Heilberufe in Schleswig-Holstein

Klare Worte zum EuGH-Urteil

Kiel - 01.11.2016, 11:15 Uhr

Eine solche Kleine Kammer am Europäischen Gerichtshof traf am 19. Oktober 2016 eine folgenreiche Entscheidung zum Arzneimittelpreisrecht. (Foto: EuGH / curia.eu)

Eine solche Kleine Kammer am Europäischen Gerichtshof traf am 19. Oktober 2016 eine folgenreiche Entscheidung zum Arzneimittelpreisrecht. (Foto: EuGH / curia.eu)


Die Interessengemeinschaft der Heilberufe in Schleswig-Holstein kritisiert das EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung als Angriff auf eine heilberufliche Honorarordnung. In deutlichen Worten benennt sie die drohenden Probleme.

Am gestrigen Montag veröffentlichten die Heilberufler in Schleswig-Holstein ihre gemeinsame Position zum EuGH-Urteil. Nur in Schleswig-Holstein gibt es eine Interessengemeinschaft der Heilberufe (IDH), in der die akademischen Heilberufler gemeinsam organisiert sind. Während anderswo einzelne Stimmen aus Ärztekreisen auf das Urteil eher mit Häme gegenüber den Apothekern reagiert hatten, machen die Heilberufler in Schleswig-Holstein ihre gemeinsame Betroffenheit deutlich.

Die IDH kritisiert, dass sich der EuGH über das Recht der Mitgliedsstaaten hinwegsetze, subsidiär Regelungen zur Organisation des nationalen Gesundheitswesens treffen zu können. Daraus folgert die IDH: „Dem deutschen Souverän wird dadurch die Gestaltungsmacht über einen Kernbereich des nationalen Gesundheitssystems entzogen. In der Folge steht zu befürchten, das auch in Deutschland die Arzneimittelpreisbindung und damit erstmals die Honorarordnung eines freien Heilberufes zu Fall gebracht wird.“ Daher appellieren die Heilberufler in Schleswig-Holstein gemeinsam, die Ausnahmeregelung vom Verbringungsverbot gemäß § 73 AMG wieder aufzuheben und damit den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie in 21 von 28 EU-Staaten nicht zuzulassen. 

Preisbindung als Teil einer freiberuflichen Honorarordnung

Der IDH sieht die Preisbindung als Teil einer freiberuflichen Honorarordnung. Diese schütze die Bürger vor Übervorteilung und ermögliche es, die Interessen von Patienten und Kostenträgern einerseits sowie Apothekern andererseits ausgewogen auszugleichen. Die Arzneimittelpreisbindung sei zudem integraler Bestandteil des Sachleistungsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung, das allen Versicherten den gleichen Zugang zu Arzneimitteln sichere, ohne dass diese in Vorleistung gehen müssten. Dazu erklärt der IDH weiter: „Mit einer Bonifizierung von Leistungen zugunsten von Patienten, die diese nicht selbst bezahlen, werden hingegen Fehlanreize zulasten der Solidargemeinschaft gesetzt.“ 

Außerdem schütze die Preisbindung ebenso wie andere Honorarordnungen vor einer lückenhaften Versorgung durch Rosinenpickerei. Eine verlässliche Arzneimittelpreisbildung mache viele Gemeinwohlleistungen, die nur von den Apotheken vor Ort erbracht werden, erst möglich. Eine Selektion „lohnender Kranker“ würden die Apotheken dagegen nicht aushalten. Apotheken würden massiv und unkontrolliert vom Markt verschwinden, befürchtet die IDH. 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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