Abtrennungsgebot

Mehr Offenheit für Apotheken-Türen

Berlin - 21.12.2016, 07:20 Uhr

Mit der Frage, ob Apothekentüren dauerhaft offen stehen dürfen, befassen sich Gerichte seit Jahrzehnten. (Foto: Sket)

Mit der Frage, ob Apothekentüren dauerhaft offen stehen dürfen, befassen sich Gerichte seit Jahrzehnten. (Foto: Sket)


„Nicht unerhebliche Liberalisierungsentwicklung”

Doch nun entschied das Verwaltungsgericht Minden: „Dem vermag sich die Kammer angesichts der zwischenzeitlich vorgenommenen Liberalisierung des Apothekenrechts durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht anzuschließen. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b) ApBetrO ist nicht (mehr) dahingehend auszulegen, dass Eingangstüren zu Apothekenbetriebsräumen ausnahmslos im Ruhezustand geschlossen sein müssten“. Dies bedeute allerdings nicht, dass keinerlei Abtrennung der Apothekenbetriebsräume mehr erforderlich wäre. Es müsse aber anhand der Umstände des Einzelfalles ermittelt werden, ob auch bei offenstehenden Türen noch eine Trennung von den angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen oder Ladenstraßen vorliegt.

Dabei nimmt das Gericht die gesamte Systematik des Apothekenrechts in den Blick. Hier sieht es eine „nicht unerhebliche Liberalisierungsentwicklung im Bereich des Arzneimittelvertriebs in den letzten Jahren“: weg von der ausschließlichen Abgabe von Arzneimitteln in den Apothekenbetriebsräumen und möglichst persönlicher Beratung durch den Apotheker, hin zu einer Vielzahl dem Kunden zur Verfügung stehender Bezugsmöglichkeiten – etwa über das Internet, Telefon oder durch Boten der Apotheke –, die weder ein Betreten der Apothekenbetriebsräume noch eine Beratung durch den Apotheker voraussetzen. Stichworte sind die Zulassung des Versandhandels, Kooperationen von Versandapotheken mit Drogeriemärkten oder Apotheken-Autoschalter.

Ein Frage des Einzelfalls

Für eine Auslegung der Regelung in § 4 ApBetrO, die den Apothekenleiter ausnahmslos dazu zwingen will, die Türen zur Offizin im Ruhezustand stets geschlossen zu halten, sei nach dieser Entwicklung kein Raum mehr. Dem Trennungsgebot komme nun nicht mehr die Bedeutung zu, die es noch hatte, als Arzneimittel ausschließlich in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden durften. Das Verbot offener Türen würde nunmehr einen Eingriff in die Berufsfreiheit in Form einer Berufsausübungsregelung darstellen, der nicht durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wäre, so das Gericht.

Die Prüfung im Einzelfall geht letztlich auch zugunsten des Apothekers aus. So machen die Türen im konkreten Fall etwas weniger als die Hälfte der gesamten Ladenfront aus. Die Türöffnungen seien auch als solche gut erkennbar, da sie von undurchsichtigen Wandelementen eingefasst werden. Insbesondere das 1,88 m breite mittlere Wandelement verhindere, dass der Eindruck entsteht, die gesamte Apothekenfront stünde offen und ein nahtloser Übergang von der Ladenstraße zu den Apothekenräumen wäre möglich. Auch die leuchtend gelben Blendrahmen um die Türen herum und den Apotheken-Schriftzug über den Türen fanden die Richter überzeugend: Der Kunde merkt hier, wann er den Verkaufsraum der Apotheke betritt.

Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 23. November 2016, Az.: 7 K 2871/15



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Antwortversuche

von Dr. Ralf Schabik am 24.12.2016 um 13:40 Uhr

@ Uwe Hüsgen: Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass es die Apotheker (ganz pauschal, aber vertreten durch etliche offizielle Vertreter wie auch "Haie" in den Apotheken) versäumt haben, die Bedeutung der "traditionellen" Apotheke zu verdeutlichen. Es ist einerseits tödlich von "Apothekern", Paracetamol mit 70% Rabatt zu verramschen, aber es ist andererseits genauso tödlich, darauf zu beharren, dass die Tür zur Offizin immer geschlossen sein muss. Zwischen beiden Polen werden alle Apotheken, die einfach "nur" ihre bewährten Pflichten erfüllen möchten, zermalmt. Unf zeitgleich dann noch bittere Urteile von Richtern, die die Bedeutung von "traditionellen" Apotheken nicht begriffen haben.

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Bewahrer oder Verhinderer ?

von Dr. Ralf Schabik am 22.12.2016 um 12:08 Uhr

EIn wunderschönes Beispiel für ein Dauerthema: Bewahren wir oder verhindern wir ? Es ist mit den offen stehenden Türen wie mit der Teilnahme von Apotheken an verkaufsoffenen Sonntagen im Rahmen von Einzelhandelsaktionen: Bloss nicht mal bewegen ! Und ignorieren, dass um uns herum alle Dämme brechen und sich sowieso niemand an Regeln hält. Ungestraft. Aber "die anderen" leben ja unangreifbar im Paralleluniversum, die Apotheken kann man ja mühelos packen. Bis dann mal ein Gericht alte Zöpfe abschneidet. MIR wäre es lieber, wir Apotheker würden uns vernünftigen Neuerungen aufgeschlossen gegenüber präsentieren, dann wären wir glaubwürdiger, wenn es darum geht, wirklich wichtige Punkte, die auch den Patienten tangieren, zu bewahren. Mit Schattenboxen auf Nebenkriegsschauplätzen stehen wir als die notorischen Verhinderer da.

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AW: Liberalisierung oder ordnungspolitische Grundsätze

von Uwe Hüsgen am 24.12.2016 um 13:04 Uhr

Wenn man die Urteilsbegründung liest, stellen sich unwillkürlich folgende Fragen:
Haben sich die traditionellen Apotheken (mit Arzneimitteln als Ware der besonderen Art) überlebt?
Werden sie durch Arzneimittel- und Gesundheits-Shops (bzw. -Versandhändler) abgelöst?
Bedarf es für Apotheken überhaupt noch eines ordnungspolitischen Rahmens?

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