EU-Versender statt Apotheke vor Ort

DrEd will Fernverschreibungsverbot umgehen

Berlin - 30.09.2016, 13:30 Uhr

Entspannt in die Zukunft: David Meinertz, Chef der Internet-Arztpraxis DrEd, will seine Rezepte im Falle eines Fernverschreibungsverbotes künftig an EU-Versandapotheken verschicken. (Foto: DrEd)

Entspannt in die Zukunft: David Meinertz, Chef der Internet-Arztpraxis DrEd, will seine Rezepte im Falle eines Fernverschreibungsverbotes künftig an EU-Versandapotheken verschicken. (Foto: DrEd)


Die Internet-Arztpraxis DrEd steht vor einem Problem: Schon bald könnte der Gesetzgeber dem Londoner Unternehmen einen Strich durch die Rechnung machen, indem er Online-Rezepte verbietet. Doch DrEd hat schon einen Plan B: Die Rezepte sollen künftig an ausländische Versandapotheken gehen, die dann deutsche Kunden beliefern.

Schon in der vergangenen Legislaturperiode hatten sich insbesondere Unionspolitiker über das Geschäftsmodell der britischen Online-Arztpraxis beschwert. DrEd berät seine Kunden aus einem Londoner Büro via Internet. Das Unternehmen hat sich dabei auf Indikationen spezialisiert, die im Internet besonders gut „funktionieren“: Erektionsstörungen, vorzeitiger Samenerguss, Pille danach oder Haarausfall sind einige Beispiele. Bislang bekommt der Patient sein Rezept aus England via E-Mail, kann sich aber beim Internet-Gespräch mit dem Arzt schon dafür entscheiden, dass die Verordnung direkt an eine Versandapotheke weitergeleitet wird. Laut DrEd entscheiden sich rund 90 Prozent der Kunden für diese Variante. Für sein Geschäftsmodell arbeitete DrEd bislang mit zwei verschiedenen deutschen Versandapotheken zusammen, die alle Rezepte aus England bekamen.

Doch mit diesem Verfahren könnte nun bald Schluss sein: Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat in dieser Woche die 4. AMG-Novelle beschlossen. In dem Gesetz ist das sogenannte Fernverschreibungsverbot verankert. Demnach dürfen Apotheker in Deutschland Rezepte nur noch akzeptieren, wenn sie sicher sind, dass vorher ein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat. Das heißt: Der Apotheker wird zur Kontrollinstanz – er bekommt vom Gesetzgeber die Aufgabe, das Fernverschreibungsverbot umzusetzen.

Doch die Internet-Arztpraxis DrEd hat schon einen Weg gefunden, wie sie die Regelung umgehen kann. David Meinertz, Geschäftsführer und Gründer von DrEd, teilte mit: „Für unsere Patienten wird sich aufgrund der Gesetzesnovelle nur sehr wenig ändern, da wir als Reaktion auf die aktuelle Gesetzeslage unsere Zusammenarbeit mit europäischen Versandapotheken ausweiten werden, anstatt auf die Apotheke vor Ort zu setzen.“ Das heißt: Die Rezepte gehen künftig von London direkt an eine EU-Versandapotheke. Mit welchen Versendern man künftig zusammenarbeitet, wollte eine Unternehmenssprecherin nicht verraten. Man führe mit diversen Anbietern Gespräche.

Auch Politiker wollen Online-Rezepte behalten

Meinertz ließ auch sonst kein gutes Haar an dem Gesetz. Es stehe im Widerspruch zum E-Health-Gesetz und habe „weitreichende“ Konsequenzen für innovative Modelle. Der DrEd-Geschäftsführer erinnerte auch an eine neue Regelung zur Telemedizin in Baden-Württemberg. Die dortige Ärztekammer hatte beschlossen, dass Ärzte im Rahmen von Modellprojekten Ferndiagnosen ausstellen dürfen.

Meinertz dazu: Mit der AMG-Novelle wird es nun zu der absurden Situation  kommen, dass ein Arzt in Baden-Württemberg einen Patienten aus der Ferne behandelt und ein Apotheker in Baden-Württemberg die Einlösung des Rezepts verweigern muss.“ Insbesondere Chroniker und Menschen in unterversorgten Regionen müssten darunter leiden. Meinertz wies zudem auf Schweden und die Schweiz hin, wo die Mediziner je nach Patient entscheiden können, ob sie Telemedizin einsetzen oder nicht. „Den Ärzten in Deutschland wird diese Kompetenz von oben erneut abgesprochen.“

Grüne und Teile der SPD wollen Ferndiagnosen in Ausnahmen erlauben

Mit seiner Kritik an dem Verbot der Online-Rezepte ist DrEd nicht alleine. Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche hatte kürzlich angekündigt, dass ihre Fraktion sich dafür einsetzen werde, dass Ausnahmen vom Fernverschreibungsverbot geschaffen werden. In manchen Fällen, beispielsweise für die Landbevölkerung, müsse es möglich sein, Ferndiagnosen zu stellen und auch Rezepte zu verschicken, erklärte Schulz-Asche, die dazu im Bundestag einen Entschließungsantrag einbringen will.

Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut erneuerte seine Kritik am Fernverschreibungsverbot, welches „nicht sinnvoll“ sei. Auch aus seiner Sicht steht es im Widerspruch zum E-Health-Gesetz. Für manche Patientengruppen würden Verschreibungen aus der Ferne große Erleichterungen bringen. Heidenblut will alleine deswegen zwar nicht gegen die AMG-Novelle stimmen, da diese viele gute Punkte enthalte. Doch ist es seiner Ansicht nach „schlecht gemacht“: Das Gesetz enthalte nämlich keine Sanktionen, für Fälle, in denen die Rezepte trotzdem in Deutschland eingelöst werden. Das Fernverschreibungsverbot in seiner vorgeschlagenen Form sieht der SPD-Politiker daher eher als „freundlichen Appell“.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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