USA

Wie „Pharmacy Benefit Manager“ die Arzneimittelkosten treiben

Stuttgart - 29.11.2016, 10:45 Uhr


Sie versprechen Einsparungen von mehr als 650 Milliarden US-Dollar, könnten aber selber hohe Kosten verursachen: In den USA handeln riesige Einkaufsorganisationen zwischen Apotheken, Krankenversicherern und Arbeitgebern Preise für Arzneimittel aus – und streichen selbst offenbar kräftig ein. Der US-Verband der unabhängigen Apotheker fordert eine Untersuchung durch den Kongress in Washington.

Der Preis rezeptpflichtiger Arzneimittel wird in den USA rein marktwirtschaftlich bestimmt, der Staat hält sich komplett raus. Zu einem erheblichen Teil sind dabei sogenannte Pharmacy Benefit Manager (PBM) beteiligt: Diese Arzneimittel-Einkaufsorganisationen handeln im Auftrag von privaten und staatlichen Krankenversicherern mit Apotheken die Arzneimittelabgabepreise aus und bestimmen somit darüber, in welchen Apotheken welche Arzneimittel für die Versicherten zu welchem Preis verfügbar sind. PBMs sind zumeist Multi-Konzerne, zu denen neben dem Verhandlungsgeschäft oft auch eine große Apothekenkette und/oder ein Großhändler gehört. Die Konzerne vertreten laut Angaben ihres Dachverbands Versicherer von mehr als 260 Millionen US-Amerikanern – somit rund 90 Prozent aller krankenversicherten Einwohner.

Die Verhandler bestimmen, welche Arzneimittel von welchen Herstellern von den Krankenversicherungen erstattet werden und welche Zuzahlungen Patienten leisten müssen. Indem sie Rabatte mit den Herstellern aushandeln, werden sie laut dem Dachverband „Pharmaceutical Care Management Association (PCMA)" in den nächsten zehn Jahren mehr als 650 Milliarden US-Dollar einsparen – doch hieran gibt es erhebliche Zweifel.

Intransparente Verhandlungen

Die Arbeit der Preisverhandler sei zwar im Grunde legal, erklärte der Apotheker und Geschäftsführer der National Community Pharmacists Association, B. Douglas Hoey, in einem Gastbeitrag für das Online-Gesundheitsmagazin „STAT“. „Aber die intransparente Natur dieser Vereinbarungen macht es schwierig, zu wissen, welcher Anteil dieser Rabatte als Einsparung an die Versicherung weitergegeben wird – und wieviel die Pharmacy Benefit Manager selbst behalten.“

So fragte kürzlich bei einer Anhörung der einzige Apotheker unter den Abgeordneten des Repräsentatenhauses, Earl „Buddy“ Carter, die Geschäftsführerin von Mylan, Heather Bresch, wie hoch die Rabatte sind, die in Bezug auf den Epipen an PBMs gezahlt werden. Doch Bresch habe keine Antwort gegeben, kritisierte Hoey. Das Allergie-Notfallset war in den vergangenen Monaten aufgrund äußerst stark gestiegener Preise in starke Kritik geraten

Apotheker verlangen Aufklärung durch den US-Kongress

Zur Last gelegt wird PBMs beispielsweise, die Rabatte „aufzupumpen“: Indem sie deutlich teurere Arzneimittel auf die Erstattungslisten nehmen, als eigentlich verfügbar wären, können sie scheinbar hohe Rabatte erzielen. Hoey verweist auf das Beispiel des Protonenpumpenhemmers Nexium® (Esomeprazol), der Preise um 700 US-Dollar kosten könne, während ein Generikum für 25 US-Dollar zu haben sei. Manche PBMs würden das Markenprodukt vorziehen – laut dem Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ habe der Arzneimittelhersteller AstraZeneca 2015 eine Strafe von 7,9 Millionen US-Dollar dafür zahlen müssen, unzulässige Rückvergütungen an einen PBM gezahlt zu haben.

Auch sollen sie laut Hoey vom Versicherer höhere Preise verlangen, als sie Apotheken bezahlen – Jahrestherapiekosten von 300 US-Dollar sollen so nach Aussagen von Versicherungs-Managern sogar auf über 2000 US-Dollar gestiegen sein. Auch soll es für Patienten teilweise günstiger sein, Arzneimittel aus der eigenen Tasche zu zahlen, als die vom PBM ausgehandelte Zuzahlung zu leisten – während Apothekern vertraglich untersagt wird, ihre Kunden darüber aufzuklären, dass sie ihnen die benötigten Präparate günstiger direkt verkaufen könnten. Patienten müssten in der Offizin nachfragen, doch kämen sie selber nur selten auf die Idee.

„All dies muss vom US-Kongress und anderen Behörden in Bezug auf mögliche Auswirkungen auf die Arzneimittelausgaben untersucht werden“, fordert Hoey. Für den Geschäftsführer des Verbands kommunaler Apotheker sei mehr Transparenz nötig – „um sicherzustellen, dass Konsumenten und Versicherer nicht übervorteilt werden“. Sein Verband habe sich kürzlich an das Repräsentantenhaus gewandt und eine Anhörung zu diesen Fragen verlangt. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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