Inkontinenzprodukte im Praxistest

Billig knistert und läuft aus

Stuttgart - 22.02.2017, 14:30 Uhr

Was die Kasse zahlt, taugt nichts. Viele Betroffene zahlen daher freiwillig in der Apotheke oder anderen Versorgern drauf. (Foto: tibanna79 / Fotolia)

Was die Kasse zahlt, taugt nichts. Viele Betroffene zahlen daher freiwillig in der Apotheke oder anderen Versorgern drauf. (Foto: tibanna79 / Fotolia)


Bei den Windeln ist teuer besser

Bei den Windelslips gilt klar: Die Teuren sind im Test die Besten. So konnten bei den Testern die Windeln von Hartmann (Molicare Premium Slip Super  Plus L)  und Tena (Slip Super Large) punkten. Sie kosten allerdings mit 1,18 Euro bzw. 1,13 Euro pro Stück auch doppelt so viel wie das günstigste Produkt im Test – das von Unizell (Medicare Easy S Large), wurden aber durchweg mit „gut“ bewertet. Die Windeln von Param (Slips Premium), Nona (Slip), Abena (Delta Form) und Unizell  (Medicare Easy S) hinterließen immer ein nasses Gefühl, bemängelten die Patienten. Zwei davon, Nona und Unizell, liefen zudem zu allem Überfluss noch aus. Und nicht nur die Funktion war unzureichend. Kritik gab es auch bei den Verschlüssen. So riss beispielsweise die Folie. Daher gab es für diese vier nur die Gesamtnote „ausreichend“. Alle vier sind Hilfsmittel, die von den Kassen erstattet werden.

Durchweg die besten Noten gab es für Pants. Sie werden allerdings nur im Ausnahmefall von den Kassen erstattet. „Schade“, findet das Stiftung Warentest, denn die Anwender seien zufrieden gewesen. Sie haben sich sicher gefühlt, heißt es. Getestet wurden hier drei der so genannten Pull-Ons: Tena Pants Plus, Hartman MoliCare Mobile ideal fit und Seni Active. Sie kosten zwischen 1,09 Euro (Seni) und 1,46 Euro (Hartmann) pro Stück. Die Tena Pants liegen mit einem Stückpreis von 1,28 in der Mitte, die die Versicherten in der Regel aus eigener Tasche bezahlen.

Warum ist auf so viele Produkte kein Verlass?

Stiftung Warentest thematisiert auch die aktuelle Lage. Wie viel die Kasse bezahlt, sei unterschiedlich. So sind es bei der Techniker Krankenkasse pauschal 18,45 Euro im Monat und damit 8 Euro weniger als früher, heißt es. Warum? Qualität sei mittlerweile auch für einen geringeren Preis zu haben, wird eine Sprecherin der Kasse zitiert. Produkte von manchen Firmen seien aber schlicht zu teuer. Andere Kassen zahlen mehr. So gibt es bei der AOK plus 24 Euro monatlich. Barmer-Versicherte hingegen bekommen noch weniger – 16,66 Euro. Die Betroffenen kommen ebenfalls zu Wort, viele zahlen aus freien Stücken drauf – für die Lebensqualität. Wer unzufrieden ist solle sich an seine Versicherung wenden, fordert Stiftung Warentest auf. Zudem wird erklärt, warum Apotheken vor Ort das Rezept unter Umständen nicht einlösen – eben weil sie keinen Vertrag mit der betreffenden Kasse haben.

„Warum ist auf so viele Produkte kein Verlass?“ Auch diese Frage beantworte Stiftung Warentest. Viele der derzeit erstatteten Produkte entsprechen nicht mehr dem Stand der Entwicklung, heißt es in dem Bericht. Mit dem gerade verabschiedeten Heil- und Hilfsmittelgesetz treten allerdings neue Qualitätsstandards in Kraft – erstmalig seit 23 Jahren. Alle Hilfsmittel, die im Test nur mit „ausreichend“ bewertet wurden, erfüllten zum Beispiel das neue Kriterium für die Rücknässung nicht, erklärt der Projektleiter von Stiftung Warentest.  

Die Kassen müssen ihre Hilfsmittelverzeichnisse bis Endes 2018 gemäß der neuen Standards überarbeiten. Dabei muss auch immer eine aufzahlungsfreie Option angeboten werden. Ob und wie das mit den derzeitigen Dumping-Pauschalen einiger Kassen realisierbar ist, bleibt abzuwarten



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Inkontinenzprodukte im Praxistest

Billig taugt nichts

Durchblick im Dschungel der Inkontinenzprodukte

„Halten“ unmöglich

Versorgung mit saugenden Inkontinenzprodukten

Schön trocken bleiben

MoliCare® Skin und MoliCare® Premium – pH-hautneutrales Marken-Duo

Gesunde Haut bei Inkontinenz

Die Prüfmethoden von Stiftung Warentest und Öko-Test unter der Lupe

Sonnenschutz im Test

3 Kommentare

Stiftung Warentest verfehlt ihr Ziel

von Timo Scharpenberg am 24.02.2017 um 12:24 Uhr

Was sich die Redaktion der Stiftung Warentest bei Ihrem aktuellen Test 03/17 gedacht hat bleibt schleierhaft. Zum einen wurden die Tests kurz vor Anpassung der Qualitäten an die neuen Anforderungen des Hilfsmittelverzeichnes durchgeführt. Zum anderen hat man sich bei der Produktauswahl anscheinen auf eine zweifelhafte Expertise gestützt.
Wie kann es sein, dass von den großen Herstellern die Topqualitäten und von den kleinen Herstellern die Basisqualitäten für Kassen Standardversorgungen geprüft werden? Unizell beispielsweise hat hervorragende Produkte der Marke forma-care premium im Angebot, die sicherlich unter den Top3 anzusiedeln wären. Und auch Seni hat beispielsweise seine Standardprodukte, die sicherlich nach einer objektiven Prüfung in der unteren Hälfte der Qualitätsskala anzusiedeln wären.

Unsere Einschätzung: Einseitiger Test mit Bevorzugung großer Markenhersteller

Tip fürs nächste Mal: Entweder testet man ganz oder gar nicht. Dem Kunden hat man damit keinen Gefallen getan.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Es wird viel zu wenig geschossen ... sagte mein Vater ...

von Christian Timme am 23.02.2017 um 21:52 Uhr

Wenn Menschen andere Menschen meiden, haben diese Krankenkassen diesen Menschen das Leben weggenommen. Dafür gibt es noch keine Strafe. Das ist unsere Gesellschaft, das ist der kümmerliche Rest, von uns. Kann man noch tiefer sinken?.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Auch bei "Menge" zahlt man drauf

von Vanessa Sky am 23.02.2017 um 16:47 Uhr

Die Kostenbeteiligung der Krankenkassen ist ein Witz. Wir pflegen selber zu Hause (Pflegegrad 5). Die Krankenkasse hat ohne Begründung die Kostenbeteiligung für Inkontinenzversorgung von 62,10€ pro Monat bis August 2016 auf 20,90€ gesenkt. Die Apotheke war diejenige, die uns dies mit Bedauern mitgeteilt hat.
Unsere zu Pflegende benötigt zwei Windeln am Tag. In einer Packung sind 26 Windeln bei einem Preis von 17,99€. Mit einer Packung Windeln im Monat kommen wir nicht weit und müssen auch selber dazu zahlen. Die Marke, die wir benutzen, wird im Artikel nicht getestet, aber mit der Passform und Saugkraft sind wir sehr zufrieden

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.