Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung

Apotheker kritisieren geplante „Mischrezepte“

Berlin - 18.04.2017, 18:00 Uhr

Auch Apothekern fordern die geplanten Änderungen zur Substitutionstherapie einiges ab. (Foto: dpa)

Auch Apothekern fordern die geplanten Änderungen zur Substitutionstherapie einiges ab. (Foto: dpa)


Die Bundesregierung will die Regelungen zur Substitutionstherapie neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen. Unter anderem sollen die Möglichkeiten der Take-Home-Verordnung ausgeweitet werden. Doch das ist nicht das einzige, was der ABDA an den Plänen des Verordnungsgebers missfällt.

Die ärztliche Substitutionstherapie von Opiat-Abhängigen wurde vor über 20 Jahren in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) verankert. Seitdem haben alle Beteiligten Erfahrungen gesammelt und die Therapie hat sich zu einer wissenschaftlich allgemein anerkannten, evidenzbasierten Behandlungsmethode sowie zur GKV-Regelleistung entwickelt. Nun ist es an der Zeit für weitere Anpassungen, meint die Bundesregierung – und hat dem Bundesrat eine Änderungsverordnung vorgelegt. Darin konstatiert sie, dass sich die heutige Erkenntnis- und Versorgungslage deutlich von der Situation beim Inkrafttreten der Substitutionsregelungen unterscheidet. Die Vorgaben des Substitutionsrechts in der BtMVV seien daher an Erkenntnisse des wissenschaftlichen Fortschritts und an praktische Erfordernisse anzupassen.

Was ist konkret geplant? Zum einen sollen Regelungen zu Sachverhalten, die unmittelbar ärztlich-therapeutische Bewertungen betreffen, aus dem Rahmen unmittelbar bundesrechtlicher Regelungen der BtMVV in die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer (BÄK) überführt werden. Dies betrifft Feststellungen zu den Voraussetzungen für die Einleitung einer Substitutionstherapie, zum Beikonsum, zum Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme sowie zur Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Einbeziehung psychosozialer Betreuungsmaßnahmen.

Substitutionsmittel künftig auch in der Reha und im Pflegeheim

Vor dem Hintergrund, dass Substitutionspatienten heute häufiger als früher ein höheres Lebensalter erreichen, gleichzeitig aber auch einen frühzeitigeren Bedarf an stationären oder häuslichen Pflege- oder Rehabilitationsmaßnahmen haben, soll zudem der Katalog der Einrichtungen, in denen das Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden darf, erweitert werden: Auch in stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation, auf Gesundheitsämtern, in Alten- oder Pflegeheimen sowie Hospizen soll es die Mittel geben. Zudem soll bei bestehendem ambulanten Versorgungsbedarf auch das Überlassen des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch durch Ärzte beim Hausbesuch und durch ambulantes Pflegepersonal möglich sein.

Bis zu 30 Tage Take-Home-Verordnung

Nicht zuletzt werden die Möglichkeiten für Take-home-Verschreibungen erweitert. So wird die bisherige Zwei-Tage-Ausnahmereglung beibehalten, der Überbrückungszeitraum aber ausgedehnt, wenn einem Wochenende Feiertage vorgehen oder folgen, auch wenn ein Brückentag dazwischenliegt (bis zu maximal fünf Tage). Neben der bisherigen Sieben-Tage-Regelung soll der Arzt künftig in begründeten Einzelfällen Substitutionsmittel für bis zu 30 Tage verordnen können. Dies soll die Patientenautonomie stärken und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, insbesondere dem Erwerbsleben, fördern. Bei derartigen großen Take-Home-Verordnungen kann der substituierende Arzt zudem festlegen, dass das Substitutionsmittel dem Patienten in Teilmengen zu bestimmten Zeitpunkten zum unmittelbaren Verbrauch in der Apotheke oder der Arztpraxis (Sichtvergabe) zu überlassen ist.

ABDA kritisiert Mehraufwand ohne finanziellen Ausgleich

Doch wo sind die Knackpunkte aus Sicht der Apotheker? Die ABDA schreibt in ihrer Stellungnahme zum Verordnungsentwurf, dass eine sachgerechte Weiterentwicklung der betäubungsmittelrechtlichen Substitutionsvorschriften begrüßt. Die Apothekerschaft halte ihre auch in der Vergangenheit stets bekräftigte Bereitschaft, ihren Beitrag an der Versorgung von Substitutionspatienten leisten zu wollen, weiterhin aufrecht, heißt es dort. Dennoch fordert sie zahlreiche Änderungen an den Plänen des Verordnungsgebers. So widerspricht die ABDA dem Entwurf ausdrücklich, soweit er einige Pflichten einseitig von Ärzten auf andere Fachkreise, so auch Apotheker, verlagert. So ist etwa vorgesehen, dass Dokumentationspflichten des behandelnden Arztes unter anderem auf die Apotheke übertragen und gleichzeitig eine monatliche Informationspflicht über die Nachweisführung gegenüber dem ursprünglich verantwortlichen Arzt geschaffen wird. Zudem entstehe den Apotheken erheblicher Mehraufwand, wenn der Arzt bei den 30-Tage-Verordnungen patientenindividuellen Verabreichungs- bzw.- Abgabezeitpunkte festlege. Dieser betreffe nicht nur die Lagerung des Anbruchs des Substitutionsmittels, sondern insbesondere eine Vervielfältigung der Abgabeprozesse gegenüber einem Substitutionspatienten sowie die Dokumentation. Besonders missfällt der ABDA, dass keinerlei finanzieller Ausgleich für die Zusatzaufgaben vorgesehen ist.

Hohes Missbrauchspotenzial befürchtet

Ohnehin hält die ABDA nichts vom ausgeweiteten Take-Home-Bedarf. Schon dass das bisherige grundsätzliche Verbot der Aushändigung der Substitutionsverschreibung an den Patienten gestrichen werden soll eröffne Möglichkeiten für Missbrauch und Manipulationen/Fälschungen der Verschreibungen. Auch die 30-Tage-Regelung lehnt die ABDA unter Hinweis auf die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs, die fehlende therapeutische Rationale und die erhebliche Zunahme des Aufwands von an der Substitution beteiligten Apotheken ab.

Ebenfalls problematisch sei die angedachte Schaffung eines „Mischrezepts“ für Take Home-Bedarf und Substitutionsmittel zum Sichtbezug im Rahmen der Take-home-Verschreibungen für bis zu 30 Tage. Hier setzt die ABDA an zahlreichen kritischen Punkten an. Unter anderem sei ein solches Mischrezept im Bereich der betäubungsmittelrechtlichen Substitutionsvorschriften ein „Fremdkörper“ und seine therapeutische Rationale nicht erkennbar: „Wenn der Patient stabil genug ist, so dass ihm das Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme auch über den Bedarf von sieben Tagen hinaus verordnet werden kann, ist auch ein zwischenzeitlicher Sichtbezug nicht notwendig. Erscheint dem behandelnden Arzt der Patient dagegen nicht stabil genug, so dass er eine zwischenzeitliche Kontrolle in Form des Sichtbezugs für notwendig erachtet, sind die Voraussetzungen für die Verschreibung des Take-home-Bedarfs eben nicht erfüllt und der Arzt muss wieder zur Sichtvergabe zurückkehren“, argumentiert die ABDA nachvollziehbar. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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