Neues Arzneimittel bei MS

Ocrelizumab in USA zugelassen

29.03.2017, 16:20 Uhr

Ocrelizumab soll als CD20-Antikörper gegen B-Zellen die entzündliche Zerstörung der Myelinscheide im ZNS verlangsamen. (Foto: ag visuell / Fotolia)

Ocrelizumab soll als CD20-Antikörper gegen B-Zellen die entzündliche Zerstörung der Myelinscheide im ZNS verlangsamen. (Foto: ag visuell / Fotolia)


Roche hat in den USA die Zulassung für seinen neuartigen MS-Antikörper Ocrelizumab erhalten. Ocrevus ist das erste Arzneimittel gegen primär progrediente MS. In einem beschleunigten Zulassungsverfahren hat die FDA nun Patienten in den Vereinigten Staaten den Zugang zur neuen Therapie geschaffen. Wann gibt es Ocrelizumab in Deutschland? Und wie kommen deutsche Patienten heute schon an das neue Arzneimittel gegen MS?

Mit einem neuen Arzneimittel gegen Multiple Sklerose will Roche die Therapie von MS-Patienten verbessern. In den Vereinigten Staaten erhielt der Antikörper Ocrelizumab die Zulassung zur Therapie der primär progredienten MS (PPMS) und der remittierend schubförmig verlaufenden MS (RRMS). Die Studien-Daten zum OcrevusTM überzeugten die FDA: Die amerikanische Zulassungsbehörde ermöglichte durch eine beschleunigte Zulassung – Prioritiy-Review-Verfahren – den Patienten die schnellstmögliche Verfügbarkeit der neuen Therapieoption mit OcrevusTM.

Was ist das Besondere an Ocrelizumab?

Ocrelizumab ist das erste und einzige Arzneimittel, das gegen beide Verlaufsformen der Multiplen Sklerose, also die schubförmige und die primär progrediente, wirkt. Insbesondere für Patienten mit primär progredienter MS ist OcrevusTM ein Therapie-Durchbruch: Diese Unterform der Multiplen Sklerose galt bis dato als nicht behandelbar. Etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten leiden an der primär progredienten Form.

Im Gegensatz zur remittierend schubförmigen MS entwickeln sich die neurologischen Symptome bei der PPMS eher schleichend. Die PPMS beginnt meist erst in einem Alter von 40 bis 50 Jahren und trifft Männer und Frauen mit gleicher Häufigkeit – bei der RRMS erkranken Frauen im Schnitt dreimal häufiger als Männer. Auch beginnt die RRMS meist früher im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.

Wie wirkt Ocrelizumab?

Als humanisierter, monoklonaler Antikörper richtet sich Ocrelizumab gegen das auf B-Zellen exprimierte, glykosylierte Phosphoprotein CD20. B-Zellen spielen – als Aktivatoren autoreaktiver T-Zellen – eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Multiplen Sklerose. MS ist eine neurologische Erkrankung. Durch immunvermittelte chronische Entzündungen des Zentralnervensystems kommt es hier zu Demyelinisierung und fortschreitender Behinderung. In Deutschland sind etwa 200.000 Patienten betroffen, weltweit sind es rund 2,3 Millionen.

Quelle: Roche

Wie wenden MS-Patienten Ocrevus an?

Patienten können OcrevusTM nicht selbst spritzen. Ocrelizumab muss vom Arzt verabreicht werden. Alle sechs Monate erhalten MS-Patienten eine Infusion mit 600 mg des Antikörpers. Die Startdosis wird in zwei Dosen zu je 300 mg aufgeteilt und in zweiwöchigem Abstand infundiert.

Wann gibt es Ocrevus in Deutschland?

Roche hat die Zulassungsunterlagen für Ocrevus auch bei der EMA eingereicht. „Wir rechnen noch in diesem Jahr mit der Zulassung für Ocrelizumab in der EU“, sagt Roche auf Anfrage von DAZ.online. Genau beziffern könne man das Datum allerdings leider nicht. Auch hat Roche bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA keine beschleunigte Zulassung für seinen neuen Antikörper wie bei der FDA beantragt.

Das EMA-Äquivalent zum US-amerikanischen Priority-Review-Verfahren heißt Accelerated Access Review. Eine EU-weite beschleunigte Zulassung werde von der EMA nur akzeptiert, wenn die „Dringlichkeit gegeben ist“, erklärt Roche. Für eine der beiden Indikationen – die RRMS – haben Patienten bereits alternative Arzneimittel.

Was kostet Ocrelizumab? 

Roche hält sich auf DAZ.online-Nachfrage bedeckt. Hierzu könne und dürfe man derzeit noch keine Angaben machen. „Das ist alles noch im Verfahren und wird noch verhandelt“, sagt eine Sprecherin von Roche.

Wie kommen PPMS-Patienten in Deutschland schon an Ocrevus?

Bereits heute gibt es für Patienten mit primär progredienter MS die Möglichkeit, eine Therapie mit dem neuen Antikörper zu erhalten. Im Rahmen eines Härtefallprogramms – Compassionate Use Program (CUP) – steht Ocrelizumab Patienten unter bestimmten Voraussetzungen seit Februar 2017 zur Verfügung. Solch ein CPU ermöglicht die Behandlung mit neuen und noch nicht zugelassenen Arzneimitteln. Die Voraussetzung: Die Krankheit muss schwer bis lebensbedrohlich sein, und es darf keine zufriedenstellende Behandlungsoption für die Patienten geben – was bei PPMS der Fall ist. 

„Die Entscheidung über die Teilnahme am Härtefallprogramm für Ocrelizumab ist eine Einzelfall-Entscheidung“, erklärt Roche. Sie erfolge in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt, Roche und in Abhängigkeit von lokalen Regularien und Gesetzen. Für Patienten ist die Teilnahme am Ocrelizumab-CPU kostenlos. Allerdings müssen sie sich vor Beginn der OcrevusTM-Therapie schriftlich einverstanden erklären. MS-Patienten, die Fragen zum Härtefallprogramm haben, können sich an die „Medical Information“ von Roche wenden.

Roche betont, dass die Ocrelizumab-Therapie im Rahmen des CUP zur Überbrückung bis zur offiziellen Zulassung von OcrevusTM auch nur für Patienten mit PPMS möglich ist. Patienten, die an schubförmig remittierender Multipler Sklerose leiden, haben zugelassene Therapie-Alternativen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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10 Kommentare

M.S

von Adrian Ivescu Abager am 24.08.2017 um 22:50 Uhr

Ich warte mit Ungeduld das Firma La Roche etwas konkret macht und denkt nicht nur an Gewin ,sondern auch an das Leiden der Patienten...

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PPMS

von Heike Kohl am 22.08.2017 um 12:17 Uhr

Gibt es Alternativen zu Ocralizumab die jetzt verfügbar sind? Welchen Schweregrad der PPMS darf man haben, um Ocralizumab zu erhalten?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: PPMS

von Celine Müller am 23.08.2017 um 8:50 Uhr

Liebe Frau Kohl,
Ocrevus mit dem Wirkstoff Ocrelizumab ist das erste Arzneimittel, das bei PPMS zugelassen ist (USA) beziehungsweise werden soll (Europa). Bei Fragen zum Schweregrad der PPMS, um am Härtefallprogramm der Roche Pharma AG teilzunehmen, wenden Sie sich bitte direkt an Roche.

Viele Grüße, Celine Müller

Zulassung

von Angelika Kiefer am 22.08.2017 um 8:49 Uhr

Gibt es die Zulassung schon?

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AW: Zulassung

von Celine Müller am 23.08.2017 um 8:46 Uhr

Liebe Frau Kiefer,
nach aktuellen Aussagen der Roche Pharma AG, rechnet das Unternehmen mit der EMA-Zulassung bis Ende dieses Jahres.

Viele Grüße, Celine Müller

Ocrelizumab ja oder nein

von Gabriele Hagmeyer am 28.07.2017 um 20:48 Uhr

ich habe die PPMS seit 2 Jahren ( ich bin jetzt 50 Jahre alt).
Im letzten Jahr kam noch Brustkrebs hinzu mit 6 Chemos. Die MS beeinträchtigt vor allem meine Gehfähigkeit. D.h. inzwischen sitze ich im Rollstuhl. Meine Lunge ist auch sehr geschädigt ( anscheinend durch Medikamente ). Ich hatte vor der Chemo aber nur 6 Monate Rebif gespritzt. Da ich jetzt schon relativ schwer Luft bekomme beim Reden , eine Erkältung in einer mittleren Katastophe endet, weil ich dann gar keine Luft mehr bekomme, habe ich bedenken, eine Infusion von Ocrelizumab zu erhalten. Als Nebenwirkung ist eine Infektion der Atemwege beschrieben - und das wäre ja genau das, was ich nicht brauchen könnte.
Was meinen Sie ?

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Ocrelizumab

von Gebhardt am 06.04.2017 um 15:02 Uhr

Wann wird es in Deutschland zugelassen? Kann ich es jetzt schon verabreicht bekommen?

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AW: Ocrelizumab

von Celine Müller am 06.04.2017 um 16:01 Uhr

Lieber Herr Gebhardt,

bislang ist Ocrelizumab nur in den Vereinigten Staaten zugelassen. Auch für Deutschland läuft die Zulassung. Allerdings konnte Roche auf Nachfrage von DAZ.online keinen genauen Zeitpunkt für den Marktzugang nennen. Das hängt auch immer von der Zulassungsbehörde ab, in diesem Fall ist es die EMA. Roche rechnet jedoch bis zum Spätsommer 2017 damit.
Unter Umständen ist es möglich, im Rahmen eines Compassionate Use Programs (CUP), bereits vor Zulassung eine Therapie mit Ocrelizumab zu erhalten. Das gilt nur für Patienten mit PPMS! Ob eine Teilnahme am Härtefallprogramm für Sie in Frage kommt, entscheidet ihr behandelnder Arzt in Zusammenarbeit mit Roche unter Berücksichtigung der geltenden Regularien. Näheres hierzu finden Sie auf der dritten Seite des Artikels „Ocrelizumab zugelassen“. Hier stehen auch die Kontaktdaten der zuständigen Abteilung bei Roche.

Viele Grüße, Celine Müller

frage

von Wasner Silvia am 01.04.2017 um 12:10 Uhr

Wie wirkt Ocrevus und welche Nebenwirkungen sind möglich?
Danke für Ihre Antwort
Mit freundlichen grüßen, Silvia Wasner

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AW: frage

von Celine Müller am 06.04.2017 um 15:52 Uhr

Liebe Frau Wasner,
Ocrelizumab richtet sich gegen B-Zellen. Diese Zellen des Immunsystems spielen eine wesentliche Rolle bei der Neurodegeneration der MS und für die Progression der Erkrankung. Als humanisierter Antikörper trifft Ocrelizumab selektiv eine bestimmte Subpopulation der B-Lymphozyten, und zwar die CD20-positiven B-Zellen. Durch diese sogenannte B-Zell-Depletion soll die Inflammation bei Multipler Sklerose unter Kontrolle gehalten werden und das Fortschreiten der Neurodegeneration verlangsamt.
Ocrelizumab wurde in die großen Studien (OPERA I, OPERA II, ORATORIO) an Patienten untersucht. Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die im Rahmen dieser Phase 3 Studien beobachtet wurden, zählten Reaktionen an der Infusionsstelle und Infektionen der oberen Atemwege. Diese waren, nach Angaben von Roche, hinsichtlich ihrer Schwere als eher mild einzustufen. Da in klinischen Studien allerdings nur eine begrenzte Anzahl von Patienten das Arzneimittel erhalten, werden nicht immer alle potenziellen Nebenwirkungen sofort erkannt. Weitere Daten werden nach Zulassung erhalten.

Schöne Grüße, Celine Müller

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