Beratungs-Quickie

Therapie des Morbus Crohn

Stuttgart / München - 22.09.2016, 12:00 Uhr

Entzündungen im Darm bei Morbus Crohn. (Foto:  Juan Gärtner / Fotolia)

Entzündungen im Darm bei Morbus Crohn. (Foto:  Juan Gärtner / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über Sulfasalazin und Budesonid zur systemischen Therapie für eine Frau, die unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leidet.

Formalien-Check

Die freundliche Kundin löst ihr Rezept am Tag der Ausstellung ein. In zwei Tagen ist ihr Geburtstag.

Verordnet sind eine N3-Packung Azulfidine® Filmtabletten sowie eine N2-Packung Entocort® Kapseln.

Aut idem ist nicht angekreuzt, allerdings gibt es für die Fimtabletten kein austauschbares Präparat (Lauer Taxe Stand 09/2016). Azulfidine® wird neben der Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (als magensaftlösliche Tabletten oder magensaftresistente Filmtabletten, je nach Magenverträglichkeit) auch als Antirheumatikum (Bezeichnung: Azulfidine® RA magensaftresistente Filmtabletten) eingesetzt.

Das andere Arzneimittel, Entocort® Kapseln, und die systemische Behandlung geben Hinweise auf eine Crohn-Colitis. Die Kundin bestätigt das. Sie habe mal wieder einen Schub. Für diese Indikation findet sich in der Taxe noch ein magenlösliches Azulfidine-Präparat. Dabei handelt es sich allerdings nicht um „Filmtabletten“ sondern um „Tabletten“. Wenn man ganz sicher gehen möchte, empfiehlt sich die Rücksprache mit dem Arzt.

Für Position zwei existieren ebenfalls keine Rabattpartner. Das Rezept ist mit 50 Stück des verordneten Arzneimittels Entocort® Hartkapseln oder eines preisgünstigen Imports zu beliefern.

Die Kundin ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungsbasics

Die gleichzeitige Kombination beider Arzneimittel ist nicht leitlinienkonform. Laut Leitlinien „erfolgt bei Patienten mit Crohn-Colitis mit leichter bis mäßiger Aktivität ein Therapieversuch mit Sulfasalazin oder systemisch wirksamen Glucocorticoiden“. Da in der Regel im akuten Schub die magensaftlöslichen Tabletten Azulfidine® verordnet werden (zu kurze Verweildauer der magensaftresistenten Filmtabletten im Darm wegen schneller Darmpassage durch die Durchfälle), sind die verordneten magensaftresistenten Azulfidine® Filmtabletten vermutlich zur remissionserhaltenden Therapie nach dem Schub vorgesehen. Der Einsatz erfolgt dann jedoch im Off-label-Use (siehe unten).

Azulfidine® enthält Sulfasalazin, ein Antiphlogistikum aus der Wirkstoffgruppe der Aminosalicylate. Das Präparat ist zugelassen zur Akutbehandlung und Rezidivprophylaxe der Colitis ulcerosa sowie zur Akutbehandlung bei leichten Schüben des Morbus Crohn, vor allem wenn die Entzündung im Dickdarm lokalisiert ist. Sulfasalazin als Prodrug von Mesalazin ist säurefest und gelangt bis zum erkrankten Kolonbereich.

In Deutschland werden Aminosalicylate auch häufig zur remissionserhaltenden Therapie des Morbus Crohn eingesetzt. Die Datenlage hierzu ist nicht ganz einheitlich (siehe Leitlinien unten).

Die Dosierung ist abhängig von der Stärke der Beschwerden und dem Acetylierer-Phänotyp. Im akuten Schub beträgt sie sechs bis acht Tabletten, aufgeteilt in drei gleich große Einzeldosen. Zur Rezidivprophylaxe ist die Dosierung etwas geringer. Die Einnahme der magensaftresistenten Filmtabletten erfolgt vor den Mahlzeiten oder zwischen den Mahlzeiten mit reichlich Flüssigkeit. Die Filmtabletten sollten nicht zerkleinert, sondern ganz geschluckt werden. Sehr häufig treten dosisabhängige Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Magenbeschwerden (Übelkeit und Erbrechen) sowie Müdigkeit auf. Außerdem sind unvorhersehbare Überempfindlichkeitsreaktionen möglich, die ein sofortiges Absetzen notwendig machen.

Entocort® Hartkapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung enthalten den Wirkstoff Budesonid. Das Glucocorticoid wirkt immunsuppressiv, antientzündlich und antiallergisch. Das Arzneimittel wird zur Behandlung des leichten bis mittelschweren Morbus Crohn mit Beteiligung des Ileums und/oder des Colon ascendens eingesetzt. Die tägliche Dosis beträgt üblicherweise neun Milligramm Budesonid, das entspricht einmal täglich drei Kapseln. Um den zirkadianen Rhythmus der endogenen Cortisolproduktion zu simulieren, erfolgt die Einnahme möglichst früh am Tag. Am Besten vor sieben Uhr und vor dem Frühstück mit reichlich Flüssigkeit. Die Hartkapseln können geöffnet werden und der Inhalt nach Vermischen mit einem Esslöffel Apfelmus eingenommen werden. Der Inhalt der Hartkapseln darf jedoch nicht zerstoßen oder zerkaut werden.

Die Behandlungsdauer beträgt circa acht Wochen. Der Kundin ist bewusst, dass sich bis zu ihrem Geburtstag in zwei Tagen der volle Effekt noch nicht eingestellt hat. Das dauert in der Regel zwei bis vier Wochen.

Bei längerfristiger Anwendung (länger als zehn Tage) treten häufig die typischen glucocorticoidassoziierten Nebenwirkungen auf. Die Nebenwirkungen werden zum Erreichen des Nutzens (dem Kupieren des Entzündungsschubs) in Kauf genommen. 

Auch noch wichtig

Bei chronischer Sulfasalazin-Einnahme kommt es häufig zu einer Folsäuremangelanämie, daher empfiehlt sich eine Folsäuresubstitution. Bei Frauen mit Kinderwunsch ist sie unbedingt notwendig.

Bei der Behandlung sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten. NSAR sollen nicht eingesetzt werden.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

•    Die aktuelle S3-Leitlinie zur „Diagnostik und Behandlung des Morbus Crohn“ finden Sie hier

•    Zur Verbesserung der Verträglichkeit von Sulfasalazin ist auf eine reichliche Flüssigkeitszufuhr zu achten. Sulfasalazin kann den Urin verfärben.

•    Um die Nebenwirkungen der Cortison-Therapie zu reduzieren, soll die Kundin auf eine gesunde, Calcium-reiche Ernährung achten und Fett und Salz möglichst meiden. Außerdem ist regelmäßige Bewegung, Ausdauersport und Krafttraining wichtig zur Osteoporoseprophylaxe.

Die Kundin seufzt. Nicht zum ersten Mal durchkreuze ein Krankheitsschub ihre Geburtstagspläne. Auf derartige Geburtstagsüberraschungen könne sie wirklich getrost verzichten …



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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