Bundesgerichtshof

Bei Patientenverfügungen zählt auch der mutmaßliche Wille

Karlsruhe / Berlin - 24.03.2017, 16:50 Uhr

Patientenverfügung: Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung präzisiert. (Foto: dpa)

Patientenverfügung: Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung präzisiert. (Foto: dpa)


Eine wirksame Patientenverfügung muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglichst konkret sein. Im Zweifel sollte ein Gericht durch Auslegung der Verfügung ermitteln, wie ein Patient entschieden hätte, wenn er noch selbst bestimmen könnte.

Beim Umgang mit der Patientenverfügung eines schwer kranken Menschen muss nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch dessen mutmaßlicher Wille berücksichtigt werden. Anforderungen an die Eindeutigkeit einer Patientenverfügung dürften nicht überspannt werden, entschied der für Betreuungssachen zuständige Zivilsenat in einem jetzt veröffentlichten Beschluss.

Konkret ging es um eine Frau, die seit einem Schlaganfall im Jahr 2008 im Wachkoma liegt. Vor ihrem Schlaganfall hatte sie mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden. So wolle sie nicht so am Leben erhalten werden, lieber sterbe sie. Sie habe aber durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren, erklärte sie Familie und Freunden. In besagter Verfügung hatte sie festgelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe, oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollten.  

Im Juni 2008 erhielt die Frau in der Zeit zwischen dem Schlaganfall und dem späteren Herz-Kreislaufstillstand einmalig die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“

Sohn gegen Ehemann

Der Sohn regte an, die künstliche Ernährung einzustellen – doch das lehnten Amtsgericht und Landgericht trotz Patientenverfügung ab. Der Ehemann der Patientin war gegen den Abbruch. Beide Männer sind jeweils alleinvertretungsberechtigte Betreuer der Frau.

Nun landete der Fall vor dem Bundesgerichthof. Dieser hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass die Äußerung in einer Patientenverfügung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung enthält. Die erforderliche Konkretisierung könne aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit seiner aktuellen Entscheidung weiter präzisiert: Die erforderliche Konkretisierung könne sich im Einzelfall auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, sei dann durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Genau das hat das Landgericht Landshut aus Sicht der Bundesrichter nicht getan. Sie haben den Fall daher an das Landgericht zurückverwiesen – und ihm aufgegeben neue Feststellungen zu treffen.

Stiftung Patientenschutz begrüßt Entscheidung

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hält es für gut, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung präzisiert hat. Seiner Ansicht nach sind einige Amts- und Landgerichte mit der Anwendung der seit 2009 geltenden gesetzlichen Regelung zur Patientenverfügung überfordert. „Wo eine Patientenverfügung Fragen offen lässt, muss das Dokument bei der Auslegung sorgfältig auf weitere Erklärung geprüft werden“, teilte Brysch mit.

Grundsätzlich gelte: „Je konkreter eine Patientenverfügung ist, umso besser.“ Lebensverlängernde Maßnahmen pauschal abzulehnen, reiche nicht aus. Vielmehr müsse klar beschrieben sein, bei welcher Krankheit welche ärztlichen Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt würden. „Wer eine Patientenverfügung hat, sollte sie daraufhin überprüfen“, riet Brysch.

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 2017, Az.: XII ZB 604/15


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.