Gemeinsamer Bundesausschuss

Warum stockt es beim Innovationsfonds?

Berlin / Stuttgart - 05.04.2017, 15:05 Uhr

Hecken: Verwendung öffentlicher Gelder genau prüfen - eigentlich eine Selbstverständlichkeit. (Foto Soeren Stache / dpa)

Hecken: Verwendung öffentlicher Gelder genau prüfen - eigentlich eine Selbstverständlichkeit. (Foto Soeren Stache / dpa)


Wer trägt die Schuld daran, dass die Projekte des Innovationsfonds mit Startschwierigkeiten kämpfen? Zahlt der G-BA die zugesicherten Gelder nicht oder trödeln die Projektnehmer? Keiner will den „Schwarzen Peter“ zugeschoben bekommen. Dass der G-BA die Fördergelder nicht bezahle und der Fonds innovationsfeindlich sei, will Josef Hecken nicht wahrhaben: Er sei schließlich kein „Selbstbedienungsladen“.

Heiße Diskussionen liefern sich derzeit der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und die Projektinitiatoren des Innovationsfonds. Dieser scheint nicht so richtig in die Gänge zu kommen. Woran liegt es? Verzögert der G-BA die Zahlungen an die Projektnehmer – oder erfüllen diese schlichtweg ihre Auflagen nicht?

Anlass für den aktuellen Schlagabtausch war eine initiale Aussage von Dr. Susanne Ozegowski im Rahmen eines Gesundheitsnetzwerkongresses. Gegenüber der Ärzte Zeitung bemängelte sie die Umsetzung und sieht den G-BA offensichtlich mit seinen Pflichten im Verzug: „Es sind bislang keine Fördergelder ausbezahlt und vermutlich auch keine endgültigen Förderbescheide rausgegangen". Ozegowski spricht als Geschäftsführerin des Bundesverbandes Managed Care (BMC). Dieser setzt sich für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems ein und versteht sich als „Innovationsforum an der Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft  und Gesundheitswirtschaft“.

Auch Dr. Hans Joachim Helming schloss sich dieser Kritik an. Als betroffener Projektnehmer fühlt sich Helming vom G-BA wohl ebenfalls nicht ausreichend unterstützt. Er bezeichnet den Innovationsfonds an der Stelle als innovationsfeindlich, „wo es strukturell um die Umsetzung gehen soll.“ 

Heckens Argumente: G-BA nicht untätig

Der Adressat dieser Vorwürfe, Josef Hecken (Vorsitzender des Innovationsausschusses beim G-BA), wollte diese nicht auf sich sitzenlassen. Als „geradezu grotesk“ bezeichnet Hecken die Anschuldigung in einer Pressemitteilung. Und hat dafür auch Argumente. So nehme der G-BA die Unterstützungsleistung für die Projektnehmer durchaus ernst. Man tue alles, um die Projekte zügig starten zu lassen. Was kann Hecken argumentativ ins Feld führen?

3500 Beratungsgespräche, 422 Ablehungsbescheide, 91 Förderbescheide, 26 Änderungsbescheide und 259 Benachrichtigungen – insgesamt käme man so auf fast 800 Bescheide an die Antragsteller, verteidigt Josef Hecken die Position des G-BA beim Innovationsfonds. Die Behauptung des BMC, dass endgültige Förderbescheide noch immer auf sich warten ließen „ist unrichtig“, entkräftet der G-BA-Chef diese. Eine mangelnde Kooperation erkennt Hecken vielmehr auf Seite der Projektnehmer. Der G-BA erfülle seine Pflicht durchaus: „Alle Projekte haben Bescheide erhalten – nun sind die Projektnehmer am Zuge, die Voraussetzung für die Auszahlung der Mittel zu erfüllen“.

Hecken: Finanzierungspläne prüfen – pure Selbstverständlichkeit

„Einige Projektnehmer scheinen nicht verinnerlicht zu haben, dass die Fördermittel aus dem Innovationsfonds Beitragsmittel der Versicherten sind, die, solange ich Verantwortung für dieses Geld trage, nicht auf der Basis von „Wunschzetteln“ ausgezahlt werden, sondern nur auf der Basis von realistischen und nachprüfbaren Finanzierungsplänen, die auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen und die sicherstellen, dass die zur Verfügung stehenden 1,2 Milliarden Euro auch tatsächlich zweckentsprechend eingesetzt werden“, sagt Josef Hecken.

Sogar außerplanmäßige Zahlung der Fördermittel anberaumt

Hecken nimmt die Prüfpflicht für die Projekte des Innovatonsfonds sehr ernst. Er will ausschließen, dass Beitragsmittel beispielsweise unehrlicherweise „für überzogene Personalkosten oder sonstige Dinge ausgegeben werden, die nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.". Das sei eigentlich bei der Verwendung öffentlicher Gelder eine „pure Selbstverständlichkeit – dies sollte auch jedem Projektnehmer einleuchten“. Außerdem: Den Projektnehmern gingen durch ein sorgfältige Prüfung auch keine Gelder verloren, schließlich verfielen diese nicht, schwingt Unverständnis in der Stimme des G-BA-Chefs.

Die Auszahlung der Fördermittel erfolgt regelrecht quartalsweise, und zwar immer in der Mitte des laufenden Quartals. Um die Innovationsfonds-Projekte möglichst zeitnah starten zu lassen, hat man sich beim G-BA wohl sogar auf eine außerplanmäßige Zahlung geeinigt. Die erste Förderwelle soll laut Hecken Anfang Juli 2017 an die Antragsteller gehen. Ursprünglich war die Zahlung nach Angaben der Ärzte Zeitung auf den 1. April 2017 angesetzt.

Öffentliche Fördergelder gehen nicht auf kurzem Dienstweg

Unterstützung bekommt Hecken hier auch von einigen Projektnehmern. So möchte auch Professor Joachim Szecsenyi „kein DLR-Bashing" betreiben. Er leitet das Projekt „Resist“ zur Eindämmung von Antibiotika-Resistenzen und weiß: „Öffentliche Förderungen sind relativ langfristige Konstrukte". DLR-Bashing deswegen, weil der Innovationsausschuss das DLR (Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik) mit der Abwicklung der Fördermaßnahmen betraut hat.

Zum Innovationsfonds – und wie die Apotheker leer ausgingen

Der Innovationsfonds wurde im Zuge des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes 2015 eingerichtet. Mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro sollen über vier Jahre neue Versorgungsformen gefördert werden. Ein sogenannter Innovationsausschuss entscheidet über die Vergabe der finanziellen Mittel. Als Chef über den Innovationsausschuss wurde Josef Hecken benannt, unparteiisches Mitglied des G-BA. Der Fonds ist in zwei Teile aufgegliedert: Einerseits unterstützt der Fonds innovative Versorgungsmodelle und andererseits besondere Projekte zur Versorgungsforschung. Für die Versorgungsmodelle sollen jährlich 225 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, für die Forschungsprojekte weitere 75 Millionen Euro. Laut G-BA-Chef Hecken sollte ein Förderschwerpunkt für die nun erste Tranche die Arzneimitteltherapiesicherheit sein.

Eine Niederlage erfuhren die Apotheker jedoch bei der ersten Vergabewelle der Projekte. Wurde initial die Bedeutung von Projekten zur Arzneimitteltherapiesicherheit betont, blieben diese bei den Zuschlägen allerdings nahezu unberücksichtigt. Von den insgesamt 29 Projekten drehen sich gerade einmal magere vier Modelle um AMTS. Und als weiterer ernüchternder Rückschlag für die Apothekerschaft: An diesen vier AMTS-Projekten sind die Apotheker noch nicht einmal maßgeblich beteiligt. Allerdings erhielten die Apotheker vor wenigen Wochen einen Zuschlag im Bereich der Versorgungsforschung.

Korrektur vom 11.April: in einer ursprünglichen Version hieß es  „Professor Joachim Szecsenyi wolle ‚ein DLR-Bashing' betreiben". Der Fehler wurde korrigiert, richtig ist „kein DLR-Bashing".



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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