Keimbahnveränderung

Erstes „Drei-Eltern-Baby“ nach neuem Gen-Eingriff geboren

London / New York - 28.09.2016, 10:33 Uhr

Heikle Fragen: Erstmals ist ein Baby geboren worden, dass nach einer Keimbahntherapie Gene dreier Eltern besitzt. (Foto: koya979 / Fotolia)

Heikle Fragen: Erstmals ist ein Baby geboren worden, dass nach einer Keimbahntherapie Gene dreier Eltern besitzt. (Foto: koya979 / Fotolia)


Erstmals ist nach einem Kerntransfer ein Kind mit genetischen Informationen dreier Eltern geboren worden. Doch Experten kritisieren den Einsatz der Technik, da die Risiken nicht ausreichend bekannt seien. Auch befürchten sie, dass Veränderungen der Keimbahn zukünftig auch für andere Zwecke durchgeführt würden.

Unter Federführung US-amerikanischer Ärzte ist erstmals ein Baby zur Welt gekommen, das mittels Kerntransfer drei genetische Eltern hat. Die Mutter des bereits im April geborenen Jungen hat eine seltene Erbkrankheit, von der die DNA in den Kraftwerken der Zelle (Mitochondrien) betroffen ist. Sie hatte bereits mehrere Kinder vor und nach der Geburt verloren, an die sie das Leigh-Syndrom weitergegeben hatte.

Mittels einer neuartigen Technik entfernten die Ärzte nun den gereiften, aber noch unbefruchteten Kern einer mütterlichen Eizelle. Dieser sei in eine entkernte Spender-Eizelle mit gesunden Mitochondrien eingesetzt worden, berichten John Zhang und Kollegen im Fachjournal „Fertility and Sterility“. Die entstandene Zelle sei im Labor schließlich mit dem Samen des Vaters befruchtet worden. Die britische Zeitschrift „New Scientist“ hatte am Dienstag zuerst über den Fall berichtet.

Eltern lehnten ein anderes Verfahren ab

Zhang, der normalerweise am New Hope Fertility Center in New York arbeitet, hatte die aus Jordanien stammenden Eltern in Mexiko behandelt, weil die umstrittene Technik dort anders als in den USA nicht verboten ist. Ein ähnliches, in Großbritannien erlaubtes Verfahren, bei dem die Kerne aus bereits befruchteten Eizellen ausgetauscht werden, hatten die Eltern aus Glaubensgründen abgelehnt. Dabei wären Embryonen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium verworfen worden.

Mit dem neuen Verfahren entstanden 2015 fünf Embryonen, von denen sich einer normal entwickelte und der Mutter eingesetzt wurde. Nach normaler neunmonatiger Schwangerschaft kam der kleine Junge zur Welt. Zhang und sein Team testeten das Baby und entdeckten bei ihm nur ein Prozent mutierter Mitochondrien. Nach Hoffnung der Ärzte dürfte diese Menge zu gering sein, um Probleme zu machen.

Erste Reaktionen aus der Fachwelt fielen wegen ethischer Bedenken gegenüber dem Verfahren vielfach zurückhaltend bis sehr kritisch aus. „Als Wissenschaftler bin ich etwas erschrocken, dass angesichts der dünnen und zweifelhaften Datenlage solch ein Experiment ausgeführt wurde“, erklärte der Zoologe Klaus Reinhardt von der TU Dresden. Als Privatperson hoffe er, dass Vorhersagen über eventuelle mögliche Gesundheitsschäden falsch sind, dass das Kind gesund aufwachsen wird und somit nicht bei vielen Betroffenen falsche Hoffnungen geweckt worden sind.

Risiken sind laut Experten unbekannt – sie fordern internationale Regeln

Laut Reinhardt berufen sich Vertreter der Reproduktionsmedizin gern darauf, dass es auch vor der Einführung der künstlichen Befruchtung (in-vitro-Fertilisation) kritische Stimmen gab. „Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für das jetzt benutzte Verfahren keine Risikoabschätzung gibt und bisherige Hinweise an Tiermodellen und menschlichen Zellen zumindest zweideutig sind“, erklärte er. „Für eine Gentherapie ist das ein sehr unbefriedigender Zustand.“

Der niederländische Professor für Ethik in der Reproduktionsmedizin und Genforschung, Guido de Wert, betonte, dass die verwendete Technik eindeutig als Form einer Veränderung der Keimbahn begriffen werden sollte – auch wenn nur die mitochondriale DNA betroffen ist. Prinzipielle Einwände in Bezug auf die menschliche Würde oder die Naturwidrigkeit des Eingriffs erscheinen ihm zwar als nicht überzeugend, doch äußerte er erhebliche Bedenken.

Kommt es zu Designerbabys?

Von größter Bedeutung sei, dass jede neue experimentelle Reproduktionstechnologie erst dann in die Klinik eingeführt wird, wenn zuvor in umfangreichen vorklinischen Studien die Sicherheit der Methode hinreichend erforscht worden ist, sagte de Wert. „Entwicklungen in der medizinischen Reproduktionstechnologie sind vor allem deshalb umstritten, weil sie einen ‚instrumentalisierten’ Umgang mit menschlichen Embryonen bedeuten“, erklärte der Ethiker. Er erinnerte daran, dass die Selektion eines Embryos ohne Gendefekt fast immer eine Alternative zu Eingriffen in die Keimbahn ist – auch wenn es laut de Wert Ausnahmefälle gebe.

Er befürchtet, dass man schnell auf eine „schiefe Ebene“ geraten könne, wenn Forscher von der Therapie von Erkrankungen über die Prävention schwerer Erbleiden übergehen zu einer Verbesserung oder gar zu Schaffung von „Designer-Babies“. „Wir sollten also keinesfalls naiv sein, und wir sollten auf angemessene Regulierungen und internationale Übereinkommen bestehen“, betonte de Wert.

Der nun geborene Junge ist nicht das erste Baby mit drei genetischen Eltern. Bekannt geworden war zum Beispiel Alana Saarinen, die ebenfalls Gene von ihrem Vater und von zwei Frauen trägt, allerdings wurde damals eine andere Technik verwendet. Dabei wurden die Mitochondrien nachträglich in die befruchtete Eizelle gegeben (Zytoplasmatransfer). Die Technik ist nach Sicherheits- und Ethikbedenken 2002 in den USA verboten worden, in Deutschland war sie nie erlaubt.



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