Chef des BKK-Dachverbands

„Die ABDA steht seit langer Zeit auf der Bremse“

Berlin - 23.12.2016, 13:00 Uhr

Der Vorstand des BKK-Dachverbands Franz Knieps ruft Apotheker auf, an ihrem Berufsbild zu arbeiten. (Foto: BKK Dachverband)

Der Vorstand des BKK-Dachverbands Franz Knieps ruft Apotheker auf, an ihrem Berufsbild zu arbeiten. (Foto: BKK Dachverband)


Die ABDA trat kürzlich aus Protest aus dem Bundesverband Managed Care aus: Dieser hatte das EuGH-Urteil als positiv für Apotheker darstellt. Dessen Vorstand Franz Knieps bekräftigt im Interview mit DAZ.online diese Haltung und kritisiert die ABDA. Gleichzeitig hält er das Rabatt-Verbot für EU-Versender weiter für sinnvoll.

„Ist der Apotheker der eigentliche Gewinner?“, fragte eine Pressemitteilung des Bundesverbands Managed Care (BMC) zum EuGH-Urteil suggestiv. Dem Verein gehören Pharmafirmen, Krankenkassen, Gesundheitsdienstleister oder Verbände von Heilberuflern an – und die ABDA. Noch, denn aus Protest gegen die Pressemitteilung kündigte sie zwischenzeitlich außerordentlich. Der BMC hatte beispielsweise auch die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes gefordert – und „neue Wettbewerbsparameter“ im Apothekenmarkt.

Der langjährige Abteilungsleiter beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) Franz Knieps ist nun Mitglied im Vorstand des BMC – und Vorsitzender des BKK-Dachverbands. DAZ.online fragte bei ihm nach, inwiefern Apotheker seiner Ansicht nach vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs profitieren können.

DAZ.online: Herr Knieps, der BMC veröffentlichte im November eine Presseerklärung, nach der die Apotheker die eigentlichen Gewinner des EuGH-Urteils seien. Wie sehen Sie das?

Franz Knieps: Noch kann man das überhaupt nicht sagen, ob es Gewinner oder Verlierer gibt. Das Urteil ist auch für Apotheker eine große Chance, ganz klar: Man muss sich überlegen, wofür Apotheker bezahlt werden sollen – nur für Verkäufertätigkeiten und Logistiktätigkeiten? Ich bin ja seit langem der Meinung, ein Heilberuf kann sich nicht über Produkte definieren, sondern muss sich definieren über die Expertise, die er als Heilberuf einbringt. Dann muss man darüber nachdenken, was das bedeutet.

DAZ.online: Die Berufsvertretungen der Apotheker setzen Ihrer Meinung nach also die falschen Akzente?

Knieps: Nach meinen acht Jahren im BMG habe ich den Eindruck, dass die ABDA da seit langer Zeit auf der Bremse steht: Sie will zusätzlich etwas bezahlt haben, aber keine generelle Umstellung der Bezahlung. Das ist ein bisschen schwer zu verstehen. Aber es ist fast auch normal: In Zeiten, wo es wirtschaftlich gut läuft, ist keiner bereit, irgendwas zu ändern. Veränderungen passieren immer dann, wenn der politische Druck die Bambusspitzen unter die Fingernägel treibt. Und diese Situation haben wir jetzt nicht.

DAZ.online: Also liegt die ABDA aus Ihrer Sicht falsch, wenn sie vor „Gefahren für das Gesundheitssystem“ warnt und das Rx-Versandverbot von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe fordert?

Knieps: Herr Gröhe steht prototypisch dafür, dass Ruhe die erste Bürgerpflicht im Gesundheitswesen ist. Das ist der Auftrag, den er von seiner Kanzlerin hat und den erfüllt er. Aber wenn die Apotheker bei jeder Sache immer sagen, dass die Welt untergeht, dann ist das beim dritten Mal unglaubwürdig. Angstszenarien werden immer wieder gegen Dinge, die man nicht haben will, in Stellung gebracht. Das ist typisch ABDA. Das geforderte Verbot des Rx-Versandhandels halte ich für einen schlechten Scherz. Das EuGH-Urteil hat ganz deutlich gezeigt, dass man mit Verboten nicht weit kommt. Der Vertriebsweg durch die Apotheke um die Ecke ist ein Vertriebsweg, aber es hat sich in praktisch allen Bereichen auch der Versandhandel etabliert. Das Gesetz hat Herr Gröhe aus der Hüfte geschossen – seine Staatssekretäre rudern ja auch zurück. Ich glaube nicht, dass das Versandhandelsverbot kommt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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11 Kommentare

Irreführung par excellence

von Reinhard Rodiger am 25.12.2016 um 12:25 Uhr

Wenn Herr Knieps die Definition über Expertise fordert, so klingt das erstmal gut. Nur ist mir kein Beispiel bekannt, wo die KK bezahlte! Expertise wirklich in der Breite gewollt hätten. Schön, aber all inclusiv.
Ähnlich geschickt ist das Nichtsehenwollen der quantitativen Dimension.Der eigentliche Waffenschrank ist doch gar nicht geöffnet. Da gibt es Kopplung von Beitragsnachlässen an Bezug von bestimmten Anbietern, e-Rezept-bezogene Zuweisungsregeln usw. Das garantiert sprunghaftes Anwachsen der heute noch bedauernswert kleinen Dimension.Man nennt das auch Übernahme der Versorgungskette.Das eigentliche Ziel ist natürlich die Entfernung der eigentlichen Machtbasis-der Logistik.

Wenn Herr Knieps darauf abhebt, dass heilberufliche Dienstleistungen der Weg in die Zukunft sind, so unterschlägt er dabei: Nirgends werden sie bisher ohne Deckelung erbracht, die Hauptschwierigkeit besteht in der Entscheidungsfunktion der KK, schlechter Zahlungsmoral und viele Patienten wollen das gar nicht. Deshalb als alleiniger Bereich nicht tragfähig und völlig der Willkür ausgeliefert.


Wer kann ein Geschäftsmodell gutheissen, bei dem ein Aussaugen und nicht hinreichend verlässlich bezahlen vorprogrammiert ist?

Das errinnert daran, dass man NIE die Quellen verkaufen soll.Aber das ist das Ziel, um endlich alles bestimmen zu können.

Herr Knieps,. das ist ein sehr einsichtiges doch ohne
strukurell veränderte Handlungsweise (Vertrauensbasis ohne Schikanen etc) der KK zerstörerisch. Sie müssten wissen, dass zB die AOK
in den Apotheken lediglich zu kontrollierende ,erpressbare, Rückholertragsspendende Endglieder der Versorgungskette sieht. Heilberufliches kommt da garnicht vor.

Mal ehrlich,Herr Knieps,würden Sie auf das Angebot,die Handlungsbasis aufzugeben, um die Gelegenheit zu bekommen, genügend bezahlte Dienstleistungen zu erbetteln ?

Ich hoffe nur, dass KEINER auf diese falsche Schalmei reinfällt.

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Der Jahrtausend-Deal: Jauchzet und frohlocket, all Ihr Mühseligen und Beladenen!

von Wolfgang Müller am 24.12.2016 um 11:49 Uhr

Knieps schlägt (wie Lauterbach, Dittmar etc. etc.) einen Jahrtausend-Deal vor:

Selbständige Apotheker-Doofis, ihr kriegt anlässlich des EuGH-Urteils jetzt DIREKT den Einstieg in euer "Perspektiv-Papier". Geregelt wird das im günstigerweise sowieso gerade laufenden Gabriel-Honorarreform-Projekt. Ihr analysiert die Verschreibungen der Ärzte, und gestaltet sie mit neuen Befugnissen in Zukunft im Heilberuflichen Netzwerk mit.

Dafür gebt ihr euer Broterwerbs-Basis-Geschäft "Arzneimittel-Einzelhandel" an Groß-Versender und Apothekenketten ab, die von den GKVen als Selektivvertrags-Partner bevorzugt werden. Und die in Zukunft bzgl. Größe und Besitz unlimitiert sind.

Bei den Versendern am Telefon, als "Pflicht-Apotheker" in Ketten-Filialen, bei Managed Care Companies, bei den GKVen, und auch direkt in größeren Arztpraxen/MVZs werden viele von euch erstmal recht gute Anstellungen finden, die euch über den Verlust der Selbständigkeit hinwegtrösten.

Und: "Die Jungen wollen das!"

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Herr Knieps hat Recht

von Gregor Huesmann am 23.12.2016 um 18:55 Uhr

Der Mann hat leider Recht. Wir Apotheker stehen auf der Bremse. Es soll möglichst alles so bleiben wie es ist und war. Unser Alltag ist geprägt von Rabattverträgen, Nichtlieferfähigkeit von wichtigen Arzneimitteln (momentan u.a. Metronidazol 400mg), Regressen ........ Für pharmazeutisches Arbeiten bleibt leider keine Zeit. AMTS wäre ein wichtiges Thema, mit dem wir uns in der Praxis beschäftigen müssten, Medikationsbegleitung und -management etc. Nur leider haben wir das im Studium nicht gelernt. Im Fach klinische Pharmazie in Marburg wird das Thema nur gestreift. Hier die Antwort des verantwortlichen Hochschullehrers auf meine Anfrage nach einem Seminar zu der Thematik (Originalton): "von unserer Seite gibt es keinen speziellen Kurs zu AMTS bzw. Medikationsmanagement. Die Einführung in das Medikationsmanagement läuft immer zu Beginn eines neuen Semesters .... Dies ist aber auch nur eine kurze Einführung, da noch weitere Themen an diesem Nachmittag gelesen werden."
Es wird dringend Zeit, das Studium total umzukrempeln. Wir werden noch immer zu Heizern auf der Elektrolok ausgebildet. Wie soll da die BEK in Westfalen-Lippe auf die Idee kommen, uns in ihr Modellprojekt einzubinden. Wir müssen leider in unserem pharmazeutischen Leben 2 Berufe erlernen: An der Uni den des Pharmazeuten, den wir dann in aller Regel nie mehr benötigen, und wenn wir dann in die Apotheke kommen, müssen wir Apotheker lernen. So sieht das leider aus. Eine echte Kompetenz im Gesundheitswesen haben wir auch nicht. Was dürfen wir denn selber entscheiden? Nichts Wesentliches. Rezeptmäßig muss alles der Arzt entscheiden und absegnen. Und wo bleibt unser Zutun? Telefonnummern ergänzen, dokumentieren u.s.w. - tolle Kompetenz.
Eigentlich müssten wir auf die Barrikaden gehen und nach Reformen und Kompetenz rufen. Aber nein, alles bleibt still. Wir können es nur der Trägheit des Systems verdanken, dass nicht längst PTAs Apotheken leiten dürfen. Können tuen sie das schon lange, schauen sie mal in die Apotheke um die Ecke. Die meisten Arzneimittel in Deutschland werden eh von PTAs abgegeben. Wenn da die Politik hinter kommt ....

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AW: Also bitte!

von Stefan Haydn am 23.12.2016 um 19:17 Uhr

So sehr ich meine PTA's schätze, aber Apothekenleitung?!
Deren Wissensstand und meiner liegen doch Welten auseinander, trotz reger Fortbildungstätigkeit, v.a. bei den Jüngeren.

AW: Herr Knieps hat Recht, ist aber kein Apotheker.

von Christian Timme am 24.12.2016 um 10:36 Uhr

Provokant ... wie immer. Meinungsvielfalt ist das Salz in der Suppe. Konstruktive Kritik sollte man nicht mit "meckern" verwechseln. Reibung erzeugt nicht nur Wärme, passt doch.

AW: PTA als Apothekerersatz

von Norbert Veicht am 24.12.2016 um 10:57 Uhr

Ich verstehe Ihren Frust über die mangelnde Anpassung des Studiums an die modernen Anforderungen.
Aber so schlecht sind wir als Apotheker dann wieder nicht ausgebildet. Ich schätze mich glücklich, sehr motivierte PTAs in meinem Team zu haben, die sich auch sehr eifrig fort- und weiterbilden. Trotzdem sind die Bereiche, in denen ausdrücklich meine Kompetenz oder die meiner Approbierten erforderlich sind, nicht weniger sondern mehr geworden.
Etwas mehr Selbstbewusstein und Stolz auf das was sie wissen sollten auch Sie nach aussen tragen.

Superbezahlter Kassenvorstand

von Schmidt Andreas am 23.12.2016 um 18:33 Uhr

Nur ein Bürokrat der eigentlich einen überflüssigen Job hat (verdient wahrscheinlich mehr als 80% aller Apotheker und muss nicht soviel tun) kann sich so äußern.Ihm würde mal ein Tag in der Apotheke gut tun,inklusive Notdienst) dann wüßte er bestens Bescheid.
Einem Kassenvorstand hätte ich mehr Intellekt zugetraut. Wenn jemand so argumentiert hat er nicht die geringste Ahnung was tag täglich in der Apotheke geleistet wird.
Schlimm, dass solche Theoretiker auf dem Stuhl eines Kassenchefs sitzen.

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Bambussplitter unter den Fingernägeln ...

von Friedemann Ahlmeyer am 23.12.2016 um 15:50 Uhr

wünscht sich also dieser Herr, damit die Apotheker sich in die von ihm gewünschte Richtung bewegen. Ja, unter Folter kann man Menschen zu mancherlei Tun bewegen. Entlarvend, welche Wortwahl Herr Knieps wählt. Aber jetzt mal so unter uns: BKK-Dachverband, GKV-Spitzenverband, Verband der Primärkassen, Verband der Ersatzkassen... es gibt so viele teure, aufgeblähte und unzweckmäßige Wasserköpfe auf Kassenseite. Und diese bestens bezahlten und abgesicherten Bürokraten müssen halt ab und zu einen rauslassen, damit niemand mitbekommt, wie sie sich parasitär von der Versichertengemeinschaft finanzieren lassen. Ganz ehrlich: Solche Leute kann ich nicht ernst nehmen.

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Naja

von Andreas Dömling am 23.12.2016 um 15:31 Uhr

die Zur Rose Group ist auch Mitglied, darf sich jeder seinen Teil dazu denken.

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Lobbyismus in der Endlosschleife ...

von Christian Timme am 23.12.2016 um 15:05 Uhr

Der Mann hat es geschafft einen Job zu bekommen, er kannte die Satzung vor seinem Vertrag. Satzung §2 für Dummies und der Hit Abs. 2 und 3 beinhaltet die vollständige Enttarnung. Danach ist die Mitgliederliste nur noch eine Bestätigung.

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Scherz?

von Anita Peter am 23.12.2016 um 14:06 Uhr

Halten Sie das RX VV in den anderen 21 EU Staaten auch für einen Scherz?
Woher nehmen Sie die Zahl, dass nur 3% der OTC Packungen im Netz bestellt werden?

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