Schweiz

Wenn zwölf Apotheker eine Apotheke besitzen

Berlin - 25.04.2017, 07:00 Uhr

Neues Geschäftsmodell: In der Schweiz haben zwölf Apotheker gemeinsam eine Aktiengesellschaft gegründet, um eine Apotheke zu eröffnen. (Foto: KSW Winterthur)

Neues Geschäftsmodell: In der Schweiz haben zwölf Apotheker gemeinsam eine Aktiengesellschaft gegründet, um eine Apotheke zu eröffnen. (Foto: KSW Winterthur)


In der Schweiz entstehen derzeit an Krankenhäusern (oder „Spitäler“, wie sie in der Schweiz heißen) Kooperationsapotheken, bei denen mehrere Apotheker eine Offizin betreiben. Bei unseren Nachbarn gibt es kein Fremd- und Mehrbesitzverbot. Basis für das neue Geschäftsmodell ist daher eine gemeinsame Aktiengesellschaft. In Winterthur nahm jetzt die jüngste ihren Betrieb auf.

Apotheker stehen untereinander in einer manchmal harten Konkurrenz, bei der so manche Apotheke letztlich auf der Strecke bleibt. Dass aber auch gemeinsam ein gutes Geschäft gemacht werden kann – und das zum Wohle der Patienten, zeigen gerade neue Geschäftsmodelle in der Schweiz. Ende März öffnete dort jetzt die neue Apotheke im Kantonsspital Winterthur (KSW) ihre Pforten. Das Besondere an der öffentlichen Apotheke im Spital: Sie wird gemeinsam von zwölf Apothekern aus der Region und dem KSW in Form einer Aktiengesellschaft betrieben.

„Es stimmt, es ist manchmal eine spezielle Situation“, sagt Holger Auerbach, Verwaltungsratspräsident der „Apotheke im KSW“ AG. „Wir haben im Aktionariat zwölf Apotheken, die miteinander im Wettbewerb stehen. Und plötzlich sollen diese gemeinsam bei der Apotheke im KSW an einem Strick ziehen.“ Aber bisher klappe das sehr gut, zieht Auerbach eine vorläufige Bilanz. „Man merkt zwar Unterschiede in der Geschäftsphilosophie der einzelnen Apothekenvertreter, aber alle sind daran interessiert, dass die Apotheke im KSW zum Erfolgsmodell wird.

2009 erste Gespräche über Kooperation geführt

Vorläufig hat die neue öffentliche Offizin für vier Jahre ein Container-Provisorium mit Anbindung an den Haupteingang des Kantonsspitals bezogen. Bis zum Jahr 2021 wir das Spital neu gebaut, das eines der zehn größten Krankenhäuser der Schweiz ist. Mit 500 Betten, 3000 Mitarbeitern und im Schnitt jährlich rund 200.000 Patienten ist es für die medizinische Grundversorgung in der Region der 108.000-Einwohnerstadt Winterthur im Kanton Zürich zuständig. Mit dem Neubau soll dann auch die Offizin in bereits reservierte Flächen im Eingangsbereich des Spitals umziehen. Das Spital selbst ist mit 34 Prozent an der Apotheken-Aktiengesellschaft beteiligt.

„Soweit ich mich erinnere, haben die Gedanken und Gespräche über die Apotheke im KSW im Jahr 2009 begonnen. Das KSW hat damals erkannt, dass bei der Medikamentenversorgung nach Spitalaustritt ein Defizit besteht, und andererseits sind Apotheken auf das Spital zugegangen. Es gab dann intensive Diskussion im KSW, ob man die Apotheke selbst betreiben möchte, an eine Kette vergibt oder als gemeinschaftliches Projekt in der Spitalregion Winterthur umsetzt“, sagt Auerbach. Eine Apotheke, die vom KSW selbst oder nur von einer Apotheke betrieben worden wäre, hätte aber weiterhin die Schnittstellenprobleme zwischen Spital und nachgelagerten Apotheken nicht gelöst, erklärt Auerbach. Daher sei es nur logisch gewesen, dass in dem neuen Versorgungskonzept möglichst viele Apotheken eingebunden werden sollten, sagt er.

Apotheke ist mit Spital und Offizinen in der Region vernetzt

„Der wesentliche Vorteil ist nun sicherlich die unmittelbare und niederschwellige Versorgung der Patienten mit den notwendigen Medikamenten, gerade auch bei Mobilitätseinschränkung oder außerhalb der Öffnungszeiten der Stammapotheken“, sagt der Verwaltungsratspräsident. Gleichzeitig werde auch die Patientensicherheit erhöht, der Patient bekomme vom Apotheker die richtige Anwendung und Dosierung erklärt, Interaktionen würden überprüft und Substitutionen angepasst. „Und dann entwickeln wir derzeit noch eine permanente Austauschmöglichkeit zwischen dem KSW, der Apotheke im KSW und den eingebundenen Stammapotheken. Das heißt, alle drei Leistungserbringer sind über Dosierung und Medikamentenbezug informiert und sichern damit eine optimale Versorgung des Patienten ab.“ Bis Mitte 2017 soll dieser Prozess vollständig etabliert sein, sagt Auerbach.

Das entspricht der Zielsetzung der Apotheke, die neben den Patienten natürlich auch Besuchern und Mitarbeitern des Spitals offensteht. „Neben der Überzeugung, dass es gemeinsam besser geht, war ein weiteres Argument des KSW: ‚Wenn wir es nicht zusammen machen, dann mache ich es eben allein‘“, sagt Auerbach. Dementsprechend sei das Spital die treibende Kraft hinter der Kooperation gewesen. „Ein weiterer wichtiger Player ist der AKVZ, der Apothekerverband des Kanton Zürich“, sagt Auerbach. Dieser habe in der Startphase die Interessen der Apotheken in der Region gebündelt und eingebracht. „Und heute sitzt der Präsident des AKVZ auch im Verwaltungsrat der Apotheke im KSW AG.“

Nach Möglichkeit nur Kleinstpackungen an die Patienten

Dass die bestehenden Apotheken wohl Umsatzeinbußen erleiden werden, sei eine wesentliche Schwierigkeit. „Diese wurde durch deren Aufnahme ins Aktionariat versucht zu entschärfen. Gleichzeitig soll die Apotheke im KSW soweit möglich nur Kleinstpackungen an die Kunden abgeben, damit diese einerseits die zum Teil neuen Medikamente zunächst auf Verträglichkeit ausprobieren können und andererseits zu ihrer Stammapotheke zurückgeführt werden“, erklärt Auerbach.

Die Akzeptanz durch die Kunden jedenfalls sei bislang sehr gut. „Die Kundenfrequenz ist bereits sehr hoch. Besonders hervorheben möchte ich aber die Akzeptanz auf Seiten der KSW-Mitarbeiter. Sowohl die verschreibenden Ärzte als auch die Pflege scheinen auf das Angebot der Apotheke im KSW gewartet zu haben – von allen Seiten wird die Apotheke derzeit in die Prozesse im Spital eingebunden, und dies ist für uns ein sehr positives Zeichen.“

Modellcharakter für die Schweiz – aber wohl nicht für Deutschland

Auerbach geht davon aus, dass die Apotheke im KSW in dieser Form Modellcharakter für die Spitäler in der Schweiz haben könnte. „Wenn man wie wir davon überzeugt ist, dass in Zukunft die Vernetzung der Leistungserbringung zwingend ist, dann ist die Apotheke im KSW ein Modell mit Vorbildcharakter und dem Potenzial für vielfältige gemeinsame Weiterentwicklungen.“

Die Apotheke im KSW ist in der Schweiz die zweite Apotheke, die in Form einer Kooperationsapotheke auf Basis einer Aktiengesellschaft betrieben wird. Bereits Anfang des Jahres eröffnete die „Apotheke im Spital Aarau“ in der 20.000-Einwohner-Stadt Aarau im Kanton Aargau ihre Pforten. Dort schlossen sich 31 Apotheken der Region zusammen und gründeten die betreibende AG.

In Deutschland ist dieses Geschäftsmodell aufgrund des bestehenden Fremd- und Mehrbesitzverbotes nicht möglich. Darauf weist auch die ABDA in einem Statement ausdrücklich hin: „In Deutschland ist der Betrieb einer Apotheke in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach § 8 ApoG unzulässig. Diese Regelung bildet im Zusammenspiel mit der Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung nach § 7 ApoG den Kernbestandteil des apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbots, für dessen Erhalt sich die ABDA maßgeblich einsetzt“, sagt eine Sprecherin der Bundesvereinigung.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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