Neue Dosierungsempfehlung

Pille danach – nimm zwei!

Stuttgart - 23.09.2016, 09:40 Uhr

Eine „Pille danach" reicht unter Umständen nicht aus. (Foto: dpa)

Eine „Pille danach" reicht unter Umständen nicht aus. (Foto: dpa)


Bestimmte Antiepileptika und Mittel gegen HIV oder Johanniskraut – CYP-Induktoren – beschleunigen den Abbau der „Pille danach“. Sie wirkt dann unter Umständen nicht mehr zuverlässig. Um das zu verhindern, sollen Frauen, die Enzyminduktoren einnehmen, in Zukunft eine doppelte Dosis Levonorgestrel zur Notfallkontrazeption einsetzen. 

In der bisherigen Fachinformation Levonorgestrel-haltiger Nofallkontrazeptiva findet sich folgender Satz: „Die Verstoffwechselung von Levonorgestrel wird durch gleichzeitige Anwendung von Leberenzym-Induktoren verstärkt: Die Wirksamkeit der „Pille danach“ kann bei gleichzeitiger Einnahme dieser Wirkstoffe herabgesetzt werden.“ Im Klartext heißt das: Bei Frauen, die CYP3A4-Induktoren eingenommen haben, besteht die Gefahr, dass die Pille danach nicht wirkt.

Die Handlungsempfehlung der Bundesapothekerkammer rät daher, die betroffenen Frauen zum Arzt zu schicken. Dort sollen sie sich hinsichtlich der Einlage einer Kupferspirale beraten lassen. Doch nun gibt es eine zusätzliche Empfehlung, wie in solchen Fällen zu verfahren ist.  

Demnach sollen Frauen, die eine Notfallkontrazeption benötigen und innerhalb der letzten vier Wochen Arzneimittel wie Johanniskraut, Carbamazepin, Ritonavir oder andere Induktoren von CYP3A4 eingenommen haben, die doppelte Dosis Levonorgestrel, also 3 mg statt 1,5 mg, einnehmen – wenn die Einlage einer Kupferspirale nicht möglich ist. 

Beispiele für CYP3A4-Induktoren

  • Carbamazepin
  • Efavirenz
  • Griseofulvin
  • Johanniskraut
  • Phenobarbital
  • Phenytoin
  • Primidon
  • Rifabutin
  • Rifampicin

Gedeon Richter wird die Fachkreise informieren

Stellvertretend für alle Hersteller Levonorgestrel-haltiger Notfallkontrazeptiva ist Gedeon-Richter (Postinor®) beauftragt worden, in Abstimmung mit dem BfArM ein Informationsschreiben zu verfassen. Auf diese Weise sollen die Fachkreise informiert werden. Es wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Woche verschickt. Gedeon Richter hat nach eigenen Angaben bereits einen Ärzteverteiler eingerichtet. Die Apotheken würden über die Arzneimittelkommission informiert, erklärt ein Sprecher des BfARM gegenüber DAZ.online. Auch die Packungsbeilagen und Fachinformationen der betroffenen Präparate müssen geändert werden. In Deutschland sind das Pidana®, Postinor®, Unofem®, Levonoaristo® und Levonorgestrel Stada®. 

Blutspiegel nur bei 50 Prozent

Hintergrund der Neuerung ist ein europäisches Risikobewertungsverfahren, das im Mai abgeschlossen wurde. Es war initiiert worden, nachdem Gedeon Richter die Produktinformation von Levonelle, einem unter anderem in Großbritannien vermarkteten Notfallkontrazeptivum, ändern wollte. Das HIV-Arzneimittel Efavirenz sollte in die Liste der Präparate aufgenommen werden, die mit der „Pille danach“ interagieren. Eine Studie hatte nämlich gezeigt, dass bei gleichzeitiger Einnahme des Notfallkontrazeptivums und Efavirenz der Levonorgestrel-Spiegel im Blut 50 Prozent niedriger ist als normal.

So waren sich die Mitgliedstaaten zwar einig, dass diese Interaktion in die Packungsbeilage aufgenommen wird. Nicht einigen konnten sie sich hingegen, wie damit in der Praxis umgegangen werden solle und ob für diese Fälle eine spezielle Dosierungsempfehlung zu ergänzen sei. Italien hatte Bedenken geäußert, dass die Datengrundlage für eine Empfehlung, die Dosis gegebenenfalls zu verdoppeln, nicht ausreiche. Außerdem befürchteten die Italiener vermehrt Medikationsfehler. Denn die „Pille danach“ sei in den meisten Ländern rezeptfrei zu haben und eine Beratung vor der Einnahme sei nicht überall gewährleistet, argumentierten sie. Großbritannien hatte sich dann vor einem Jahr an den Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) gewandt, um eine Entscheidung herbeizuführen. 

Keine zusätzlichen Nebenwirkungen

Nach Sichtung der Daten zu Levonelle war man seitens der EMA zu dem Schluss gekommen, dass die Wirkung von Levonorgestrel tatsächlich durch CYP-Induktoren beeinflusst wird. Frauen, die solche Arzneimittel einnehmen, sollten daher im Notfall eine Kupferspirale einlegen lassen. Wenn das nicht möglich ist, kann die Levonorgestrel-Dosis verdoppelt werden. Verstärkte Nebenwirkungen werden dadurch nicht erwartet, heißt es beim CHMP. Um sicherzugehen, dass die „Pille danach“ richtig verwendet wird, sollen Hinweise, wann zwei Pillen benötigt werden, auf dem Umkarton und in den Beipackzettel, empfahl das Gremium weiter. Die europäische Kommission hatte dem am 1. August 2016 zugestimmt. Damit waren die Vorgaben rechtlich bindend für alle Mitgliedstaaten. In Großbritannien beispielsweise wurden sie bereits umgesetzt. In Deutschland ist das jetzt der Fall.

Empfehlung gilt nur für Levonorgestrel

Der Hinweis, bei gleichzeitiger Einnahme von CYP-Induktoren die Dosis zu verdoppeln, gilt allerdings nur für Levonorgestrel-haltige Notfallkontrazeptiva. Der Abbau von Ulipristalacetat (Ella One®) wird zwar auch durch diese Wirkstoffe beschleunigt. Hier lautet die Empfehlung aber, das Notfallkontrazeptivum nicht einzunehmen, wenn gleichzeitig eine Therapie mit einem kritischen Wirkstoff durchgeführt wird. Die Frauen können dann innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Verhütungspanne auf Levonorgestrel – und zwar 3 mg – zurückgreifen oder unabhängig vom Zeitfenster auf die Kupferspirale. 

Ergänzung 26. September 2016: der Informationsbrief zu hormonalen Notfallkontrazeptiva wurde am Montag auf der Internetseite des BfArM veröffentlicht.  



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Bürokratieirrsinn

von Pharmzeutin09 am 23.09.2016 um 11:51 Uhr

Komisch, man soll die doppelte Dosis der Pille danach geben bei der die Patientin ein vielfach höheres Risiko hat schwanger zu werden. Welche Kundin nimmt die denn freiwillig?

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