Rx-Boni, Versandhandel, Apothekenhonorar

ABDA schießt gegen „naive“ SPD

Berlin - 17.02.2017, 14:05 Uhr

Friedemann Schmidt ist sauer: Die ABDA spricht sich vehement gegen den von der SPD vorgelegten Lösungsvorschlag zum Versandhandel und zum Apothekenhonorar aus. Die Grünen klatschen Beifall. (Foto: Schelbert)

Friedemann Schmidt ist sauer: Die ABDA spricht sich vehement gegen den von der SPD vorgelegten Lösungsvorschlag zum Versandhandel und zum Apothekenhonorar aus. Die Grünen klatschen Beifall. (Foto: Schelbert)


Die ABDA verschärft in der Debatte um den Arzneimittel-Versandhandel den Ton und spricht sich vehement gegen einen Vorschlag aus der SPD-Bundestagsfraktion aus. Die SPD-Gesundheitspolitiker Sabine Dittmar und Edgar Franke hatten am gestrigen Donnerstag vorgeschlagen, den Rx-Versand beizubehalten und Rx-Boni bis zur Bagatellgrenze zu erlauben. Die ABDA bezeichnet diese Idee als „Scheinlösung“.

Am gestrigen Donnerstagabend hatten Dittmar und Franke erstmals einen konkreten Vorschlag präsentiert, wie sie mit dem Konflikt um den Arzneimittel-Versandhandel umgehen wollen. Seit Monaten widerspricht die SPD-Bundestagsfraktion in dieser Frage der Union, die kurz nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung ein striktes Rx-Versandverbot gefordert hatte. Kompromissvorschläge waren aus den Reihen der SPD bislang ausgeblieben – bis Dittmar und Franke gestern ihre Lösung präsentierten.

Den beiden Sozialdemokraten zufolge soll der Rx-Versandhandel grundsätzlich erhalten bleiben. Dittmar und Franke bezeichnen das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Rx-Versandverbot als europa- und verfassungsrechtlich bedenklich und glauben zudem nicht, dass es in dieser Legislaturperiode noch umsetzbar ist. Vielmehr fordern sie, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel auch weiterhin verschickt werden dürfen und dass alle Apotheker Rx-Boni bis zu einer Bagatellgrenze von 1 Euro gewähren können. In einer Testphase von zwei Jahren sollen sich Experten zudem um eine Umstellung des Apothekenhonorars kümmern.

Die ABDA protestiert heftig gegen diesen Vorschlag. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt nannte das Vorgehen der beiden Gesundheitsexperten Dittmar und Franke einen „einsamen Vorstoß“. Er tauge überhaupt nicht zur Lösung der Probleme, die durch das EuGH-Urteil entstanden seien. „Die Beiden bestätigen zwar, dass inakzeptable Wettbewerbsvorteile für ausländische Versandapotheken geschaffen wurden und Handlungsbedarf besteht. Aber die richtigen Konsequenzen ziehen sie trotzdem nicht. Stattdessen wird eine Scheinlösung präsentiert, mit der man sich offensichtlich über das Ende der Wahlperiode retten will.“

ABDA: SPD hat zu wenig Mut

So wie die SPD die Lösungsvorschläge von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und der ABDA als rechtswidrig bezeichnet, erklärt nun auch die ABDA, dass die Idee der Sozialdemokraten „europarechtlich nicht zu halten“ sei. Denn: „Der EuGH hat doch die Geltung der Festpreise für ausländische Versender verneint. Es ist naiv zu glauben, man könne sie einfach über eine Paragrafenänderung im SGB V wieder einführen. Zweitens würde auch die Begrenzung der Boni nichts daran ändern, dass ein destruktiver Preiswettbewerb entsteht, Krankenkassen ihre Versicherten zu Versendern dirigieren und viele Apotheken vor Ort auf der Strecke bleiben.“

Aus Sicht der ABDA fehlt es der SPD an Mut, „eine saubere Lösung zu unterstützen und den Weg des Gesundheitsministeriums hin zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneien mitzugehen“. Nochmals weist die ABDA darauf hin, dass das Rx-Versandverbot aus ihrer Sicht europarechtlich in Ordnung ist. Schließlich gelte es in 21 EU-Mitgliedsstaaten. Dass das Verbot rein zeitlich on dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich ist, weist die ABDA auch von sich: „Die Behauptung von Dittmar und Franke, die Notifizierungsfristen bei der EU würden die Verabschiedung eines Verbotes vor Ende der Legislaturperiode nicht mehr erlauben, ist falsch. Wenn die SPD nicht länger blockiert, kann der Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause durch den Bundestag gehen. Die Verabschiedung im Bundesrat und die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten können auch später erfolgen.“

Zur Erklärung: Das Rx-Versandverbot ist ein Gesetzesvorhaben, dass in der EU ein sogenanntes Notifizierungsverfahren nach sich zieht. Allen Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission wird im Rahmen dieses Verfahrens die Möglichkeit gegeben, gegen das Rx-Versandverbot zu protestieren. Weil im Falles des Verbotes der Einspruch aus mindestens einem Mitgliedsstaat wahrscheinlich ist, könnte sich das Verfahren bis zu sechs Monate hinziehen. Die Kritiker des Rx-Versandverbotes sind der Ansicht, dass der Bundestag das Verbot in dieser Periode nicht behandeln und beschließen darf. Offensichtlich ist die ABDA anderer Meinung und weist – wie oben beschrieben – darauf hin, dass aus ihrer Sicht zunächst der Bundestag beschließen kann. Sobald das Gesetz notifiziert ist, sollen nach den Vorstellungen der ABDA der Bundesrat zustimmen und anschließend der Bundespräsident unterschreiben.

Grüne: Versandverbot wirft einen Schatten auf Gröhe

Bei der Grünen-Fraktion im Bundestag hingegen kam die Idee der SPD-Politiker Franke und Dittmar hingegen sehr gut an. In einer Mitteilung erklärte Kordula Schulz-Asche, die bei den Grünen für das Thema Arzneimittel zuständig ist, dass der Vorschlag ein „Sieg der Vernunft“ werden könne. Schulz-Asche hatte sich ähnlich wie die SPD-Politiker dafür stark gemacht, den Versandhandel unverändert beizubehalten und zeitgleich das Apothekenhonorar so umzustellen, dass Beratungsleistungen besser vergütet werden.

Schulz-Asche erklärte: „Das auch von uns favorisierte Vorgehen beseitigt die mit dem Urteil des EuGH hervorgerufene Benachteiligung einheimischer Apotheken gegenüber ausländischen Versandapotheken unverzüglich und bietet Leitplanken für einen reglementierten Preiswettbewerb. Außerdem bietet er die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation der Apotheken empirisch zu erfassen und adäquate Lösungen für die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung der Zukunft auf den Weg zu bringen. Damit kann der Fokus der Politik endlich wieder auf die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten gelegt werden.“

Außerdem kritisiert die Grünen-Politikerin das Vorgehen von Gröhe scharf: „Der Vorschlag beendet den von Gesundheitsminister Gröhe gestarteten Irrläufer, Politik einseitig aus Lobbyinteressen zu gestalten. Dass einzelne Kolleginnen und Kollegen aus der Großen Koalition nun am Minister vorbei einen Vorschlag zum Wohle der Patientinnen und Patienten bringen müssen, wirft einen großen Schatten auf die Amtszeit von Bundesminister Gröhe.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Lobby?

von Tilmann Schöll am 18.02.2017 um 10:45 Uhr

Es ist ein starkes Stück, das Patienteninteresse als "einseitige Lobbyinteresse" abzutun, Frau Schulz-Asche! Mein über 80 Jahre alter Vater hätte massiv Probleme, seine Arzneimittel beim Versandhandel zu bekommen. Und was, wenn dann 3 oder 4 Apotheken im Umkreis dichtmachen müssen?
Sollte das RX-Versandhandelsverbot nicht kommen, muss (auch nach SPD-Meinung) Kompensation für vor-Ort-Apotheken her. Das kann nur bedeuten, dass Gemeinwohlpflichten (TFG, Import, Notfalldepot, Mindestlagerhaltung für 1 Woche, FAM-Prüfung,...) nach rein betriebswirtschaftlichen Maßstäben bewertet und vergütet werden müssen. Da bin ich mal gespannt, wie die Sie von der SPD und den Grünen diese Beitragssteigerungen Ihren Wählern erklären wollen. Mit Floskeln wie "passt nicht in die Zeit" hat man das Problem weder gelöst noch Argumente entkräftet. Bisher kam von Verbots-Ablehener-Seite kein noch so kleiner sinnvoller Vorschlag, der die Qualität der bisherigen Versorgung auch nur annähernd sichert.

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Grünendämmerung

von Reinhard Rodiger am 18.02.2017 um 0:44 Uhr

Erst zu empirischen Zwecken eliminieren,schafft Raum für weitere Anpassungen.Es geht wohl nicht um den Sinn, sondern
um Anbiedern bei denen, mit denen zusammen die Büchse der Pandora weiter geöffnet wurde.Aus rot-grün-Deregulierung haben beide offenkundig nichts gelernt.Es ist kein Konzept, Friedhöfe als Sponsor für die Zukunft zu installieren.

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SPD - die Partei des Heuschreckenkapitals

von Pierre Roer am 17.02.2017 um 19:51 Uhr

Mit dem neuen Mann an der Spitze ist das erklärte Wahlkampfthema der SPD die "soziale Gerechtigkeit", was die SPD ja auch gerne als "Kernkompetenz" reklamiert.
Da wäre es politisch klug darauf hinzuweisen, wer der Versandhandel ist (Heuschreckenkapital im Ausland) und wem ein Verbot nutzt (150.000 Arbeitskräfte im Inland vom Approbierten bis zum Reinigskraft).

Warum, liebe SPD, macht Ihr Euch zum Erfüllungsgehilfen für das ausländische Heuschreckenkapital? Habt Ihr ein vielleicht ein bißchen was abbekommen ...?

Wenn es gelingen würde, diesen Sachverhalt öffentlich zu machen, dann könnte die Stimmung in der SPD kippen...

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ABDA schießt gegen naive SPD

von Lutz Engelen am 17.02.2017 um 18:59 Uhr

Die Begrenzung von Boni ist europarechtlich nicht zulässig, da es einen Eingriff in den freien Warenverkehrs bedeuten würde, so die Meinung der uns beratenden Juristen . Es gibt tatsächlich nur eine Lösung , das grundsätzliche Verbot des Versandhandels mit RX Arneimitteln .

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Demaskierung der Verzögerer & Besorgten ...

von Christian Timme am 17.02.2017 um 17:42 Uhr

Von Lug & Lücke komm ich her. Wenn Politik zum Selbstzweck verkommt und sogenannte Politiker Farbe bekennen müssen und nicht mehr wissen was das ist. Das wahre "Pack" sitzt in Berlin, spielt mit der "Volksgesundheit" herum und das schon viel zu lange ...

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Solange ....

von gabriela aures am 17.02.2017 um 16:38 Uhr

...Biggi Bender, immer noch Grüne, sich als Tischdame der Versandapotheker verdingt - Ende November in Berlin bei der Diskussion der Grünen themself und kürzlich beim edlen Essen mit dem BVDVA in Berlin in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Parlamentarische_Gesellschaft)- sollten die Grünen sich mit solchen"Lobby"-Vorwürfen mal genauso zurückhalten wie bisher mit eigenen Vorschlägen !

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RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 17.02.2017 um 15:15 Uhr

Hinhaltetaktik.... nicht mehr und nicht weniger..SPD eben..

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