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Chef des BKK-Dachverbands
„Die ABDA steht seit langer Zeit auf der Bremse“
Die ABDA trat kürzlich aus Protest aus dem Bundesverband Managed Care aus: Dieser hatte das EuGH-Urteil als positiv für Apotheker darstellt. Dessen Vorstand Franz Knieps bekräftigt im Interview mit DAZ.online diese Haltung und kritisiert die ABDA. Gleichzeitig hält er das Rabatt-Verbot für EU-Versender weiter für sinnvoll.
„Ist der Apotheker der eigentliche Gewinner?“, fragte eine Pressemitteilung des Bundesverbands Managed Care (BMC) zum EuGH-Urteil suggestiv. Dem Verein gehören Pharmafirmen, Krankenkassen, Gesundheitsdienstleister oder Verbände von Heilberuflern an – und die ABDA. Noch, denn aus Protest gegen die Pressemitteilung kündigte sie zwischenzeitlich außerordentlich. Der BMC hatte beispielsweise auch die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes gefordert – und „neue Wettbewerbsparameter“ im Apothekenmarkt.
Der langjährige Abteilungsleiter beim
Bundesgesundheitsministerium (BMG) Franz Knieps ist nun Mitglied im Vorstand des BMC –
und Vorsitzender des BKK-Dachverbands.
DAZ.online fragte bei ihm nach, inwiefern Apotheker seiner Ansicht nach vom
Urteil des Europäischen Gerichtshofs profitieren können.
DAZ.online: Herr Knieps, der BMC veröffentlichte im November
eine Presseerklärung, nach der die Apotheker die eigentlichen Gewinner des
EuGH-Urteils seien. Wie sehen Sie das?
Franz Knieps: Noch kann man das überhaupt nicht sagen, ob es Gewinner oder Verlierer gibt. Das Urteil ist auch für Apotheker eine große Chance, ganz klar: Man muss sich überlegen, wofür Apotheker bezahlt werden sollen – nur für Verkäufertätigkeiten und Logistiktätigkeiten? Ich bin ja seit langem der Meinung, ein Heilberuf kann sich nicht über Produkte definieren, sondern muss sich definieren über die Expertise, die er als Heilberuf einbringt. Dann muss man darüber nachdenken, was das bedeutet.
DAZ.online: Die Berufsvertretungen der Apotheker setzen Ihrer Meinung nach also die falschen Akzente?
Knieps: Nach meinen acht Jahren im BMG habe ich den Eindruck, dass die ABDA da seit langer Zeit auf der Bremse steht: Sie will zusätzlich etwas bezahlt haben, aber keine generelle Umstellung der Bezahlung. Das ist ein bisschen schwer zu verstehen. Aber es ist fast auch normal: In Zeiten, wo es wirtschaftlich gut läuft, ist keiner bereit, irgendwas zu ändern. Veränderungen passieren immer dann, wenn der politische Druck die Bambusspitzen unter die Fingernägel treibt. Und diese Situation haben wir jetzt nicht.
DAZ.online: Also liegt die ABDA aus Ihrer Sicht falsch, wenn sie vor „Gefahren für das Gesundheitssystem“ warnt und das Rx-Versandverbot von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe fordert?
Knieps: Herr Gröhe steht prototypisch dafür, dass Ruhe die erste Bürgerpflicht im Gesundheitswesen ist. Das ist der Auftrag, den er von seiner Kanzlerin hat und den erfüllt er. Aber wenn die Apotheker bei jeder Sache immer sagen, dass die Welt untergeht, dann ist das beim dritten Mal unglaubwürdig. Angstszenarien werden immer wieder gegen Dinge, die man nicht haben will, in Stellung gebracht. Das ist typisch ABDA. Das geforderte Verbot des Rx-Versandhandels halte ich für einen schlechten Scherz. Das EuGH-Urteil hat ganz deutlich gezeigt, dass man mit Verboten nicht weit kommt. Der Vertriebsweg durch die Apotheke um die Ecke ist ein Vertriebsweg, aber es hat sich in praktisch allen Bereichen auch der Versandhandel etabliert. Das Gesetz hat Herr Gröhe aus der Hüfte geschossen – seine Staatssekretäre rudern ja auch zurück. Ich glaube nicht, dass das Versandhandelsverbot kommt.
DocMorris hält sich wie oft nicht an die Bestimmungen
DAZ.online: Kommen Vor-Ort-Apotheker Ihrer Meinung nach nicht in Bedrängnis, wenn Chroniker auf dem Lande ihre Arzneimittel nicht mehr bei ihnen beziehen, sondern bei Versandapotheken mit Rabatten?
Knieps: Ich sehe einfach nicht die quantitative Dimension, die für eine solche Gefährdung ausschlaggebend wäre. Wenn ich es richtig sehe, liegt der Rx-Packungsanteil der Versandapotheken bei unter 1 Prozent, im Bereich OTC bei 3 Prozent – das sind ja keine Größen, die eine Apotheke in Existenznot bringen könnte.
DAZ.online: Seit dem EuGH-Urteil bietet beispielsweise DocMorris wieder Rx-Boni an. Im Rahmenvertrag steht aber eigentlich, dass Rx-Boni untersagt sind…
Knieps: Der Rahmenvertrag verbietet die Rabatte ja eigentlich, aber DocMorris hält sich als Provokateur wie oft nicht an die Bestimmungen. Auch ausländische Versandapotheken haben ja von sich aus beantragt, in den deutschen Rahmenvertrag zu kommen – damit unterwerfen sie sich den deutschen Bedingungen. Ein weiteres Verbot von solchen Rabatten wäre sinnvoll.
DAZ.online: Einige Kassen fordern, dass die Boni an sie weitergeleitet werden, weil Versicherte im Solidaritätsprinzip nicht persönlich profitieren dürfen. Was denken Sie darüber?
Knieps: Insbesondere wenn die Boni über die Zuzahlungen hinausgehen, habe ich ein Problem damit: Dann zahle ich als Kasse ein teures Arzneimittel, für das auch von der Zuzahlung befreite Menschen einen Bonus bekommen. Derartige Fallkonstellationen halte ich für hochproblematisch – das ist nicht der Sinn der gesetzlichen Krankenversicherung.
DAZ.online: Und wie sollen die Boni an die Kassen weitergeleitet werden?
Knieps: Wir könnten uns Preisvereinbarungen vorstellen mit Versandapotheken. Aber das ist im BKK System bisher nicht erfolgt. Man muss auch beachten, dass die Gelder ja nicht den Kassen verloren gehen – sondern dem Apotheker, der einen solchen Bonus zahlt.
Der EuGH ist kein Motor der Sozialunion
DAZ.online: Mit der BMC-Presseerklärung haben Sie sich gegen das Mehrbesitzverbot gewandt. Warum?
Knieps: Für mich ist die Frage, ob diese Regulierung zeitgemäß ist. Ich bin auch gerne bereit, darüber zu diskutieren – ich will auch nicht, dass sich drei Ketten den Markt aufteilen. Aber eine Regulierung, die ein Verbot beinhaltet, muss sich permanent legitimieren. Und diejenigen, die diese Regulierung wollen, müssen sagen, warum sie sie wollen – und ob sie sich bewährt hat. Und da halte ich eine Debatte für sinnvoll.
DAZ.online: Inwiefern waren Sie von der Entscheidung des EuGH überrascht?
Knieps: Ich habe das Urteil schon seit langem erwartet. Der EuGH hatte sich ja 2003 mit einer ähnlichen Frage beschäftigt, das ist damals äußerst merkwürdig gelaufen. Die frühere Entscheidung passte überhaupt nicht in die sonstige Linie des EuGH – denn dieser ist ein Motor von wirtschaftlichen Freiheiten, nicht so sehr ein Motor der Sozialunion.
DAZ.online: Aber sind Fragen aus dem Gesundheitsbereich nicht eigentlich Sache der Mitgliedsländer?
Knieps: Ja, aber das Gesundheitsrecht wird zunehmend zum Wirtschaftsverwaltungsrecht. Da wo Wettbewerb herrscht, da regiert der EuGH rein, und die Europäische Union reguliert. Das gilt für alle Bereiche: Für wettbewerbliches Handeln der Kassen, für Strukturen der ärztlichen Versorgung. Geschützt sind sie vor dem EuGH eigentlich nur, wenn sie rein staatlich sind. Die Selbstverwaltung liegt in einem Zwischenbereich. Sobald die Stoßrichtung auf den Markt und den weiterführenden Wettbewerb zielt, sind sie mit der europäischen Regulierung konfrontiert und auch mit der europäischen Rechtsprechung. So wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass mal eine Klage gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss kommt.
11 Kommentare
Irreführung par excellence
von Reinhard Rodiger am 25.12.2016 um 12:25 Uhr
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Der Jahrtausend-Deal: Jauchzet und frohlocket, all Ihr Mühseligen und Beladenen!
von Wolfgang Müller am 24.12.2016 um 11:49 Uhr
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Herr Knieps hat Recht
von Gregor Huesmann am 23.12.2016 um 18:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Also bitte!
von Stefan Haydn am 23.12.2016 um 19:17 Uhr
AW: Herr Knieps hat Recht, ist aber kein Apotheker.
von Christian Timme am 24.12.2016 um 10:36 Uhr
AW: PTA als Apothekerersatz
von Norbert Veicht am 24.12.2016 um 10:57 Uhr
Superbezahlter Kassenvorstand
von Schmidt Andreas am 23.12.2016 um 18:33 Uhr
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Bambussplitter unter den Fingernägeln ...
von Friedemann Ahlmeyer am 23.12.2016 um 15:50 Uhr
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Naja
von Andreas Dömling am 23.12.2016 um 15:31 Uhr
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Lobbyismus in der Endlosschleife ...
von Christian Timme am 23.12.2016 um 15:05 Uhr
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Scherz?
von Anita Peter am 23.12.2016 um 14:06 Uhr
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