positiv bestehen, der nicht das umfangreiche medizinische Fachwissen abrufen kann, das hier gefordert ist“, erklärt Siewertsen.
Staat ist in der Handlungspflicht
Seine Kollegen dürfen auch nach jetzigem Recht bei Krebspatienten, die von der Schulmedizin bereits aufgegeben wurden, keine unrealistischen Heilungserwartungen wecken, betont der Heilpraktiker. „Einem krebserkrankten Patienten kann allein eine Linderung seiner Schmerzen, nicht jedoch Heilung der Krebserkrankung in Aussicht gestellt werden“, sagt er. Bereits austherapierte Patienten müssten auf die Möglichkeiten der Palliativmedizin hingewiesen werden. „Verschleiernde oder das realistisch erreichbare Behandlungsziel verzerrende Aussagen erfüllen nicht die Aufklärungspflicht des Heilpraktikers“, erklärt Siewertsen. Dies führe dazu, dass die Behandlung rechtswidrig sei.
Wer sich nicht an die geltende Rechtslage hält, kann nicht durch eine Veränderung der Rechtslage von seinem Tun abgehalten werden, meint der Verbandspräsident. „Hier hat der Staat mit seinen Aufsichtsbehörden seine Handlungspflicht“, erklärt er. Nach geltender Rechtslage habe das Gesundheitsamt stets die Möglichkeit, die Werbung eines Arztes oder Heilpraktikers für eine Krebsbehandlung zu untersagen. „Zudem ist es dem Gesundheitsamt möglich, eine Behandlung, die mit unangemessenen Risiken für den Patienten verbunden ist, zu verbieten“, betont er.
Wie soll der Staat nicht-wissenschaftliche Ausbildungen regeln?
Die Vizepräsidentin des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker, Ursula Hilpert-Mühlig, bedauert gegenüber DAZ.online die pauschalen Verdächtigungen gegen Heilpraktiker. „Dass damit der gesamte Berufsstand mal wieder in den Blickpunkt geraten ist, ist mir klar“, sagt sie. Als Verband versuchten sie alles, derartiges zu verhindern. „Wir haben aber keine Möglichkeiten wie eine Ärztekammer“, sagt sie.
Gegen Fälle wie in Brüggen-Bracht gäbe es keine Patentrezept – das könne auch keine „supergeregelte Ausbildung“ verhindern. Hilpert-Mühlig spricht sich dafür aus, dass ein gewisses Fortbildungs-Kontingent vorgeschrieben wird, doch der Staat könne nicht die Ausbildung regeln. „Die Verfahren, die von Heilpraktikern ausgeübt werden, sind ja nicht-wissenschaftlich“, sagt sie. Woraus solle dann das Curriculum bestehen? „Diese Frage kann der Staat nicht beantworten“, erklärt die Heilpraktikerin. Beim Schröpfen oder der Anwendung von Blutegeln sei vieles Erfahrungsmedizin. „Da kann der Staat schlecht sagen, du musst so und soviel Stunden auf diese Art und Weise Blutegel setzen – er hat dafür ja keine wissenschaftlichen Grundlagen.“
Sind nur die Inhalte problematisch?
Aus ihrer Sicht wäre es ein „unheimlicher Eingriff“, wenn Heilpraktikern beispielsweise Infusionen verboten würden. „Kann man einem Berufsstand eine Therapieform verbieten, nur weil in einem Einzelfall womöglich nicht lege artis gearbeitet wurde?“, frägt sie. „Chemische“ Substanzen wie 3-Bromopyruvat, die am Menschen noch überhaupt nicht erprobt sind, sollten zu Therapiezwecken nicht in der Praxis angewendet werden – weder von Heilpraktikern noch Ärzten, erklärt Hilpert-Mühlig. „Er kann die Infusionen völlig richtig gemacht haben – das Problem ist dann der Inhalt dieser Infusion“, sagt sie. „Ich persönlich bin der Ansicht, dass die Verabreichung solcher nicht als Arzneimittel zugelassener Substanzen geregelt werden sollte.“
Grundlegenden Änderungsbedarf sieht die Vizepräsidentin des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker nicht. „Heilpraktiker sind sehr vorsichtig, auch weil sie den Eindruck haben, nicht so gut abgesichert zu sein wie andere“, sagt Hilpert-Mühlig. Es könne sinnvoll sein, den Gegenstandskatalog der Heilpraktikerprüfung entsprechend einer verbessernden Gefahrenabwehr zu erweitern, doch solle die Therapiefreiheit erhalten bleiben. „Ich schätze diesen sehr freien demokratischen Staat, der es Heilberufen auch ermöglicht, Erfahrungen zu sammeln und im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht Therapieentscheidungen zu treffen“, erklärt sie.
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