Interview Fritz Becker (DAV)

„Ich hatte wegen der Rabattverträge die Polizei in der Apotheke“

Berlin - 05.04.2017, 07:00 Uhr

Rückblick: DAV-Chef Fritz Becker berichtet im Interview, welche Probleme er und der DAV nach der Einführung der Rabattverträge für die Apotheker beseitigen konnten. (Foto: Sket)

Rückblick: DAV-Chef Fritz Becker berichtet im Interview, welche Probleme er und der DAV nach der Einführung der Rabattverträge für die Apotheker beseitigen konnten. (Foto: Sket)


Becker: Rabattverträge haben auch Vorteile

DAZ.online: Wie veränderte sich denn der Generika-Markt aus Ihrer Sicht?

Becker: Da waren schon enorme Veränderungen in kürzester Zeit zu beobachten. Schon nach der ersten Ausschreibung war klar, dass sich der Markt konzentrierte auf ein paar wenige Hersteller. Die Hersteller gaben den Preisdruck an ihre Wirkstofflieferanten weiter. Vor den Rabattverträgen hatten die Hersteller bis zu fünf verschiedene Lieferanten zur Auswahl, heute sind es oft nur noch zwei.

DAZ.online: Wie nahmen denn die Kunden die Rabattverträge an?

Becker: Auch das war extrem schwierig. Es gab sehr oft große Diskussionen. Die Kunden wussten nicht, was Rabattverträge sind. Es gab einen enormen Erklärungsbedarf. Das hat sich aber deutlich geändert: Die Verträge sind anscheinend in der Gesellschaft angekommen. Die Kunden vertrauen uns wieder. Sie wissen, dass es im Grunde das gleiche Medikament ist, obwohl die Farbe der Pille wechselt. Diese Gespräche hatten aber auch ihre Vorteile.

DAZ.online: Welche denn?

Becker: Man kam mit den Patienten ins Gespräch. Plötzlich merkten wir, was die Patienten teilweise alles gleichzeitig einnahmen. Durch diese intensiven Gespräche konnten wir meiner Meinung nach viel mehr Wechselwirkungen aufdecken.

DAZ.online: 2009 wurden Sie Chef des Deutschen Apothekerverbandes. Etwa zwei Jahre später wurde eine Änderung an den Rabattverträgen eingeführt: die Mehrkostenregelung. Jeder Kunde kann dabei das Medikament seiner Wahl bekommen, wenn er den vollen Preis in der Apotheke bezahlt und das Rezept bei der Kasse abrechnet. Warum wird die von den Kunden nicht angenommen?

Becker: Das hatte sich schnell wieder erledigt. Die Patienten mussten ja feststellen, dass die Kassen nur die Netto-Ausgaben erstatten. Wenn das Medikament für die Versicherten also 20 Euro kostet, erhalten sie oft nur 8 oder 9 Euro von der Kasse zurück. Alle Abschläge fallen ja weg.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Verdrängung

von Reinhard Rodiger am 05.04.2017 um 12:36 Uhr

Ich kann mich gut daran erinnern,dass die kasseninduzierte Mehrarbeit von einer Erhöhung des Zwangsrabatts ausgeschmückt wurde.Nie wurde eine Bezahlung ernsthaft zur Diskussion gebracht.Allein das zeigt, dass etwas aus dem Gleichgewicht geriet.Jetzt so zu tun,als ob alle Schwierigkeiten ganz easy gelöst wurden und es ein wunderbares Arbeiten ist, grenzt an Verdrängung der realen Erlebnisse.Sanft ausgedrückt.
Für die Kassen eine Erfolgsstory,für die wirtschaftliche Vertretung der Apotheker ein Desaster.Da jetzt alles glatt läuft und alles so schön ist,ist ja nichts mehr erreichbar.
Dabei sind die Auswirkungen der Kassenpolitik immer schärfer.Die Engpässe bei Lieferung,Konzentration der Produktion und Monopolisierung der Wirkstoffherstellung
sind sogar in das Bewusstsein von Prof.Glaeske vorgedrungen.Er ist ausgewiesener Kassenfreund.Hierzu nichts zu sagen ist Missachtung derer, die täglich damit umgehen müssen.
Mir fehlt völlig die Herausarbeitung der Leistung, die hinter der Bewältigung der Erklärungsarbeit und dem zeitfressenden Kontrollen stehen.Das ist der eigentliche Erfolg.
Es wird der Eindruck völliger Leichtigkeit mit skurrilen Tönen vermittelt. Das ist wiederum Verkennung der Notwendigkeit.

Wenn der Aufwand zu kasseninduzierter und unbezahlter Mehrarbeit so heruntergespielt wird,dann ist nicht verwunderlich, dass niemand gewillt ist, das ernst zu nehmen.

Insgesamt ist dieses Fazit eine Dokumentation von mangelnder Achtung und Verkennung der eigentlichen Aufgaben.

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Becker und die "Rabattverträge"

von Heiko Barz am 05.04.2017 um 11:54 Uhr

So wie ich informiert bin, Kollege Becker, haben Sie mit am Verhandlungstisch gesessen, als die sogenannten "Rabattverträge" mit der GKV abgeschlossen wurden.
Ich habe schon an anderer Stelle bemerkt, dass das Wort " Rabattvertrag" äußerst irreführend ist. Es induziert beim Gespräch mit dem Patienten, dass der Apotheker seine Hand des Nehmens mit im Spiel haben muß.
Meinung der Patienten, Neudeutsch:
Na ja, is klar, ne! ( dass ihr Apotheker sowas auch noch umsonst macht, glaubt doch kein Mensch !)
Sie behaupten, dass Ihre Patienten in Ihrer Apotheke mittlerweile genügend informiert sind, und diesen für mich immer noch maßlos latenten "Rabatt" Zustand als normal empfinden. Das sehen Sie wohl durch eine zu rosa gefärbte Brille.
Die Pharmazie bewegt mein Leben nun schon seit über 50 Jahren und ich muß sagen, dass das letzte Jahrzehnt als einziges Katastrophenszenario anzusehen ist.
Auch wenn wir den Patienten mit 'Engelszungen' die Geizpolitik der GKVen zu erklären versuchen, so werden wir weiterhin als Preistreiber beschimpft. Das Gleiche gilt nach wie vor für die sonderbaren Zuzahlungskriterien der Kassenrezepte.
Beide Beispiele zeigen, dass die KKassen sich wenig bemüht haben, ihren Beitragszahlern diese Pflichtsysteme so zu erklären, dass sie nachhaltig Wirkung zeigen.
In den Verhandlungen zu diesen Verträgen hätte man verlangen müssen, dass sich die KKassen mit Nachdruck zur Aufklärung ihrer Mitglieder verpflichtet hätten.
Mit diesem destruktiven Mangel schlagen wir uns nun schon seit 2004 herum, ohne einen positiven Trend zu erfahren.
Neuerdings wird ja auch klar, dass das Versprechen der KKassen, die Rezeptgebühr auf Grund der guten Ertragslage weiter zurückzuführen, ins Gegenteil umschlagen ist. Es gibt dagegen immer weniger befreite AM und der Trend ist sichtbar, dass in Kürze eine Befreiung ganz wegfällt.
Standartbefreite natürlich ausgenommen.
Welche unglaublichen Summen wir Apotheker uneigennützig den KKassen in sklavenhaltiger Abhängigkeit in deren Bilanzen drücken ist arbeitsmoralisch kaum noch vertretbar.
MfrG
Heiko Barz

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