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Homöopathie-Kritiker veröffentlichen einen Aufruf an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Er soll ein Gutachten in Auftrag geben, ob die von Homöopathen angegebene Evidenz für Globuli und Co. tatsächlich vorliegt. Derweil sagt das Ministerium gegenüber DAZ.online erstmals, es prüfe verschärfte Regeln für Alternativmedizin.
Wirkt die Homöopathie? In den vergangenen Monaten bekam eine alte Frage neuen Wind: Nach der Gründung des kritischen „Informationsnetzwerks Homöopathie“ im Januar veröffentlichte die „Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie“ (WissHom) einen Forschungsreader, in dem verschiedene Studien zusammengestellt wurden. Nach Einschätzung des Vereins, der vom Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVHÄ) vor sechs Jahren gegründet wurde, belegen sie eine spezifische Wirksamkeit von homöopathischen Therapien.
Dies können sich die Kritiker nicht vorstellen.
Am heutigen Dienstag veröffentlichten sie einen offenen Brief, mit dem sie von der Bundesregierung Taten verlangen. Sie hätten schon vor mehr als zwei Monaten Gesundheitsminister Hermann Gröhe aufgefordert, die „unseres Erachtens unsinnige Behauptung der Homöopathen, ihr Konzept sei unstrittig wissenschaftlich bewiesen“, einer neutralen Begutachtung zu unterziehen, erklärt die Initiative, zu der auch die ehemalige Homöopathin Nathalie Grams gehört. „Leider hat der Minister bis heute darauf nicht reagiert“, schreiben sie.
Aus ihrer Sicht hat auch der Tod von drei Krebspatienten in Brüggen – nach einer „sogenannten alternativmedizinischen Behandlung eines Heilpraktikers“ – noch einmal besonders deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Medizin auf gut untersuchte Verfahren zu stützen und selbsternannte Heiler in ihre Schranken zu verweisen. Auch wenn in Brüggen nicht homöopathisch behandelt wurde, sei der Zusammenhang trotzdem eng.
BMG-Sprecher: Heilpraktiker-Gesetz würde „geprüft“
Die Homöopathie sei in Deutschland gesetzlich geschützt und verleihe Heilpraktikern so ein seriöses Image. „Zahlreiche obskure Verfahren wie die ‚Germanische Neue Medizin‘ verwenden die gleichen Argumentationen, die über Homöopathie und Heilpraktiker hoffähig geworden sind“, bemängelt das „Informationsnetzwerk“. Es würde immer wieder ein „heilloses Misstrauen gegenüber den Institutionen des Gesundheitswesens“ geschürt, verbunden mit Impfskepsis.
Nachdem noch vor kurzem ein Sprecher von Gröhe erklärt hatte, Änderungen der Heilpraktiker-Gesetze seien nicht geplant, erklärte er am Montag, dies würde „geprüft“. Aufbauend auf dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wolle das Ministerium die aktuelle Lage genau auswerten – und offenbar gegebenenfalls die Gesetze für Alternativmedizin verschärfen.
In ihrem Schreiben vom Juli 2016 kritisierte die Initiative, dass Homöopathie-Anhänger die Methode auch für schwere Erkrankungen wie Krebs, Schlaganfall oder Rheuma als wirksam ansehen. Sie sollten an ihren eigenen Aussagen gemessen werden, da auch der Zentralverein in einer Stellungnahme erklärt hat, dass positive, spezifische Wirkungen der Homöopathie nachweisbar seien. Doch gerade bei den hoch verdünnten Präparaten, in denen nach übereinstimmender Bewertung keine Moleküle eines potentiell wirksamen Arzneistoffes enthalten sind, sei dies ein Widerspruch.
„Aberwitzige Ansprüche der Homöopathie“
Den „Forschungsreader“ halte die Initiative nur für einen weiteren Versuch der Ablenkung von der internationalen Forschungslage zur Homöopathie. Er sei „allenfalls dazu geeignet, Patienten glauben zu machen, die aberwitzigen Ansprüche der Homöopathie seien wissenschaftlich erwiesen“, bemängeln die Kritiker – was zur Unterlassung wirksamer Therapien bis hin zu ernstesten Beeinträchtigungen der Gesundheit führen könne. Sie fordern eine neutrale Überprüfung des Readers.
Cochrane oder IQWiG soll den Streit schlichten
„Das BMG hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die Methodik der evidenz-basierten Medizin bewährt hat und in diesem Zusammenhang 2015 im Bundestag nicht zufällig auf das IQWiG und das Freiburger Cochrane Zentrum verwiesen“, erklärt die Initiative. Da alle Behandlungsverfahren auf Evidenz untersucht werden, um als Regelleistung von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen zu werden, sollte die Alternativmedizin genauso behandelt werden.
„Wir sind insoweit der Auffassung, dass die Homöopathie nicht weiter von derartigen Überprüfungen ausgenommen werden darf“, schreiben die Kritiker. „Wir fordern das BMG auf, ein Gutachten zur Aussagekraft des Forschungsberichts der WissHom bei einer derart unstrittig wissenschaftlich ausgewiesenen Institution in Auftrag zu geben.“ Es sei höchste Zeit, dass die Politik sich den Vertretern unseriöser Heilversprechungen offensiv entgegenstellt, erklärt die Initiative.
Zwischen Hokuspokus und Therapievielfalt
Während der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss, Josef Hecken, sowie Kassenärzte-Chef Andreas Gassen sich sogar teilweise für Verbote von Homöopathie ausgesprochen hatten, gab es auch starke Kritik an den Vorstößen. „Wessen Interessen vertritt Herr Hecken?“, fragte Cornelia Bajic, Vorsitzende des DZVHÄ. „Homöopathie ist kein wirkungsloser Hokuspokus, sondern eine anerkannte und bewährte Therapieform“, erklärte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).
„Relevante Verbesserungen bei verschiedenen Indikationen“ seien durch Studien belegt – wobei sich der Verband auf Nachfrage auf den Forschungsreader der Homöopathen bezog. Ähnlich argumentiere auch der „Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller“ (BAH). Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH, sagte, schon allein die Debatte gefährde „in unverantwortlicher Weise“ die Arzneimittelvielfalt und die therapeutischen Möglichkeiten.
11 Kommentare
Warum keine Wirksamkeits-Studien ???
von Mag. Gunther Krausz am 07.12.2016 um 11:17 Uhr
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Vorsicht, Schnappatmung!
von norbert brand am 07.09.2016 um 9:07 Uhr
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Keine anderen Probleme ?
von Dr. Ralf Schabik am 06.09.2016 um 21:34 Uhr
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Homöopathie: Das ist Esoterik
von Michael Ibach am 06.09.2016 um 19:21 Uhr
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Informationen über die Skeptiker Bewegung
von Loengard am 06.09.2016 um 18:59 Uhr
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AW: Immer noch 13 Jahre alte Kamellen?
von Susanne Aust am 06.09.2016 um 20:49 Uhr
Schluß mit lustig
von Dr. Edmund Berndt am 06.09.2016 um 18:10 Uhr
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Dringender Handlungsbedarf
von Franz Kass am 06.09.2016 um 15:56 Uhr
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Mehr Aufklärung
von Lars Dittrich am 06.09.2016 um 14:39 Uhr
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NIcht mehr als fair
von Udo Endruscheit am 06.09.2016 um 14:19 Uhr
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Endlich...
von Jens-Uwe Köhler am 06.09.2016 um 12:36 Uhr
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