Verstorbene Krebspatienten

Der Heilpraktiker und die Verschreibungspflicht

Stuttgart - 04.10.2016, 09:30 Uhr

Das „Biologische Krebszentrum“ in Brüggen-Bracht: Nach Todesfällen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. (Foto: dpa)

Das „Biologische Krebszentrum“ in Brüggen-Bracht: Nach Todesfällen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. (Foto: dpa)


Dürfen Alternativmediziner bei Krebspatienten nicht zugelassene Arzneimittel anwenden? In Folge dreier Todesfälle wird nun eine Grauzone beleuchtet. Möglicherweise verstieß der „Krebsheiler“ in Brüggen-Bracht nicht gegen die Verschreibungspflicht – aber gegen andere Regeln.

Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft Krefeld, ob ein Heilpraktiker in seinem „Biologischen Krebszentrum“ in Brüggen-Bracht mit der Anwendung des nicht zugelassenen Arzneimittels 3-Bromopyruvat (3-BP) gegen Gesetze verstoßen hat. Die Frage lässt sich nicht leicht beantworten, wie auch das Bundesgesundheitsministerium und die lokalen Gesundheitsämter merken mussten. „Nach einer vorläufigen Bewertung der Gesundheitsbehörden war der Beschuldigte als Heilpraktiker grundsätzlich berechtigt, das Präparat 3-BP zu verwenden“, erklärte Mitte August ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Krefeld mit Verweis auf Aussagen der Bezirksregierung Düsseldorf. Inzwischen will er dies jedoch so nicht mehr bestätigen, denn das Bild hat sich zwischenzeitlich gewandelt.

3-BP soll auf den Glukosestoffwechsel von Krebszellen einwirken und durch eine Unterdrückung der Glykolyse insbesondere Tumorzellen absterben lassen, die vermehrt auf diese Form des Zuckerstoffwechsels zurückgreifen. Doch gibt es bislang außer Tierversuchen nur einzelne Anwendungen am Menschen, aber weder systematische klinische Prüfungen noch gar eine Zulassung.

Toxische Nebenwirkungen von 3-BP

Die Biologin Ingrid Herr von der Uniklinik Heidelberg sieht 3-BP als „vielversprechend“ an, gleichzeitig warnt sie derzeit vor einer Einnahme: Die Substanz habe „auch alkylierende Eigenschaften und damit toxische Nebenwirkungen wie eine Chemotherapie“, erklärte sie gegenüber DAZ.online. Laut Patentunterlagen wirkte es bei Ratten in einer Dosierung von 20 Milligramm gut, doch schon bei 50 Milligramm seien innerhalb von 15 Minuten alle Versuchstiere verstorben.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft kann ein möglicher Grund für die drei Todesfälle inzwischen recht sicher ausgeschlossen werden: Für pharmakologische oder mikrobielle Verunreinigungen gebe es nach einer Analyse keine Erkenntnisse, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber DAZ.online. Auch ist inzwischen offenbar klar, dass die Substanz bei den drei verstorbenen und den zwei mit lebensgefährlichen Komplikationen im Krankenhaus behandelten Patienten tatsächlich verabreicht wurde: „Es ist nicht streitig, dass 3-BP bei den fünf Patienten Verwendung gefunden hat“, sagte der Sprecher. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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