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Die SPD will Rx-Versandhandel mit 1-Euro-Bonus und die Apothekenhonorare überprüfen, die Grünen klatschen Beifall, sägen am Apotheken-Ast und bringen Zweig-Apotheken ins Spiel. Aber der Bundesgesundheitsminister bleibt eisern und schickt seinen Entwurf in die Ministerien. Werden sie zustimmen? Werden sie zicken? Die Zeit läuft. Spannender als ein Tatort-Krimi!
13. Februar 2017
Die Woche beginnt mit einem Knaller. Deutsche Parkinson
Vereinigung (dpv) und ABDA wollen kooperieren! Die dpv ist die
Patientenvereinigung, die mit DocMorris vereinbart hatte, dass ihre Mitglieder
bei Einreichung eines Rezepts satte Boni einstreichen können. Wegen dieses
Deals hatte die Wettbewerbszentrale geklagt (Verstoß gegen
Arzneimittelpreisrecht). Was uns dieser Streit einbrockte, kennen wir: DAS
EuGH-Urteil – ausländische Versender dürfen Rx-Boni geben. Und jetzt? Sorry,
liebe Apothekers in Deutschland, tönt es reumütig beim dpv, war nicht so
gemeint, eigentlich wollen wir viel lieber mit euch, weil‘ s viel besser vor
Ort geht: Schluss mit der DocMo-Liaison und ab jetzt Betreuung durch Vor-Ort-Apotheken.
Mein liebes Tagebuch, na supi! Mit eingefädelt haben die Annäherung zwischen
dpv und ABDA die Parkinson-spezialisierten Apotheker Olaf Rose und Sabine Schröder.
Eine treibende Rolle spielte auch die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit ihrer
Präsidentin Gabriele Overwiening. Sie hatte immer noch den Kontakt zur dpv
gesucht, richtete die
Zertifikatsfortbildung für Apotheker zum Thema Medikationsmanagement für
Parkinson-Patienten ein (war sofort ausgebucht, obwohl man nicht wusste, wie
das Gerichtsverfahren ausgehen würde) und vermittelte zwischen dpv und ABDA.
Das Ergebnis: Parkinson-Patienten kehren zur Vor-Ort-Apotheke zurück und werden
dort optimal betreut. Und verzichten (hoffentlich) auf das Boni-Getöns. Toll
gemacht von Overwiening und Co.! Bleibt nur die Frage, warum sich die ABDA in
Berlin nicht schon früher um die dpv bemühte – damals, als alles anfing!
Hatte die ABDA das nicht auf Ihrem Radar? Auf diese Antwort sind wir gespannt.
Mein liebes Tagebuch, vermutlich hätte es kein EuGH-Urteil gegeben.
Ist das nicht herzig vom GKV-Spitzenverband? Er will
DocMorris nicht bestrafen für seine Boni-Gewährung. Der Päckchenschicker an der
holländischen Grenze soll auch weiterhin zu Lasten der GKV abrechnen dürfen.
Auch wenn’s so nicht im Rahmenvertrag steht. Aber was soll’s, sagt der große
Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband, wir können doch nicht etwas
verbieten, was der EuGH ausdrücklich will! Mein liebes Tagebuch, da sehe ich
doch das herzzerreißende Bild vor mir: Magnus nimmt den kleinen, schluchzenden
Max auf seinen Schoß, fährt ihm liebevoll durchs Haar und tröstet ihn: Keine
Sorge, du armer kleiner Versender, uns soll nichts trennen. Lass uns lieber
gleich noch ein Verträgle machen!
Und jetzt kommt noch die Herz-Schmerz-Masche der Versender: Wir brauchen Rx-Versand, damit die Spezialversender Arzneimittel gegen seltene Krankheiten liefern können. Mit rührenden Briefen von chronische kranken Patienten, die Spezialarzneimittel benötigen, sollen die Politiker weich geklopft werden. Mein liebes Tagebuch, solche Spezialarzneimittel können mehr Apotheken vor Ort herstellen als man denkt. Außerdem könnte man sich auch Ausnahmeregelungen für den Versand vorstellen. Also: Diese Argumente laufen ins Leere.
14. Februar 2014
Europa – wie es Euch gefällt! Mein liebes Tagebuch, die Österreicher und andere Nachbarstaaten beschweren sich über die Maut: Das ist Inländerdiskriminierung, wenn sie zahlen müssen und die Deutschen über niedrigere Kfz-Steuern entlastet werden. Und aus Europa kommt Verständnis: Das geht gar nicht, mit der Maut wird’s so nichts. Und wie sieht es beim EuGH-Urteil aus? Die deutschen Apotheken müssen sich an die Arzneimittelpreisverordnung halten, die ausländischen Versender aber nicht. Ist das keine Inländerdiskriminierung? Eine Beschränkung des Versands auf OTC könnte das Problem aus der Welt schaffen – und Europa ziert sich. Wer versteht das?
15. Februar 2017
Auch der Kooperationsapothekerverband BVDAK kämpft dafür, den Versand auf OTC zu beschränken. Für BVDAK-Chef Stefan Hartmann steht fest, dass die Vor-Ort-Apotheke, auch wenn sie sich einer Kooperation angeschlossen hat, den Preiswettbewerb gegen Versender, die Boni gewähren, nicht gewinnen kann. Was auf dem „Kooperationsgipfel“ auch zu hören war: Der Kooperationsmarkt stagniert. Drei Viertel der Apotheken kooperieren in rund 40 verschiedenen Clubs, die meisten Apotheker allerdings wollen sich nicht so ganz an ihre Kooperation binden, ihr Bindungsgrad ist eher der „einer geplanten Verlobung als einer dauerhaften ernsten Beziehung“.
Die Grünen in Berlin scheinen die ausländischen Großversender zu lieben! Sie suchen jetzt händeringend nach Argumenten für den Erhalt des Rx-Versands. Die neueste Strategie von Kordula Schulz-Asche: Die Grünen-Fraktion meint, die Begründung der Regierung, dass ein Rx-Versand die Apotheken auf dem Land wegfegt und dann die Versorgung dort nicht mehr sichergestellt sei, laufe ins Leere. Denn: Apotheker dürften doch kleine Zweig-Apos auf dem Land eröffnen, notfalls dürfte das sogar eine Gemeinde. Und somit wäre die Versorgung auf dem Land gesichert. Schulz-Asche will nun von der Bundesregierung wissen, ob es schon solche „Gemeinde-Apotheken“ gibt. Mein liebes Tagebuch, tricky Kordula, was sie sich nicht alles für ihren geliebten Versandhandel einfallen lässt! Die grüne Apothekenzukunft: Dicker Versand aus Holland mit Dumping-Preisen, ein paar große Stadtapotheken mit Filialen, die im Preiskampf gerade so überleben, und ein Netz von kleinen Zweigapotheken ohne Labor auf dem Land. Grüne? Nein Danke!
Keine alternative Fakten, keine Fake News, sondern Realität: Der Trend der Apothekenschließungen hält an. Pro 100.000 Einwohner gibt es nur noch 24 Apotheken (unter EU-Durchschnitt, der bei 31 Apotheken pro 100.000 Einwohner liegt!). Deutschland hat nur noch 20.000 Apotheken.
16. Februar 2017
„Die Preisbindung bei Arzneimitteln wird fallen, das weiß jeder, der sich damit befasst“, zeigt sich Apothekerprovokateur Gerd Glaeske überzeugt und rät: „Statt Preisbindung lieber Kundenbindung.“ Mein liebes Tagebuch, nicht statt, sondern beides ist das Optimum für den Patienten: Preisbindung und Kundenbindung. Und, lieber Herr Glaeske, wenn Sie in der neuen ZDF-Sendung die Apotheker vertreten, dann bitte richtig: Die meisten Apotheken machen einen verdammt guten Job! Sagen Sie mal: Danke, Apotheke!
Und wie geht’s jetzt mit dem Rx-Versandverbot weiter? Rechtsanwalt Morton Douglas sieht die Zeit für eine Gesetzesänderung weglaufen. Alles, was nicht bis Ende März ins Gesetzgebungsverfahren eingeleitet ist, wird nicht mehr in dieser Legislaturperiode abgeschlossen. Dann heißt es nach der Wahl: Alles von vorne, Ausgang offen. Mein liebes Tagebuch, schaffen es Gröhe und Co, die SPD mit ins Boot zu holen? Solange nichts geregelt ist, geben die in den Niederlanden sitzenden Päckchenversender munter Boni und Rabatte und legen vermutlich noch eine Tulpe bei. Douglas wies auch auf einen interessanten Aspekt hin: Was wäre, wenn ein in den Niederlanden an der Grenze sitzender Großhändler nach Deutschland liefert? Gilt für ihn die Arzneimittelpreisverordnung? Darf er mehr als 3,15 % Rabatt geben?
17. Februar 2017
Fritz Oesterle ist wieder „online“. Der Ex-Celesio-Chef, der Ketten wollte und einst DocMorris kaufte, ist jetzt über mehrere Ecken beim Großhändler AEP dabei. Der Rechtsanwalt ist über die Adhuc AG (nicht Adhoc!) Anteilshaber der Holding, die die AEP kontrolliert. Haupttätigkeit der Adhuc AG ist Erwerb und Verwaltung von Immobilien und die Beteiligung an anderen Unternehmen. Okay, bei AEP sind weitaus größere Anteilshaber dabei, aber, immerhin, die Adhuc AG kontrolliert rund fünf Prozent der AEP. Und damit sitzt der Ex-Celesio-Manager in den Gesellschafter-Sitzungen. Die AEP-Geschäftsführer wissen um Oesterles Ruf und wiegeln ab: Sein Einfluss auf die AEP sei Null. Tja, man kann sich seine Chefs nicht immer aussuchen.
Die SPD will kein Rx-Versandverbot: Sie windet sich wie ein Aal. Bloß nicht klein beigeben und Gröhe zustimmen. Der neueste Versuch: Rx-Boni übers Sozialrecht für zwei Jahre verbieten (Ausnahme Werbegaben und Zuwendungen bis zu einem Euro) und den Versandhandel beibehalten, danach eine Umstellung des Apothekenhonorars prüfen. Das soll laut SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar ein rechtssicherer Kompromiss sein und für gleichlange Spieße im Wettbewerb mit Versandapotheken sorgen.
Und sie schiebt ‘ne kleine Warnung hinten nach: Wegen des Notifizierungsverfahrens würde ein Versandverbot ohnehin nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können und damit gäbe es erstmal kein Versandverbot. Und im Subtext klingt unausgesprochen mit: Also ihr Apothekers, wenn ihr nicht für unseren Kompromiss seid, gibt’s erstmal gar nichts, dann könnt ihr lange warten. Und die Grüne Kordula Schulz-Asche ist begeistert und klatscht Beifall: Der Vorschlag könnte ein Sieg der Vernunft werden, meint sie. Mein liebes Tagebuch, was Grüne als vernünftig einschätzen, ist hinreichend bekannt. Ganz schön heftig, welcher Druck da von der SPD aufgebaut wird: Weiterhin Rx-Versand, zwei Jahre maximal 1 Euro Bonus und dann „schau‘n mer mal“, was wir mit eurem Honorar machen können. Die Grundlage für die Honorarüberlegungen soll das Gutachten sein, das zurzeit läuft. Oh die SPD, im Vollrausch für Martin Schulz verliert sie jedes Augenmaß. Wer will da noch glauben, dass wir danach in etwa so dastehen wie heute geschweige denn besser? Für wie naiv hält sie die Apotheker? Glaubt sie wirklich, man könnte Boni auf einen Euro begrenzen? Never! DocMorris gibt einfach zwei oder drei oder mehr Euro und ließe sich wieder verklagen. Wie das ausgeht, kennen wir. Und wenn die zwei Jahre vorüber wären, entstünde sowieso ein entfesselter Boni-Tornado, den keine Apotheke lange durchsteht. Und unser Honorar saust in den Keller. Wenn die SPD nicht blockieren würde, wäre das Gröhe-Gesetz schon längst auf dem Weg! So sieht’s aus. Die ABDA bleibt hart: Sie hält den SPD-Vorschlag für eine Scheinlösung. Es ist genau der SPD-Vorschlag, der europarechtlich nicht haltbar ist. Genau!
Und auch der Bundesgesundheitsminister Gröhe bleibt hart: Der läutet den nächsten Schritt im Gesetzgebungsverfahren ein und schickt seinen überarbeiteten Gesetzesentwurf für ein Rx-Versandverbot in die Ressortabstimmung, an die verschiedenen Ministerien. Spannend werden vor allem die Äußerungen des Wirtschaftsministeriums und des Justizministeriums, die beide in SPD-Hand sind. Gehen Sie jetzt mit oder zicken sie? Erst wenn sie den Entwurf abnicken, kann er ins EU-Notifizierungsverfahren gehen. Wird eng, aber nichts ist unmöglich.
10 Kommentare
Zukunft mit dem " Messias"?
von Heiko Barz am 20.02.2017 um 18:34 Uhr
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Apothekenfeinde...
von Reinhard Rodiger am 19.02.2017 um 19:29 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: Apothekenfeinde mit Spaßfaktor ...
von Christian Timme am 19.02.2017 um 22:11 Uhr
AW: Apothekenfeinde mit Spaßfaktor
von Reinhard Rodiger am 20.02.2017 um 0:19 Uhr
AW: Selbstgemachte Apothekenfeinde?
von Christian Timme am 20.02.2017 um 11:05 Uhr
AW: Apothekenfeinde
von Christian Giese am 20.02.2017 um 15:47 Uhr
Alles nur Demokratie oder von der Ethik der Gutgläubigkeit zum Wohlstand der Konzerne
von Bernd Jas am 19.02.2017 um 11:52 Uhr
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Politik läuft langsam zur "Höchstform" auf ...
von Christian Timme am 19.02.2017 um 9:14 Uhr
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Zahlen entscheiden
von Ulrich Ströh am 19.02.2017 um 7:57 Uhr
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AW: GKV-Spitzenverband, AOK-Bundesverband, AOK NordWest, MGEPA NRW
von Gunnar Müller, Detmold am 19.02.2017 um 15:12 Uhr
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