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BfArM verliert Homöopathie-Prozess
Erneute Zulassung auch ohne Nutzen-Nachweis
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts muss die Arzneimittelbehörde BfArM die Zulassung für ein homöopathisches Präparat verlängern. Zwar sind weder die hauseigenen Homöopathie-Experten noch die Gerichte von einem Nachweis des Nutzens überzeugt, doch auch Risiken seien nicht ausreichend belegt.
In letzter Instanz hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am gestrigen Donnerstag entschieden, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für ein homöopathisches Präparat verlängern muss. Der Kemptener Homöopathie-Hersteller Cefak bewirbt sein Präparat Cefamadar mit der Aussage, es unterstütze „auf natürliche und schonende Weise die Gewichtsabnahme“ – und solle am besten bei Heißhungerattacken oder vor Mahlzeiten eingenommen werden. Für die Tabletten oder Tropfen in Potenz D4 wird eine aus der Kronenblume (Calotropis gigantea) gewonnene Essenz im Verhältnis 1:10.000 verdünnt – die Pflanzen enthalten einen hohen Gehalt an toxischen Herzglykosiden.
In dem jahrelangen Rechtsstreit ging es um die Frage, inwiefern Nutzen und Risiken für eine Verlängerung der Zulassung nachgewiesen sein müssen. Im Gegensatz zu einer bloßen Registrierung homöopathischer Präparate, müssen bei einer Zulassung Unterlagen eingereicht werden, die einen Wirkungsnachweis belegen sollen – doch sind keine klinischen Studien notwendig, teilweise genügt allein homöopathische Literatur. Die Unterlagen werden von einer hierfür zuständigen „Kommission D“ des BfArM geprüft, bei der es sich laut Arzneimittelgesetz um Sachverständige handelt, die in der Homöopathie „über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben“. Der Vorteil einer Zulassung für den Hersteller ist, dass er anschließend damit werben darf, das Präparat helfe bei der Erkrankung, auf die sich die Zulassung erstreckt.
Homöopathen hatten ihre Einschätzung widerrufen
Nachdem zuvor unter Bezug auf eine Monografie der Kommission D die Zulassung für Cefamadar erfolgt war, stellte Cefak im Oktober 1999 einen Verlängerungsantrag. Doch im Dezember 2008 wies das BfArM diesen ab. Laut der Vorinstanz, dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, hatte die Kommission D auf ihrem „besonderen Erfahrungswissen“ basierend ihre frühere Einschätzung widerrufen. Fettleibigkeit entspreche nicht mehr dem „Arzneimittelbild“ der Kronenblume, hatten die Kommissionsmitglieder in Reaktion auf den Antrag von Cefak erklärt.
Doch bei einer Zulassungsverlängerung ist die Lage anders: Hier muss nicht erneut die Wirksamkeit nachgewiesen werden, sondern es darf nur kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis bestehen. Aber dieser Versagungsgrund sei „nicht gegeben“, entschied das OVG Münster vor knapp drei Jahren: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei nicht schon dann negativ, „wenn die Wirksamkeit nicht (mehr) festgestellt werden kann“, urteilten die Richter.
Wirksamkeit unzureichend begründet, mögliche Placeboeffekte
Wie auch zuvor die Kollegen des Verwaltungsgerichts Köln gingen sie davon aus, dass die „therapeutische Wirksamkeit unzureichend begründet ist“ und sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ergebe, dass sich mit Cefamadar „therapeutische Erfolge erzielen lassen“. Die Pharmafirma hatte Anwendungsbeobachtungen vorgelegt, bei denen Probanden auch eine Diät oder Sport gemacht hatten, was laut den Richtern den Verlust ihrer Pfunde „ohne Weiteres“ erklären könnte.
Auch existierte keine Vergleichsgruppe. „Dies spricht für mögliche Placeboeffekte“, urteilten die Richter. Die Aussagekraft einer anderen Beobachtungsstudie mit nur 21 Patienten sei „erheblich eingeschränkt“, erklärten sie. „Ferner lassen die Anwendungsbeobachtungen ebenfalls nicht erkennen, dass die therapeutischen Ergebnisse auf das streitgegenständliche Arzneimittel zurückzuführen sind.“ Doch sei nicht „belegbar zu verneinen“, dass es einen Nutzen geben könnte.
Ausreichend stark verdünnt
Die dünne Beweislage hielt nun auch die Richter des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon ab, für die weitere Zulassung zu votieren. In ihrem schriftlich noch nicht vorliegenden Urteil wiesen sie die Revision des BfArM gegen die Entscheidung des OVG Münsters zurück, nachdem die „Erschütterung der Annahme der Wirksamkeit“ noch kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis begründe. Die Behörde habe keine „konkreten, unvertretbaren Risiken“ dargelegt, die aus der bestimmungsgemäßen Anwendung des Arzneimittels folgen, hatten schon die Richter in Münster erklärt. Cytotoxische oder Fingerhut-ähnliche Wirkungen könnten nicht angenommen werden, da nicht die Eigenschaften der verwendeten Substanz ausschlaggebend seien – sondern allein, ob vom konkreten Arzneimittel Risiken ausgingen. Doch aufgrund der laut den Richtern ausreichenden Verdünnung sei dies bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht der Fall.
Auch ein anderes, von Homöopathie-Kritikern oft vorgebrachtes Argument überzeugte die Leipziger Richter nicht – dass Verbraucher die Anwendung eines wirksamen Präparates unterlassen. Dies reiche „allein für die Annahme eines Risikos und eines darauf gestützten ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht aus“, hatte schon das OVG Münster entschieden.
Verfassungsschutz für den Pharmahersteller
Insgesamt dürfe die „zweifelhafte Wirksamkeit“ nicht automatisch zur Ablehnung der Zulassungsverlängerung führen. „Hierfür spricht auch die grundrechtlich geschützte Position, die der pharmazeutische Unternehmer aus der Marktteilnahme seines Produkts bereits erlangt hat“, urteilten die Richter in Münster. Und auch für den Widerruf der Zulassung hatten sie keinen hinreichenden Anlass gesehen: Hierzu hätte das BfArM Belege vorbringen müssen, dass sich mit dem Präparat keine therapeutischen Ergebnisse erzielen lassen. Doch die Behörde hatte die „Unwirksamkeit“ selbst als nicht beweisbar bezeichnet.
„Das ist erfreulich für uns, das war ein achtjähriger Kampf“, erklärte der geschäftsführende Gesellschafter von Cefak, Hans Brand, angesichts der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegenüber DAZ.online. Laut Brand vertreibt Cefak das millionenhaft umgesetzte Produkt auch in Asien und Südamerika, es sei in mehr als 20 Ländern zugelassen. Angaben zum Umsatz wollte er nicht machen.
Nutzen ist nicht auszuschließen
Ein Verlust der Zulassung wäre für den Pharmahersteller sicher auch wirtschaftlich schwierig gewesen. „Auf Biegen und Brechen wollte die Behörde das Produkt eliminieren – mit einer sehr fragwürdigen Argumentation“, kritisierte Brand das Vorgehen des BfArM. Es habe seiner Einschätzung nach „mit Klimmzügen“ versucht, anhand toxikologischer Gutachten Risiken nachzuweisen. „Beide Vorinstanzen haben entschieden, dass ein Nutzen nicht auszuschließen sei – das waren wirklich sehr ausgewogene Urteile“, erklärte er.
Es gebe zwar alle möglichen Grauprodukte im Diätmarkt, doch wenig zugelassene „natürliche“ Arzneimittel. Viele „chemische Produkte“ hätten seiner Einschätzung nach „erhebliche Nebenwirkungen“, so dass ihre Verwendung „aus ganzheitlicher Sicht fragwürdig erscheint.“ Doch auf Nachfrage kann Brand nicht erklären, wie Cefamadar denn wirken soll – von einem allgemeinen Verweis auf mögliche Veränderungen im Sättigungszentrum und in der Großhirnrinde abgesehen.
3 Kommentare
Zulassung ohne Nachweis eines Nutzens
von Frank Bünder am 03.12.2016 um 13:21 Uhr
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AW: Zulassung ohne Nachweis eines Nutzens
von Dr. E. Berndt am 05.12.2016 um 16:26 Uhr
Erneute Zulassung auch ohne Nutzen-Nachweis
von Dr. E. Berndt am 02.12.2016 um 13:41 Uhr
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