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Neues Buch von Jens Spahn
„Datenschutz ist was für Gesunde“
Teilweise vage Vorstellungen zur Rezeptabwicklung
Die Vorstellungen zur Rezeptabwicklung der Zukunft sind allerdings vage. Im Buch heißt es, dass es eine unglaubliche Erleichterung sein könne, wenn der Arzt sich nur noch meldet, wenn etwas nicht stimmt und das Rezept einfach weiter ausstellt. Das Medikament könne sogar nach Hause geliefert werden. Ganz abgesehen davon, dass auch heute schon Medikamente tagtäglich von den Botendiensten der Apotheken nach Hause geliefert werden, bleibt an dieser Stelle offen, wie die Arzt-Apotheker-Kommunikation denn konkret aussehen könnte. Sollen die eRezepte auf einem Server zwischengespeichert werden? Oder auf der Gesundheitskarte des Patienten? Soll der Arzt das eRezept direkt an den Apotheker schicken? Und wie sollen die Verordnungen dann in den Abrechnungszentren abgewickelt werden?
Auch seine Haltung zu Medikationschecks und -beratungen hat Spahn nicht aufgegeben. Dem Buch zufolge sterben in Deutschland pro Jahr mehr Menschen an falsch aufeinander abgestimmten Medikamenten als im Straßenverkehr. Das ließe sich vermeiden, wenn Ärzte und Apotheker mehr über die Einnahmegewohnheiten der Patienten wüssten. „Wenn Ihr Medikationsplan digital verfügbar ist, in dem mit Ihrer Zustimmung festgehalten wird, welche Medikamente Sie wann und wie oft nehmen müssen und welches Behandlungsziel damit verfolgt wird, dann können diese Entscheidungen blitzschnell auf einer viel besseren Basis getroffen werden“, heißt es in dem Buch.
Das Ende der Arzneimittel, wie wir sie kennen
Eine interessante These hält das Werk außerdem zum Thema „personalisierte Arzneimittelversorgung“ bereit: „Vielleicht erleben wir bald das Ende der Arzneimittel, wie wir sie heute kennen“, heißt es in dieser Passage. Denn heutzutage würden Medikamente nach dem Motto „One size fits all“ ausgegeben. Wenn aber mit Hilfe der Datensätze anderer Patienten zuvor abgeglichen würde, ob es ähnliche Behandlungsfälle gab, in der die Therapie erfolgreich verlief, dann könnten personalisierte und einmalige Wirkstoff-Zusammenstellungen produziert werden. Wer diese adhoc-Herstellungen vornimmt und ob es aus pharmazeutischer Sicht machbar ist, Wirkstoffe einfach zu mischen, beantworten die Autoren nicht.
Für alle im Buch vorgestellten Versorgungsverbesserungen durch eine digitalisierte Medizin sei aber ein „weniger verkrampftes Verhältnis zum Umgang mit den Daten“ nötig, so die Autoren um Jens Spahn. Ziel sei es, die Sensibilität für das Bedürfnis nach Datenschutz und -sicherheit zu verlieren. „Daten haben also einen weitaus größeren Nutzen als nur den, dass Unternehmen uns personalisierte Werbung zukommen lassen können. Sie sind der Rohstoff der Zukunft für ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland“, heißt es in dem Buch.
Es bleibt spannend abzuwarten, wie die gesundheitspolitische Öffentlichkeit das Werk wahrnehmen wird. Spahn hat sich in seiner Zeit als Gesundheitspolitiker vor seinen Thesen nie versteckt. Auch sein neues Buch enthält provokante Fragen und Forderungen. Feststeht, dass sich das Gesundheitswesen vor der digitalen Entwicklung nicht wegducken kann: Schon heute arbeiten große Technik-Konzerne an Lösungen, mit denen sie die Versorgung auf das Smartphone der Patienten bekommen, um sich auch am Mega-Geschäft Gesundheit beteiligen zu können. Egal, wie diese Entwicklung ausgeht und ob nun Spahns oder andere Visionen sich durchsetzen: Die Macher des Gesundheitswesens sollten sich beteiligen, um nicht links überholt zu werden.
Das Buch „App vom Arzt“ erschien als gebundene Ausgabe am 13. September im Herder-Verlag.
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