Deregulierung

Pessina spekuliert über Apothekenketten in Italien

Berlin - 28.02.2017, 14:30 Uhr

„Woanders liberalisiert man, in Italien spricht man nur darüber”: Walgreens Boots Alliance - Boss Stefano Pessina würde gerne eine Apothekenkette in seiner italienischen Heimat etablieren, glaubt aber noch nicht so recht an die bevorstehende Deregulierung. (Foto: dpa)

„Woanders liberalisiert man, in Italien spricht man nur darüber”: Walgreens Boots Alliance - Boss Stefano Pessina würde gerne eine Apothekenkette in seiner italienischen Heimat etablieren, glaubt aber noch nicht so recht an die bevorstehende Deregulierung. (Foto: dpa)


In den kommenden Wochen diskutiert das italienische Parlament das „Konkurrenzgesetz“, mit dem das Fremdbesitzverbot im Apothekenmarkt aufgehoben werden soll. Walgreens Boots Alliance-Boss Stefano Pessina spekuliert bereits über Investitionen in seiner Heimat. So richtig glaubt der Apotheken-Weltkonzern aber noch nicht an eine Liberalisierung.

Schon seit Monaten wird das Deregulierungs-Gesetz zwischen Senat und Parlament hin- und hergereicht. Der erste Entwurf sah eine komplette Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes vor. Überlegt wurde auch, den zahlreichen OTC-Shops im Land zu erlauben, bestimmte verschreibungspflichtige Präparate abzugeben. Nach mehreren Änderungsanträgen und unzähligen Ausschuss-Besprechungen liegt dem Parlament nun aber eine abgeschwächte Version des Gesetzes vor: Die Freigaben für OTC-Shops sind komplett gestrichen. Übrig geblieben ist eine partielle Marktöffnung für Apotheken-Unternehmen.

Und zwar sollen Unternehmen künftig Apotheken kaufen und eröffnen können, dürfen aber nicht mehr als 20 Prozent des Marktes in den einzelnen Regionen (Bundesländern) im Griff haben. Dass diese Deregulierung einen sofortigen Einfluss auf den Markt haben wird, wie etwa in Schweden oder zuletzt auch in Dänemark, ist aber umstritten. Schließlich soll die nach geografischen und demografischen Kriterien ausgerichtete Bedarfsplanung für Apotheken erhalten bleiben.

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Die schleichende Deregulierung

Dementsprechend vorsichtig fällt auch die Reaktion von Stefano Pessina, Chef des weltweit tätigen Pharmahandelskonzerns Walgreens Boots Alliance, aus. Bei einer Veranstaltung der italienisch-amerikanischen Handelskammer soll Pessina gesagt haben: „Wir werden sehen. Wenn wir unser Apothekengeschäft vertikal integriert ausführen können und im Markt eine kritische Masse entsteht, wäre ein Einstieg in Italien denkbar.“ 

Pessina witzelt über italienische Politik

Zur Erklärung: Ein Pharmahandelskonzern ist dann „vertikal integriert“, wenn er mehrere Bereiche der Lieferkette unter einem Dach vereinen kann. In vielen Ländern betreibt Walgreens Boots Alliance bereits gleichzeitig eine Apothekenkette, einen Großhandel und ist in einigen Fällen sogar an der Herstellung der Arzneimittel beteiligt. In Italien besitzt Pessina eine Beteiligung am Großhändler Alphega, die Voraussetzung für eine vertikale Integration wäre also gegeben.

Wirklich ernst scheint Walgreens Boots Alliance die Liberalisierungsbemühungen in Italien aber noch nicht zu nehmen. Mit Blick auf das derzeitige Gesetzgebungsverfahren sagte Pessina: „In Italien spricht man nur von Liberalisierung, woanders setzt man sie um. Ich höre schon seit Jahren immer wieder Gerüchte über eine Deregulierung. Aber während in Italien noch darüber gesprochen wird, haben wir in den USA 4500 Rite Aid-Apotheken gekauft – eine Transaktion, bei der wir noch auf das ‚Okay‘ der Wettbewerbsbehörden warten – wir sind nach Mexiko gegangen und haben dort 1200 Apotheken gekauft und haben sogar über eine Minderheitsbeteiligung in 2000 russische Apotheken investiert.“

Ganz im Unrecht liegt Pessina mit diesen Äußerungen nicht. In den vergangenen zehn Jahren hat es in Italien mehrere Versuche von verschiedenen Regierungen gegeben, die Regulierungen im Apothekenmarkt teilweise komplett aufzuheben. Die Technokraten-Regierung des ehemaligen Ministerpräsidenten Mario Monti hatte beispielsweise versucht, eine gesamte Medikamentenliste („Fascia C“) aus der Apothekenpflicht zu entlassen. Auch über Apothekenketten war immer wieder diskutiert worden. Die meisten tiefgreifenden Deregulierungsversuche sind bislang aber immer wieder gescheitert.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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