Todesfälle durch Belladonna

Homöopathie ist in den USA kaum reguliert

Stuttgart - 24.02.2017, 10:44 Uhr

Bei „Hyland's Baby Teething Tablets“ wies die FDA einen erhöhten Belladonna-Gehalt nach. (Foto: Screenshot DAZ)

Bei „Hyland's Baby Teething Tablets“ wies die FDA einen erhöhten Belladonna-Gehalt nach. (Foto: Screenshot DAZ)


„Zehn Kinder starben nach Einnahme von Globuli“ – so  oder ähnlich war es am Donnerstag in vielen Medien zu lesen.  Wohlgemerkt war das in den USA, nicht in Deutschland. In diesem Fall ein entscheidender Hinweis. Denn in den Vereinigten Staaten wird die Homöopathie kaum reguliert, in Deutschland hingegen ist das anders. 

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt vor der Einnahme bestimmter homöopathischer Mittel – den „Hyland's Baby Teething Tablets“. Die Globuli, die Zahnungsbeschwerden lindern sollen, enthalten unter anderem einen Extrakt aus Atropa Belladonna, der schwarzen Tollkirsche, in der Verdünnung D12. Bereits 2016 warnte die FDA vor diesen Mitteln. Ein Kind war nach Einnahme der Globuli mit epileptischen Anfällen ins Krankenhaus gekommen. Die FDA nahm das Mittel genauer unter die Lupe und fand viele weitere Fälle von Nebenwirkungen sowie zehn Todesfälle, die im Zusammenhang mit „Hyland's Baby Teething Tablets“ stehen könnten. Bewiesen sei das allerdings noch nicht, wird eine FDA-Sprecherin in einem CNN-Bericht zitiert. Dem Hersteller wurde nahegelegt, das Produkt zurückzurufen. Was der jedoch erstmal nicht tat. In Laboranalysen wies die FDA dann einen Belladonna-Gehalt nach, der deutlich über dem auf der Packung angegebenen lag. 

Die FDA untersucht die Sicherheit nicht

In Deutschland ist die Situation aber eine gänzlich andere. Die FDA weist in diesem Zusammenhang immer wieder auf Folgendes hin: „Homeopathic teething tablets have not been evaluated or approved by the FDA for safety“ –  die Sicherheit dieser Mittel wurde von der FDA weder untersucht noch bestätigt. Und darin liegt der entscheidende Unterschied zu Deutschland, der solche Vorkommnisse hierzulande sehr unwahrscheinlich macht. Denn im Gegensatz zu den USA, wo die nach der Lehre Samuel Hahnemanns hergestellten Therapeutika kaum reguliert sind, fallen homöopathische Arzneimittel in der Bundesrepublik unter das Arzneimittelgesetz. 

In Deutschland müssen Unbedenklichkeit und Qualität belegt werden

Das heißt, um sie an den Patienten bringen zu können, bedarf es grundsätzlich einer Zulassung oder Registrierung. Im Rahmen dieser Verfahren werden Qualität und Unbedenklichkeit des Arzneimittels geprüft. Außerdem wird der Herstellungsprozess im Rahmen von GMP-Inspektionen regelmäßig geprüft. Unterschiede zu chemisch synthetischen Arzneimitteln gibt es also nur, was den Beleg der Wirksamkeit angeht. Hier haben die homöopathischen Mittel tatsächlich einen Sonderstatus. Bei der Registrierung reicht der Nachweis der Qualität und Unbedenklichkeit des Arzneimittels. Es muss dann den Hinweis tragen „Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation“. Bei der Zulassung, die notwendig ist wenn das Arzneimittel unter Angabe einer Indikation auf den Markt gebracht werden soll, kann laut AMG zum Beleg der Wirksamkeit „auch anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial der Beurteilung zugrunde gelegt werden“. Was das sein kann? Zum Beispiel die von der Kommission D in den Jahren 1978 bis 1994 im Rahmen des sogenannten Aufbereitungsverfahrens erarbeiteten und veröffentlichten Monographien, erklärt ein Sprecher des BfArM. Ohne Nachweis der Qualität und Unbedenklichkeit geht aber auch bei der Homöopathie nichts. Derartige Regularien gibt es in den USA nicht. 

Gefahr für Patienten: BfArM entzieht Registrierung und Zulassung

Dazu kommt: Wie das BfArM erklärt, haben Zulassungsinhaber in Deutschland dieselben Pharmakovigilanz-Verpflichtungen wie bei allen anderen Arzneimitteln.  Und die Behörden haben im Rahmen der Pharmakovigilanz auch dieselben Möglichkeiten, Maßnahmen zum Schutz der Patienten umzusetzen, bis hin zur Rücknahme einer Zulassung oder Registrierung.

Das heißt, hier würde im Verdachtsfall nicht „dem Hersteller nahegelegt, das Produkt vom Markt zu nehmen“, sondern das BfArM könnte, wenn es eine Gefahr für den Patienten sieht, die Zulassung oder Registrierung zurücknehmen. Ein Arzneimittel ohne Registrierung oder Zulassung ist nicht verkehrsfähig und die Abgabe – zumindest auf legalem Wege – nicht mehr möglich.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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