Beratungsqualität

Versandapotheken fallen im WISO-Test durch

Berlin - 28.03.2017, 11:00 Uhr

Ein Hinweis auf Wechselwirkungen im Paket? Bei vielen Versandapotheken sucht man den vergeblich. (Foto: Picture-Alliance / KEYSTONE)

Ein Hinweis auf Wechselwirkungen im Paket? Bei vielen Versandapotheken sucht man den vergeblich. (Foto: Picture-Alliance / KEYSTONE)


Das ZDF-Verbrauchermagazin WISO hat die Beratungsqualität von Versandapotheken getestet. Ein gehbehinderter Patient sollte im Auftrag des TV-Senders die Vorteile des Versandhandels testen. Sein Eindruck: „Dann lieber zu Fuß zur Apotheke als zum Briefkasten.“

Wie gut beraten Versandapotheken bei Wechselwirkungen? Das wollte das ZDF-Verbrauchermagazin WISO wissen und testete im Beitrag vom 27. März vier deutsche und holländische Online-Apotheken. Das Ergebnis: Bei der Mehrheit der Fälle erfolgte keine oder eine unzureichende Beratung. Lediglich ein Versender aus Holland ermittelte alle Wechselwirkungen und schnitt damit im TV-Test am besten ab. Die anderen drei, darunter DocMorris, Medikamente per Klick und Sanicare, erkannten die Wechselwirkungen nicht oder nur teilweise.

Für den Testkauf stand ein 64-jähriger Patient vor der Kamera, der seine Dauermedikation im Auftrag der Redaktion zusammen mit nicht-rezeptpflichtigen Mitteln im Netz bestellen sollte. Der Mann, der seine Medikamente üblicherweise in der Apotheke vor Ort bezieht, ist wegen eines Schlaganfalles gehbehindert und probiert deshalb im Beitrag eine Online-Bestellung aus. Doch gleich zu Beginn äußert er seine Zweifel an der Beratungsqualität der Versender: „Ich kann nicht abschätzen, ob die Beratung in einer Internet-Apotheke genauso gut ist wie in einer örtlichen Apotheke.“

Trotzdem wagt er den Versuch. Seine Bestellung: Clopidogrel zusammen mit ASS und HCT gemeinsam mit Vitamin D. „Solche Kombinationen sind tückisch“, heißt es im Beitrag und tatsächlich sticht vor allem die Wechselwirkung zwischen Vitamin D und HCT hervor. Sie ist keine der klassischen Interaktionen, die häufig in Testkäufen vorkommt, hat es aber trotzdem in sich. Werden die beiden Stoffe kombiniert, kann es zu einem Anstieg von Calcium im Blut kommen. Dr. Christoph Specht, Arzt für Präventionsmedizin, warnt im Beitrag vor den Folgen: „Das kann gefährliche Herz-Rhythmusstörungen machen, schlimmstenfalls bis zum Tod.“ 

Kein Beratungshinweis beim Bestellvorgang

Und die Online-Apotheken? Keiner der Internet-Versender liefert im Bestellvorgang Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen. TV-Experte Dr. Specht: „Vom Prinzip müsste man jetzt erwarten, dass alle Online-Apotheken entweder einen Anruf machen, oder dass sie eine schriftliche Information liefern.“ Doch darauf wartet der Patient im Beitrag bei den meisten Versendern vergeblich. Die deutschen Shops von Sanicare und Medikamente Per Klick warnen noch nicht einmal bei der Auslieferung vor den Gefahren. DocMorris legt dem Paket immerhin einen Hinweis auf eine der beiden Wechselwirkungen bei. Lediglich die niederländische Shop-Apotheke warnt in der Lieferung schriftlich vor beiden Interaktionen.

Eine zweite Stichprobe mit der gleichen Bestellung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Wieder gibt es bei Medikamente Per Klick keinen Hinweis. Und auch die Erklärung zur mangelnden Information klingt wenig überzeugend. Die Wechselwirkungen seien klinisch nicht relevant, behauptet die Versandapotheke. Gleichzeitig räumt sie aber ein, die Vorgehensweise in Zukunft zu ändern und auch bei nicht-klinisch relevanten Wechselwirkungen die Kunden zu informieren. Merkwürdig ist auch das Ergebnis bei Sanicare. Bei wiederholter Bestellung erkennt das Portal plötzlich beide Wechselwirkungen.

Darüber wundert sich auch Experte Dr. Specht: „Es zeigt ja, dass man sich als Patient nicht unbedingt drauf verlassen kann, immer die Informationen zu bekommen.“ Auf Nachfrage der WISO-Redaktion schiebt Sanicare dies auf einen Fehler einer Mitarbeiterin, kündigt aber Verbesserungen im Bestellprozess an. Schließlich begründet DocMorris die unerkannte Wechselwirkung zwischen HCT und Vitamin D damit, dass es sich bei Vitamin D um ein Nahrungsergänzungsmittel handele. Die Online-Apotheke räumt aber ein, dass sie zukünftig einen „generellen Wechselwirkungshinweis“ bei Vitamin D und HCT geben wird. 

 „Lieber zu Fuß zur Apotheke, als zu Fuß zum Briefkasten.“ 

Der Test zeigt: Bei komplexen Interaktionen zwischen Dauermedikation und nicht-rezeptpflichtigen Mitteln schneiden die Versandapotheken überwiegend schlecht ab. Entweder fehlt die Beratung ganz oder die Informationen sind unvollständig. Zwar gaben sich die Versender im Beitrag zum Teil schuldbewusst, am Ende war aber nur ein einziges Online-Angebot überzeugend.

Und neben den pharmazeutischen Mängeln stellt der Beitrag noch ein weiteres Problem bei der Online-Bestellung heraus. Der gehbehinderte Patient muss nach Abschluss der Bestellung die Rezepte im Original zum Briefkasten bringen. Und das fällt ihm aufgrund seiner Einschränkung sichtlich schwer. Die erhoffte Erleichterung bei der Bestellung bleibt aus, entsprechend groß ist seine Enttäuschung: „Das war nicht das Gelbe vom Ei, ich habe es mir anders mit dem Internet vorgestellt.“ Sein Fazit: „Dann lieber zu Fuß zur Apotheke, als zu Fuß zum Briefkasten.“

SWR-Vergleich zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken

Vor etwa zwei Wochen hatte der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) die Preise und die Beratungsqualität von Vor-Ort-Apotheken mit denen von Versandapotheken verglichen. Die Fernseh-Redaktion hatte dabei Licht und Schatten auf beiden Seiten festgestellt. Bei den Vor-Ort-Apotheken ergab der Test, dass zwei von fünf Apotheken gut beraten und nach Einnahme anderer Arzneimittel gefragt bzw. die Abgabe eines Wirkstoffes wegen Wechselwirkungen abgelehnt haben. Bei dreien wurden die Präparate aber jeweils ohne Nachfrage abgegeben.

Auch bei den Versendern waren die Unterschiede groß. Bei Medikamente Per Klick gab es einen Hinweis erst auf Nachfrage und der war dann auch noch falsch. Sanicare und DocMorris legten zu möglichen Wechselwirkungen dem Paket immerhin ein Info-Blatt bei. 



Maximilian Wilke, Apotheker, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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11 Kommentare

Vitalsana Werbung

von I. Greif am 29.03.2017 um 21:44 Uhr

In vielen Bahnhöfen läuft derzeit eine große Werbekampagne der Vitalsana-Versandapotheke:
20 Stück Ibuprofen Tabletten zum sensationell günstigen " Preis € 3.95 !" "60 % billiger"!
"haben Sie noch Fragen? fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!"
Meinen die eigentlich den Apotheker vor Ort???

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Was zu erwarten war

von hanfti am 28.03.2017 um 21:26 Uhr

Das Ergebnis verwundert nicht und bestätigt das, was allseits bekannt ist.

Qualität hat halt seinen Preis und Geiz kann tötlich enden

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Hätte man auch mal niedergelassene Apotheken im Vergleich getest ...

von Uwe Schick am 28.03.2017 um 21:02 Uhr

... dann wäre ein ähnliches Ergebnis rausgekommen. Wie das sein kann in Zeiten der Digitalisierung soll mir mal einer erklären.
Beste Grüße

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AW: Hätte man auch mal niedergelassene

von hanfti am 28.03.2017 um 21:17 Uhr

Beim Versandhandel geht es üblicherweise auf Masse, sie glauben doch nicht ernsthaft das bei den bestellungen Fachpersonal drüber schaut! Wie viele Pakete? Wie viele Medikamente? Wie viele Mitarbeiter? Richtig dat geht nicht!
In der Apotheke vor Ort läuft das anders, individuell und vor allem auf höchstem Neveau ...

Die eigene Nase ist erstmal die ...

von Christian Timme am 28.03.2017 um 19:44 Uhr

Er gibt noch viel zu tun ... nicht nur Apotheken und Versender sondern ebenso Politiker sind gefragt. Wenn es mir gestattet ist: Apotheken und Versender sollten das Vertrauen ihrer Patienten ernst nehmen und mehr ... einige, leichtfertig denkende Politiker sollten spätestens jetzt erkennen, Grenzen sind schnell überschritten, den Schaden über den Patienten abzuladen ist keine Leistung, den Schaden abzuwenden schon. Noch eine Anmerkung. Wenn ich einer Apotheke misstraue, gehe ich in die nächste Apotheke. Bei der Auswahl verschiedener Ärzte, läuft das doch ebenso ... Liebe Politiker, sorry aber Patienten und Kunden können gar nicht so blöd sein, wie sie es gerne hätten ... sehr deutlich ausgedrückt, aber lieber so als "hätte ja mal einer sagen können" ...

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HCT und Vitamin D

von Christian Becker am 28.03.2017 um 17:50 Uhr

Ich mag ja die Versandapotheken auch nicht, aber diese Wechselwirkung würden bestimmt auch klassische Apotheken nicht nennen.
Unsere Kasse zeigt z.B. keine Warnung ab, wenn man Dekristol 20000 und HCT 25 zusammen auf einem Rezept abgeben wollte.
Der Interaktionscheck der Apotheken-Umschau sieht ebenfalls keine Probleme.
Die Packungsbeilage von HCT 25 von Hexal nennt auch nicht wirklich eine Wechselwirkung, sondern schreibt nur, dass die Einnahme von Vitamin D unter Umständen beendet werden muss.
Wenn man ein bisschen Nachdenkt, dann könnte einem einfallen, dass HCT den Calciumblutspiegel erhöhen kann und dass Vitamin D3 auch ebendazu dient und das ganze vielleicht eine Hypercalciämie verursachen könnte. Ob das jetzt so richtig relevant ist... könnte ich aber auch nicht einschätzen.

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AW: HCT und Vitamin D

von Uwe Schick am 28.03.2017 um 21:00 Uhr

Hallo,

das denke ich auch - der Test wäre bei niedergelassenen Apotheken so anders nicht ausgefallen. Mit Versandapotheken hat das Ergebnis in erster Linie nichts zu tun.

Beste Grüße

AW: HCT und Vitamin D

von hanfti am 28.03.2017 um 21:11 Uhr

Dann sollten sie ihren Software Anbieter wechsel ... bei uns leuchten alle Lämpchen

AW: Die Quelle des Wissens ...

von hanfti am 28.03.2017 um 21:39 Uhr

Na ja, wenn Ihr Nachschlagewerk die Apotheken Umschau ist, dann wundert mich nichts. In Deutschen Apotheken läuft das anders als in Holland. Wir greifen auf Datenbanken zurück, die uns problemlos innerhalb von Sekunden - sollten wir mal etwas nicht wissen - die Antwort liefern ... das gibts offensichtlich bei Ihnen in Holland nicht, oder aber sie haben nicht die entsprechende Qualifikation ... das ist eben das Problem.

AW: HCT und Vitamin D @ hanfti

von Christian Becker am 29.03.2017 um 11:12 Uhr

Nein, die Umschau war nicht meine erste, sondern nur eine der Quellen.
Mir war bisher auch nicht bewusst, dass ich in Holland oder sonstwo in den Niederlanden lebe.
Ein Wechsel der Apothekenweichware wäre vielleicht nicht das Verkehrteste, aber das kann ich als angestellter Apotheker nicht entscheiden.

Und jetzt alle:

von Michael Staesche am 28.03.2017 um 11:52 Uhr

Glaeske vor! Wo ist der traurige Blick, die verstörte Rede. Und wo sind SPD und Grüne, die mir erklären, wie DAS ein wichtiger Bestandteil der Versorgung sein kann?

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