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Schizophrenie-Erhaltungstherapie
Placebokontrollierte Studien können Patienten schaden
Der Einsatz von Placebos in Studien zur Erhaltungstherapie und Rückfallprävention bei Schizophrenie ist zwar regulatorisch erlaubt, birgt aber für die Patienten zu hohe Risiken. Dies trägt ein Team von Wissenschaftlern in einem Meinungsbeitrag im British Medical Journal vor.
Ein internationales Autoren-Team renommierter Forscher mit umfangreicher Erfahrung auf dem Gebiet der Schizophrenie hat sich in der Fachzeitschrift British Medical Journal (BMJ) eingehend mit dem Für und Wider des Einsatzes von Placebo in klinischen Studien zu Rezidiven bei Schizophrenie beschäftigt. Hierum drehe sich bereits eine lang andauernde Diskussion, die ihrer Meinung nach nun eine Neueinschätzung und Bewertung erfordert.
Hauptautoren des Beitrags sind Robin Emsley von der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften an der Stellenbosch-Universität in Kapstadt, Südafrika, der österreichische Psychiater und Psychotherapeut Walter Wolfgang Fleischhacker, Professor an der Medizinischen Universität Innsbruck, und Nina R. Schooler von der State University of New York, USA.
Erhaltungstherapie: Ja oder nein?
Die Frage stehe auch in einem engen Zusammenhang damit, inwieweit eine Erhaltungstherapie bei Schizophrenie überhaupt sinnvoll und vertretbar ist. Zum einen hätten die Medikamente möglicherweise schwerwiegende Nebenwirkungen. Zum anderen ließen, wenn auch bislang nur vorläufige Belege darauf schließen, dass eine schrittweise Dosisreduktion und – soweit möglich – ein Absetzen der Therapie bei manchen Patienten langfristig zu einem besseren Ergebnis führe.
Allerdings sei das Absetzen der antipsychotischen Behandlung mit sehr hohen Rückfall-Raten verbunden, und das selbst nach einer einzigen Episode einer Psychose. Insgesamt gehöre die antipsychotische Erhaltungstherapie zu den am besten dokumentierten Erkenntnissen in der Psychiatrie, und ihr Nutzen überwiege die Risiken ganz klar bei Weitem, stellen die Experten fest.
Höheres Rückfall-Risiko
Vor diesem Hintergrund sollte es „kaum überraschen“, dass sie den Einsatz von Placebo in randomisierten klinischen Studien auf diesem Gebiet für fragwürdig halten. Dabei wird das Risiko am größten eingeschätzt, wenn in Schizophrenie-Studien zur Erhaltungstherapie oder Rückfall-Prophylaxe bereits stabilisierte Patienten auf Placebo umgestellt werden, bevor es genügend Rückfall-Episoden gegeben hat, die den Effekt der Behandlung belegen. Tatsächlich sei die Risiko-Differenz zwischen Antipsychotikum und Placebo in solchen Studien doppelt so groß wie in Studien zur Akutbehandlung. Deshalb müsse hinsichtlich des Einsatzes von Placebo auch zwischen beiden Studienarten unterschieden werden.
Regulatorisch betrachtet sei der Einsatz von Placebo in Erhaltungstherapie-Studien nach wie vor einwandfrei, gestehen sie zu. Nach jüngeren Publikationen befürworteten sowohl die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) als auch die US-amerikanische FDA die Verwendung von Placebo in Schizophrenie-Studien weiterhin. Schließlich sei die Placebo-Kontrolle immer noch der aussagekräftigste Beweis für die Wirksamkeit.
Notfallmedikation nicht immer wirksam
Die Autoren wollen dieser Argumentation aber trotzdem nicht recht folgen. Sie äußern vielmehr die Sorge, dass die Rückfälle bei den Patienten dauerhafte Schäden auslösen könnten und dass die Notfallmedikation in den Studien nicht immer wirksam sei, um einen Rückfall zu verhindern. Außerdem verletzte die Einbeziehung eines Placebo-Arms das klinische „Equipoise (Gleichgewichts)“-Prinzip, nach dem in einer randomisierten Prüfung immer die beste verfügbare Behandlung als Kontrolle zu verwenden ist. Auch für die Prüfärzte sei es konfliktbehaftet, denn sie müssen stets zum Besten des Patienten handeln. Last not least könne hierdurch auch das Arzt-Patienten-Verhältnis nachhaltig belastet werden.
Auch wissenschaftlich nicht das Optimum
Zudem führen sie wissenschaftliche Argumente gegen den Einsatz von Placebo in solchen Studien ins Feld. So könnte deren statistische Aussagekraft durch hohe Patienten-Ausfallraten beeinträchtigt werden. Außerdem könnte es zur unfreiwilligen Entblindung kommen, wenn die Patienten merken, dass sie keine aktive Therapie mehr bekommen.
Es geht auch ohne
Andere Studien-Formen mit einer aktiven Kontrolle im Sinne eines Nicht-Unterlegenheits-Designs sind für die Wissenschaftler eine gangbare Alternative. Sie beziehen sich hierzu auf mehrere breit verwendete Antipsychotika für die Erhaltungstherapie bei Schizophrenie, die ohne Placebo-kontrollierte Studien zur Rezidivprophylaxe zugelassen wurden, zum Beispiel Risperidon (sowohl oral als auch als langwirksame Injektion), Amisulprid und Olanzapin-Pamoat. Für neue Medikamente, die einen ähnlichen Wirkmechanismus wie ein bereits zugelassenes haben, halten sie es für ausreichend, sich auf den Nachweis der kurzfristigen Wirksamkeit zu verlassen. Und auf Daten zu vorhandenen Arzneimitteln und Design-Strategien für die Erhaltungstherapie, die keine Placebos verwenden.
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