Pharmazie

Im Mittelpunkt steht immer der Patient

Tübingen / Stuttgart - 20.09.2016, 13:00 Uhr

Alles vorbereitet für den aktuellen Kurs „clinical pharmacy" in Tübingen – 23 Apotheker erhielten einen Platz. (Foto: cel / DAZ.online)

Alles vorbereitet für den aktuellen Kurs „clinical pharmacy" in Tübingen – 23 Apotheker erhielten einen Platz. (Foto: cel / DAZ.online)


Grenzen der Leitlinien beim Patienten 

Somit kann trotz guter Leitlinien eine Therapie nicht optimal für den Patienten sein. Insbesondere bei multimorbiden geriatrischen Patienten ist es schwierig, die Empfehlungen der Leitlinien stets adäquat umzusetzen. Das machte Prof. Dr. Katja Taxis von der Universität im niederländischen Groningen mit ihrem Thema „Arzneimitteltherapie im Alter“ deutlich. Eine leitliniengerechte Therapie umfasse in der Regel lediglich eine Indikation. Eine Voraussetzung, die bei vielen älteren Patienten nicht vorliegt. Berücksichtige man bei multimorbiden Patienten alle leitlinienkonformen Therapien, hätte der Patient rasch 15 Arzneimittel gleichzeitig einzunehmen – und hierzu fehlten die Studien.

In diesem Zusammenhang stellt Taxis das Holmes-Modell vor. Dieses Modell wägt die individuelle Lebenserwartung des Patienten, die Therapieziele, den Arzneimittelnutzen und das Arzneimittelbehandlungsziel gegeneinander ab. Es bildet die Basis für eine Therapieentscheidung, welche Arzneimittel dem Patienten in seiner Lebenslage gerecht werden. Nicht ungeachtet lassen dürfe man den jeweiligen individuellen Wunsch des Patienten, betont die Professorin für Arzneimitteltherapie und Klinische Pharmazie. Die Kunst bestehe wohl letztendlich darin, diese Faktoren zusammenzuführen und möglichst optimal in der Pharmakotherapie zu realisieren. 

„Leitlinien sind keine Leidlinien“

Auch Christiane Querbach, Apothekerin am Klinikum rechts der Isar in München, zeigte die Grenzen eines wünschenswerten „Leitliniengerechten Antibiotikaeinsatzes“ auf – und zwar noch auf einer Ebene, bevor die Therapie den Weg zum Patienten findet. Das könne damit beginnen, dass für manche Indikationen schlichtweg keine Leitlinien existierten, wie für Infektionen in der Schwangerschaft oder komplizierte Harnwegsinfektionen. Andere Guidelines seien seit Jahren abgelaufen oder derzeit in der Aktualisierung. Verantwortlich hierfür könnten mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen sein, erklärt die ABS-Expertin (Antibiotic Stewardship) mögliche Ursachen.

Nicht abschließend geklärt sei auch die Frage, ob die Übertragung internationaler antiinfektiver Leitlinien so einfach möglich ist und lokalen Gegebenheiten gerecht würden. Als Herausforderung sieht die Apothekerin außerdem, Updates bei Leitlinien zeitnah und interdisziplinär zu kommunizieren und tatsächlich umzusetzen.

Dennoch ist das Resumée der Klinikapothekerin „Infektiologische Leitlinien sind keine Leidlinien“. Trotz bestehender Lücken im Leitliniensystem sieht Querbach in den Leitlinienempfehlungen ein wichtiges Instrument für die Qualität im Gesundheitssystem,

Zertifikatskurs Clinical Pharmacy in Tübingen

Seit 20 Jahren bietet die Universität Tübingen klinisch-pharmazeutisch interessierten Apothekern die Möglichkeit, sich in diesem Bereich zu spezialisieren. Initiiert wurde die Weiterbildung bereits 1996 von Prof. Lutz Heide, der den Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie in Tübingen innehat. Die Landesapothekerkammer fördert die Weiterbildung bereits von Beginn an. Als Weiterbildungsbeauftragter der LAK sicherte Patrick Schäfer auch für zukünftige Kurse der Clinical Pharmacy die finanzielle Unterstützung der Kammer zu. Der Kurs Clinical Pharmacy findet einmal jährlich im Herbst statt. 60 Anmeldungen hatte Dr. Kerstin Seeger, die organisatorische Hand hinter der Klinischen Pharmazie, für den aktuellen Kurs – 23 Apotheker erhielten einen Platz. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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