Georg Nüßlein (CSU)

„Wir nehmen das Rx-Versandverbot mit in den Koalitionsvertrag“

Berlin - 31.03.2017, 14:08 Uhr

Rx-Versandverbot: Nicht mehr in dieser Legislaturperiode, sagt Georg Nüßlein. Zuletzt hatte es noch Gerüchte gegeben, dass einzelne Gesundheitspolitiker von Union und SPD weiter über einen Kompromiss verhandeln. (Foto: dpa)

Rx-Versandverbot: Nicht mehr in dieser Legislaturperiode, sagt Georg Nüßlein. Zuletzt hatte es noch Gerüchte gegeben, dass einzelne Gesundheitspolitiker von Union und SPD weiter über einen Kompromiss verhandeln. (Foto: dpa)


Nachdem das Rx-Versandverbot im Koalitionsausschuss gescheitert ist, wird es für die Apotheker in dieser Legislaturperiode wohl auch keine kurzfristigen Honorarerhöhungen mehr geben. Unions-Fraktionsvize Dr. Georg Nüßlein (CSU) erklärte gegenüber DAZ.online, dass sämtliche Verhandlungen mit der SPD beendet seien. Nüßlein versprach den Apothekern allerdings, das Verbot in der nächsten Legislaturperiode erneut auf den Plan zu bringen.

In den frühen Morgenstunden des gestrigen Donnerstages war der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD ohne Ergebnis für die Apotheker geendet. Die SPD-Parteispitze wollte ihren Widerstand gegen das Verbot nicht aufgeben. Obwohl das Bundesgesundheitsministerium (BMG) seinen Entwurf zum Verbot offiziell noch nicht zurückgezogen hat, ist damit so gut wie sicher, dass zumindest in dieser Legislaturperiode der Arzneimittel-Versandhandel nicht mehr angepackt wird.

Zuletzt hatte es noch Gerüchte gegeben, nach denen einzelne Gesundheitspolitiker von Union und SPD weiter über einen Kompromiss verhandeln. Im Gespräch war beispielsweise ein Boni-Deckel auf Zeit bei gleichzeitiger Honorarerhöhung für die Apotheker, etwa über die Notdienstpauschale. Dieser Lösung erteilt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Dr. Georg Nüßlein, allerdings eine Absage. Gegenüber DAZ.online erklärte Nüßlein: „Berichte über weitere Verhandlungsergebnisse sind nicht zutreffend. Karl Lauterbach und ich haben in dieser Sache einfach unterschiedliche Ziele. Ich wäre jederzeit für eine stärkere Strukturkomponente im Apothekenhonorar zu haben. Die SPD wollte dem aber nur zustimmen, wenn wir gleichzeitig auf das Rx-Versandverbot verzichten, und das machen wir nicht.“

Nüßlein und Lauterbach, Fraktionsvize bei der SPD, hatten in den vergangenen Wochen zwei Fachgespräche zu dem Thema veranstaltet, bei dem die beiden Politiker einen Kompromiss zwischen der ABDA und den in- und ausländischen Versandapothekern aushandeln wollten. Nun zeigt sich aber, dass nicht nur die Apotheker und die Versender untereinander keine gemeinsame Lösung finden konnten. Auch in der Politik war keine der beiden Seiten kompromissbereit. Nüßlein sagte: „Leider sind die Verhandlungen mit der SPD gescheitert. Für uns war klar, dass man die Wettbewerbsverzerrung nur mit einem Rx-Versandverbot vernünftig lösen kann. Unser wichtigstes Ziel ist es, die Apotheke im ländlichen Raum zu schützen. Die Position der SPD würde genau zum Gegenteil führen. Beide Welten sind nicht zusammen gekommen.“

Union will Linken-Antrag nicht zustimmen

Im Raum stand wohl auch ein zeitlich begrenztes Versandverbot, aber auch dagegen wehrte sich die SPD. Warum konnten sich Union und SPD nicht einigen? Nüßlein dazu: „Das liegt auch daran, dass die SPD immer wieder nur juristische Gegenargumente gegen das Verbot präsentierte. Auch die Gegenargumente der Versandapotheken haben mich nicht überzeugt, da sie vorwiegend formaljuristischer Natur waren. Und es bleibt einfach dabei: Die EU-Versandapotheken übernehmen hierzulande keine Nacht- und Notdienste, deswegen wollen wir die Apotheke vor Ort stärken.“

Bis zuletzt hatten die Sozialdemokraten an dem Vorschlag der Gesundheitsexperten Sabine Dittmar und Edgar Franke festgehalten. Der Idee zufolge wären Rx-Boni bis zu einem Euro für alle ermöglicht worden, zeitgleich hätte das Apothekenhonorar überprüft werden sollen. Für die Union war dies keine Option: „Dem Vorschlag der SPD von Frau Dittmar und Hr. Franke können wir wiederum nicht zustimmen, weil der EuGH in seinem Urteil ja genau diese Einschränkung der Rx-Boni verboten hat.“, sagte Nüßlein.

Dass die Große Koalition in den verbleibenden knapp sechs Monaten bis zur Bundestagswahl noch irgendein Apothekenthema anfasst, ist somit mehr als unwahrscheinlich – obwohl das Bundesgesundheitsministerium weiterhin daran festhält, dass es in dieser Angelegenheit „Gespräche führt“. Nüßlein hingegen ist sich sicher, dass das Rx-Versandverbot nicht mehr umsetzbar ist. Die Union halte aber an ihrer Forderung fest, erklärte er. „Wir werden das Thema nun in den Wahlkampf mitnehmen und dafür sorgen, dass es in den nächsten Koalitionsvertrag mitaufgenommen wird. Das Rx-Versandverbot bleibt unsere Kernforderung.“

Gut möglich ist also, dass der Versandhandel zum Wahlkampfthema wird – sowohl bei der anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, als auch im Bund. Mit Versprechen im Koalitionsvertrag hatten die Apotheker zuletzt übrigens nicht so viel Glück: Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte angekündigt, Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten zu verbieten, es dann aber nicht umgesetzt.

Rein theoretisch bliebe der Union natürlich noch die Möglichkeit, das Rx-Versandverbot gemeinsam mit der Linksfraktion zu beschließen. Am 17. Mai stimmt das Parlament über einen Antrag der Oppositionsfraktion zum Versandverbot ab. Dieser Option erteilt Nüßlein aber eine entschiedene Absage: „Dem Antrag der Linken können wir natürlich nicht zustimmen. Man muss seinem Koalitionspartner gegenüber bei allem Streit natürlich anständig bleiben. Ich weiß, dass die SPD geneigt ist, mit der Linken zusammen zu arbeiten. Wir werden aber gerade mit der Linksfraktion nichts beschließen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Koalitions"partner"

von Florian Becker am 04.04.2017 um 10:49 Uhr

Soso.. man muss dem Koalitionspartner gegenüber anständig bleiben?
Auch wenn der ganz eindeutig ein perfides Spiel um die Versorgung, samt der daran hängenden Existenzen spielt?
Auch wenn dessen Ansicht der angeblichen eigenen Überzeugung diametral entgegensteht?
Auch wenn der im Wahlkampf ganz unverfroren und offen mit einer anderen Partei liebäugelt?
Auch wenn man seine angeblich feste Überzeugung mit einer Mehrheit über sonst eigentlich unvereinbare Lager durchsetzen und so ein noch stärkeres Zeichen für eine pragmatische, an den Menschen orientierte Politik setzen könnte?

Ehrlich Herr Nüsslein: Sie sehen mich höchst erstaunt angesichts solch vorbildlicher Anständigkeit einem Falschspieler gegenüber..
Aber "politische Anständigkeit" ist eben auch etwas ganz anderes, als das, was sich normale Menschen unter "anständig" vorstellen..

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Welches Datum haben wir heute ?

von Michael Wiench am 01.04.2017 um 8:47 Uhr

Richtig, der erste April ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Koalitionsvertrag

von Pierre Roer am 31.03.2017 um 20:21 Uhr

Dass ich nicht lache!
In einem Koalitionsvertrag vor einigen Jahren (CDU-FDP) stand auch mal, man wolle die "Auswüchse des Versandhandels" (= "Pickup") bekämpfen..... und obwohl die Parteien an der Macht waren und Mehrheiten hatten, geschah nichts. Koalitionsvertrag pffff.... ich hätte da mal einen Vorschlag, was Sie mit dem machen können, Herr Nüsslein.

Ausserdem: "Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd" (Bismarck)

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Äh...

von Michael Staesche am 31.03.2017 um 16:34 Uhr

...in den Koalitionsvertrag? Dann müßten die nächstes Mal mitregieren. Und was ist, wenn nicht? Wohlfeile Worte...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

CSU

von Karl Friedrich Müller am 31.03.2017 um 15:43 Uhr

Die CSU ist die einzige Partei, die versteht, um was es geht. Vielen Dank dafür.. Schade, dass sie nicht bundesweit antritt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: CSU und Wahlkampf

von Dr Schweikert-Wehner am 31.03.2017 um 15:54 Uhr

Ich fühle mich eher als Wahlkampfmunition. Die Risiken, wenn das Problem auf die lange Bank geschoben wird, sind sehr groß. Was machen wir denn, wenn die Schlaumeier gegen die Unglichbehandlung klagen und recht bekämmen. Dann wären alle Dämme gebrochen und es wird fröhlich gestorben.

AW: CSU

von Christian Giese am 31.03.2017 um 16:33 Uhr

Viel zu gewagt, sich nur an eine Brust zu werfen.
Was haben wir denn gelernt?
Wir haben gelernt, dass es nicht mehr auf unsere Inhalte ankommt, sondern nur auf unsere Nützlichkeit.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.