Neue Studie

Off-Label-Einsatz von Antidepressiva häufig ohne Evidenz

Stuttgart - 22.02.2017, 13:00 Uhr

Antidepressiva werden regelmäßig off label verschrieben. Hier braucht es mehr Forschung wie auch Patientenregister in Deutschland, fordert der Experte Jürgen Fritze. (Foto: Syda Productions / Fotolia)

Antidepressiva werden regelmäßig off label verschrieben. Hier braucht es mehr Forschung wie auch Patientenregister in Deutschland, fordert der Experte Jürgen Fritze. (Foto: Syda Productions / Fotolia)


Knapp jedes dritte verschriebene Antidepressivum werde off label eingesetzt, ergibt eine neue Erhebung aus Kanada. Nur bei rund jeder sechsten Verschreibung gebe es gute Evidenz für den Einsatz, erklären sie. Auf Deutschland scheinen die Daten allerdings nicht eins zu eins übertragbar zu sein, unter anderem weil der Zulassungsstatus hierzulande teils anders ist. 

Antidepressiva werden weltweit immer häufiger verschrieben – laut OECD hat sich die Zahl der verschriebenen Tagesdosen zwischen den Jahren 2000 und 2013 im Mittel aller Mitgliedstaaten rund verdoppelt, so auch in Deutschland. Eine im „British Medical Journal“ erschienene Studie untersuchte nun, wie oft Antidepressiva off label verschrieben wurden: Mit 29 Prozent sei gut jede dritte von über 100.000 untersuchten Verschreibungen in der kanadischen Provinz Quebec nicht von der Zulassung erfasst worden, schreiben die Forscher. insbesondere für Schmerzsymptome, Schlaflosigkeit und Migräne.

Trizyklische Antidepressiva hätten dabei den höchsten Anteil an Off-label-Verschreibungen gehabt, erklären die Forscher, während Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) häufiger entsprechend der Zulassung verordnet wurden. Dabei habe es ihrer Auswertung nach nur für 16 Prozent der untersuchten Verschreibungen starke Evidenz für den Off-label-Einsatz gegeben. Bei 40 Prozent habe es hingegen starke Evidenz für ein anderes Präparat gegeben, erklären sie.

Mehr Evidenz ist notwendig

Als mögliche Erklärung für den Off-label-Einsatz führen die Wissenschaftler an, dass Ärzte bezüglich der zugelassenen Indikationen einzelner Produkte eventuell nicht immer auf dem neuesten Stand sind, durch Arzneimittel-Erstattungsregeln eingeschränkt sein könnten oder teils den Eindruck hätten, dass Therapiealternativen mit mehr Risiken verbunden sind als die Gabe von Antidepressiva. Zwar gestehen sie ein, dass ihre Auswertung nicht unbedingt auf andere Regionen oder Situationen übertragbar sei, doch fordern sie insgesamt mehr Forschung im Off-label-Bereich.

Ihre Ergebnisse „machen den dringenden Bedarf für mehr Evidenz zu den Risiken und Chancen von off label verschriebenen Antidepressiva klar“, betonen die kanadischen Wissenschaftler. Auch müssten Ärzte besser über die Evidenz aufgeklärt werden. Auch ein im BMJ erschienener begleitender Leitartikel hebt auf die „oftmals schlechte Evidenzlage“ ab, die jedoch nicht allein auf den Off-label-Einsatz beschränkt sei. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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