HMNC Brain Health

Aus der Höhle des Löwen

München - 01.03.2017, 09:05 Uhr

Will die Behandlung einer Depression verbessern: Mediziner und Chemiker Professor Florian Holsboer. (Foto: ts) 

Will die Behandlung einer Depression verbessern: Mediziner und Chemiker Professor Florian Holsboer. (Foto: ts) 


In der Schweiz schon einen Schritt weiter

Bereits am MPI hatte der Wissenschaftler mit seinen Kollegen einen Diagnostik-Test entwickelt. Dieser trägt den Namen ABCB1-Test, benannt nach dem ABC1-Gen, auch Multi-Drug-Resistance-Gen1 (MDR1) gennant. Dieses Gen kodiert für einen wichtigen Transporter aus der Klasse der ABC-Transporter – das P-Glycoprotein. Ein Membranprotein, das den energieabhängigen Transport von Substraten aus der Zelle vermittelt.

Diesen Test hat Holsboer mittlerweile bei HMNC einlizenziert und zur Marktreife weiterentwickelt. Er gibt dem Arzt Informationen, welcher ABCB1-Genotyp ein Patient ist. Denn bestimmte Polymorphismen im ABCB1-Gen beeinflussen das Ausmaß der Genexpression und letztendlich, wieviel P-Glykoprotein gebildet wird. Eine hohe Expression sorgt für eine reduzierte Aufnahme der Antidepressiva, bei niedriger Expression ist die Wirkstoffaufnahme erhöht. Mithilfe dieser Information, so Holsboer, könne der Mediziner dann die Auswahl der Antidepressiva sowie deren Dosierung anpassen und somit die Chance für ein gutes Therapieergebnis erhöhen.

Studien zeigten mehrheitlich, dass bei Patienten, die nach den Empfehlungen des ABCB1-Tests behandelt werden, ein besseres Therapieergebnis erzielt wird. Mehr Patienten würden auf die Behandlung ansprechen, und mehr Patienten würden eine Remission erreichen, also eine weitgehende Symptomfreiheit. Das, so Holsboer, sei die beste Vorbeugung gegen einen Rückfall.

Seit 2015 ist der Test in Deutschland für 167 Euro auf dem Markt. Während das Diagnose-Kit in der Pilotphase in Kooperation mit Labor Berlin angeboten wurde, wird der Test seit Ende 2016 durch die Darmstädter Testsystem-Firma R-Biopharm produziert und vertrieben. Holsboers Ziel ist es nun, im großen Stil Labore mit dem Test auszustatten.

In der Schweiz ist er bereits einen Schritt weiter. Dort hat es der ABCB1-Test in die ärztlichen Leitlinien geschafft. In Deutschland wird er dagegen bislang nur von privaten Krankenkassen bezahlt. Gespräche mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wegen Erstattung durch die gesetzlichen Kassen laufen. Holsboer: „Das sieht nach meiner Einschätzung gut aus. Es wird aber noch dauern.“

Holsboer verbirgt nicht seinen Stolz, nach jahrzehntelanger Arbeit nun depressiven Menschen eine Chance bieten zu können, schneller und besser behandelt zu werden: „Das ist Pionierarbeit“. Damit ist ein weiterer Schritt in Richtung personalisierte Depressionstherapie gemacht. Mit vergleichbaren Tests lassen sich beispielsweise Polymorphismen bei den für den Abbau vieler Antidepressiva verantwortlichen CYP-Enzymen – CYP2D6 und CYP2C19 – feststellen und so ebenfalls Dosisfindung und Wirkstoffauswahl optimieren. 



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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