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Kein Methadon im Gefängnis
Menschenrechte von Ex-Häftling in Bayern verletzt
Drogensubstitution war laut Arzt notwendig
Unter Bezugnahme auf den Arzt brachte der Mann vor, dass eine Drogensubstitution aufgrund seiner schlechten physischen und psychischen Gesundheit nötig sei, um eine Behandlung der Hepatitis mit Interferon zu ermöglichen. Auch habe sie wegen der Schmerzen geholfen und ermöglicht, dass er eine Ausbildung zum Software-Ingenieur abschliessen konnte. Doch das Gefängnis lehnte die Substitutionstherapie mehrfach als medizinisch nicht notwendig ab – auch nachdem das Amtsgericht Augsburg festgestellt hatte, dass eine erste Entscheidung nicht ausreichend begründet war. Inzwischen ist der Kläger wieder frei.
Nach den Aussagen der Straßburger Richter gibt es stichhaltige Indizien, dass eine Ersatztherapie angezeigt war. Gefangene dürften medizinisch nicht schlechter versorgt werden, betonten sie. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) schwankt der Prozentsatz der mit Methadon behandelten Gefangenen stark: In Nordrhein-Westfalen erhalten zehn Prozent aller Insassen die Therapie, in Berlin vier Prozent und in Bayern, laut Justizministerium im Jahr 2015, nur 45 der rund 11.000 Häftlinge – also 0,4 Prozent.
Werden nun Gesetze geändert?
Nach Schätzungen der DGS gibt es zwischen 2200 bis 3300 heroinabhängige Insassen in bayerischen Gefängnissen. Auf Anfrage von DAZ.online hatte eine Sprecherin des Justizministeriums gesagt, dass man im Rahmen eines „abstinenzorientierten Konzeptes“ auch auf die Substitutionstherapie zurückgreife – aber die Drogenabstinenz „primäres Ziel ist und bleibt“.
Das Urteil aus Straßburg ist noch nicht rechtskräftig. Das Bundesjustizministerium will bis zum Ablauf der Frist in drei Monaten prüfen, ob es Rechtsmittel einlegt, wie eine Sprecherin gegenüber DAZ.online sagte. „Nach erster Einschätzung und auf den ersten Blick ergibt sich kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf“, sagte sie – wobei die Strafvollzugspraxis Sache der Länder sei. Doch werde das Ministerium auch analysieren, ob nach der Entscheidung nicht doch auch Bundesgesetze geändert werden müssen.
Bayern will sensibilisieren und fortbilden
„Selbstverständlich respektieren wir die heutige
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“, erklärte das
bayerische Justizministerium in einer Stellungnahme. Die Behörde
betonte, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Anstaltsärzte einen
Spielraum bei der Wahl der angemessenen Behandlungsmethode haben und nicht in
jedem Fall einer Opioidabhängigkeit auch zwingend zu substituieren sei. „Wir werden
die Entscheidung zum Anlass nehmen, die Anstalten nochmals zu sensibilisieren,
um so künftig in vergleichbaren Konstellationen eine noch bessere Prüfung des
jeweiligen Einzelfalls zu gewährleisten“, erklärte das Ministerium.
Es bestünde durchaus im bayerischen Justizvollzug die Möglichkeit einer Substitutionsbehandlung in Haft. Wenn kein Arzt mit der nötigen Zusatzqualifikation am Gefängnis tätig ist, wie es in Würzburg der Fall war, käme eine Verlegung in eine andere Anstalt in Betracht, wie die Ministeriumssprecherin gegenüber DAZ.online sagte. Die Anstaltsärzte würden „nach Kräften“ bei der Qualifizierung unterstützt, um eine möglichst flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Möglicherweise würden auch Landesgesetze überarbeitet. „Wir werden das alles sorgfältig analysieren“, sagte die Sprecherin.
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von Frank ebert am 01.09.2016 um 17:26 Uhr
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