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Online-Rezepte aus dem Ausland
„Die wirklichen Verlierer sind die Apotheken“
Eigentlich wollte der Gesetzgeber mit der AMG-Novelle verhindern, dass Patienten sich im Internet Rezepte ausstellen lassen können. Der führende Anbieter im Video-Sprechstunden-Markt, das Londoner Unternehmen DrEd, gibt sich gelassen. Schon längst gebe es eine Ausweichstrategie, heißt es aus Großbritannien. DrEd strebt nun Kooperationen mit ausländischen Versandapotheken an.
Vor etwa drei Wochen verabschiedete der Bundestag das vierte AMG-Änderungsgesetz. Die für die Apotheker wohl wichtigste Regelung in dem Gesetz ist das sogenannte „DrEd-Verbot“. Schon vor Jahren hatte sich der Gesetzgeber vorgenommen Fernverordnungen über das Internet zu verbieten. Mit der AMG-Novelle soll dies nun nicht mehr möglich sein. Denn laut Gesetz müssen Apotheker die Abgabe eines Arzneimittels verweigern, wenn sie Zweifel darüber haben, dass bei der Verordnung kein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient vorlag.
Zur Erinnerung: Wegen seiner Online-Rezepte steht seit Jahren das Londoner Unternehmen DrEd in den Schlagzeilen. Die bei DrEd angestellten Ärzte beraten ihre Kunden aus einem Londoner Büro via Internet. Das Unternehmen hat sich dabei auf Indikationen spezialisiert, die im Internet besonders gut „funktionieren“: Erektionsstörungen, vorzeitiger Samenerguss, Pille danach oder Haarausfall sind einige Beispiele.
An welche Versandapotheken gehen die Rezepte?
Der Patient kann nach dem Ausfüllen eines Fragebogens zu seinen Beschwerden selbst entscheiden, ob die Verordnung direkt an eine Versandapotheke weitergeleitet wird. Laut DrEd entscheiden sich rund 90 Prozent der Kunden für diese Variante. Für sein Geschäftsmodell arbeitete DrEd bislang mit zwei verschiedenen deutschen Versandapotheken zusammen, die die Rezepte aus England bekamen. Auch auf mehrfache Nachfrage hin, wollte eine Unternehmenssprecherin nicht verraten, wer diese Versender sind.
Wie also kommentiert DrEd die neue Rechtslage in Deutschland? Die Antwort ist kurz, aber eindeutig: gelassen. Gegenüber DAZ.online sagte die Unternehmenssprecherin, dass man kein Verständnis für das Gesetz habe. Denn: „Ärzte sollten selbst die Freiheit haben, ihren Beruf so auszuüben, wie sie ihn medizinisch verantwortlich vertreten können. Wie in Schweden oder in der Schweiz. Dort wird zum Beispiel von Patient zu Patient entschieden, ob Telemedizin eingesetzt wird oder nicht. Den Ärzten in Deutschland wird diese Kompetenz von oben erneut abgesprochen.“
DrEd verhandelt mit EU-Versandapotheken
Bei der Anhörung zu dem Gesetz hatte bereits der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) darauf hingewiesen, dass die „Machart“, also die Konstruktion des Fernverordnungsverbotes-Rezeptes kritisch zu sehen sei. Schließlich sei es für Apotheker nicht immer leicht, festzustellen ob dem vorliegenden Rezept auch wirklich ein direkter Arztkontakt vorausging. Die ABDA hatte sich bei der Anhörung zum Thema der Verifizierung der Rezepte gar nicht geäußert.
Auch die DrEd-Sprecherin sieht die Konstruktion kritisch: „Der Apotheker kann am Rezept nicht erkennen, ob es nach Video- oder Telefonkontakt ausgestellt wird oder nach einem Besuch vor Ort. Denn eng gelesen heißt es: Anruf genügt nicht. Auch nicht beim Chroniker, auch nicht bei der Antibabypille, auch nicht beim Bluthochdruck.“
Schon vor einigen Wochen hatte DrEd gegenüber DAZ.online angekündigt, die Neuregelung einfach umgehen zu wollen, indem man in Zukunft schlicht mit ausländischen Versandapotheken zusammenarbeiten werde. Auch nach dem Beschluss sagte die DrEd-Sprecherin nun nochmals, dass sich für die Patienten der Online-Praxis wenig ändern werde. Und weiter: „Was sich ändert ist, dass wohl noch mehr über Versandapotheken im EU-Ausland ihre Arzneimittel bestellen werden. Die wirklichen Verlierer sind eigentlich die Apotheken in Deutschland, sie verlieren auf Sicht den Rezeptumsatz.“
DrEd will nicht sagen, an wen die Rezepte gehen
Auf Nachfrage hin wollte das Unternehmen nicht kommunizieren, an welche Versandapotheken die Rezepte in Zukunft gehen. Nur so viel: „Für den Versand aus dem EU-Ausland überprüfen wir gerade die Lieferfähigkeit und den zeitnahen Versand verschiedener Versandapotheken. Hier kommen unter anderem Versandapotheken aus den Niederlanden, Schweden, Island und England in Frage.“
Erstmals hatte DrEd in dieser Woche auch detaillierte Nutzerzahlen veröffentlicht. In ganz Europa hat das Unternehmen während seines fünfjährigen Bestehens eigenen Angaben zufolge schon mehr als 960.000 Video-Sprechstunden durchgeführt. Alleine in den ersten elf Monaten dieses Jahres haben insgesamt 100.000 Video-Telefonate mit Kunden aus Deutschland stattgefunden. DrEd listet zudem genau auf, in welchen Städten die meisten Kunden „zuschalten“. So gab es in Berlin mit 13.000 „Behandlungen“ die meisten Nutzer in diesem Jahr, es folgen München und Hamburg. Auch in ländlichen Regionen sei DrEd gefragt, heißt es in einer Mitteilung. Wie viele Menschen aus strukturschwachen, ländlichen Regionen von den Services profitieren, konnte die Unternehmenssprecherin allerdings nicht beziffern.
4 Kommentare
Ja
von Alex Steig am 07.09.2017 um 15:10 Uhr
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Folgerezepte
von Pierre Roer am 02.12.2016 um 21:25 Uhr
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Nur Apotheker die Verlierer - Nein!
von Ratatosk am 02.12.2016 um 18:36 Uhr
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;)
von Peter Lahr am 02.12.2016 um 11:42 Uhr
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