Konsensuspapier der Atherosklerose-Gesellschaft 

Je früher Lipidsenker, desto besser

Remagen - 09.05.2017, 16:55 Uhr

Wie wichtig ist es, das LDL-Cholesterin frühzeitig zu senken? Experten streiten sich seit Jahren. (Foto: jarun011 / Fotolia)

Wie wichtig ist es, das LDL-Cholesterin frühzeitig zu senken? Experten streiten sich seit Jahren. (Foto: jarun011 / Fotolia)


Wie schädlich ist LDL-Cholesterin? Darüber diskutieren Experten seit Langem. Erst kürzlich behaupteten drei namhafte Kardiologen in einem Editorial im British Journal of Sports Medicine, dass LDL bezüglich des kardiovaskulären Risikos überbewertet werde. Die Europäische Atherosklerose-Gesellschaft hingegen kommt zu einem anderen Schluss. Nach Meinung der Fachgesellschaft verursacht hohes LDL ganz klar atherosklerotische Herz-Kreislauferkrankungen.

In einem neuen Konsenspapier beurteilen Experten der Europäischen Atherosklerose-Gesellschaft (European Atherosclerosis Society, EAS) die mögliche kausale Verbindung zwischen Lipoproteinen niedriger Dichte (LDL) und atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ASCVD). Dabei stützen sie sich nach eigenen Angaben auf die „gesamte Evidenz aus genetischen Studien, prospektiven epidemiologischen Kohortenstudien, Mendelschen Randomisierungsstudien und randomisierten Studien zu LDL-senkenden Therapien“. (Eur Heart J. 2017; online 24.April). Das Konsensus-Statement kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass LDL ist nicht nur ein Biomarker für ein erhöhtes Risiko ist, sondern definitiv ein ursächlicher Faktor in der Pathophysiologie atherosklerotischer Herz-Kreislauferkrankungen. 

Zusammenhang ist plausibel und spezifisch

Die EAS-Experten bezeichnen ihre Schlussfolgerung als plausibel, weil LDL und andere Apolipoprotein (apo) B-haltige Lipoproteine direkt in die Initiierung und Progression von atherosklerotischen Herz-Kreislauferkrankungen verwickelt sind. Experimentell induzierte Erhöhungen des Plasma-LDL und anderer apoB-haltiger Lipoproteine hätten bei allen untersuchten Säugetierarten zu einer Atherosklerose geführt. Sie halten den Zusammenhang überdies für spezifisch, das heißt für unabhängig von anderen Risikofaktoren.

Außerdem ist die Beweislage für die Experten absolut konsistent. Getrennte Metaanalysen von über 200 prospektiven Kohortenstudien, Mendelschen Randomisierungsstudien und randomisierten Studien mit mehr als zwei Millionen Teilnehmern, über zwanzig Millionen Personenjahren Follow-up und mehr als 150 000 Herz-Kreislauf-Ereignissen zeigten eine „bemerkenswert konsistente dosisabhängige Log-lineare Beziehung zwischen der absoluten Größe der Exposition des Gefäßsystems gegenüber LDL-Cholesterol und dem Risiko solcher Erkrankungen. Dieser Effekt scheint mit zunehmender Dauer der Exposition gegenüber LDL-Cholesterol zuzunehmen.

LDL-Senkung reduziert definitiv das Herz-Kreislaufrisiko

Die Datenlage lässt überdies eindeutig darauf schließen, dass das Risiko mit einer medikamentösen Intervention tatsächlich gemindert werden kann. Hierzu hat das EAS-Konsensuspanel mehr als 30 randomisierte Studien mit über 200 000 Teilnehmern und 30 000 ASCVD-Ereignissen ausgewertet, in denen Statine, Ezetimib und PCSK9-Inhibitoren eingesetzt wurden. Die Resultate zeigen ihrer Meinung nach ebenfalls konsistent, das LDL-senkende Medikamente das Risiko von ASCVD-Ereignissen proportional zur absoluten Reduktion von LDL-Cholesterol herab setzen. Alle Schlussfolgerungen genügen der Evidenzklasse 1, das heißt, dass es ausreichende Belege und/oder eine allgemeine Übereinstimmung gibt, dass die Kriterien für die Kausalität erfüllt sind.  

Jedes Jahr präventive Therapie bringt mehr

Da die Wirkung von LDL-Cholesterol auf das ASCVD-Risiko zum einen kausal und zum anderen im Laufe der Zeit kumulativ zu sein scheint, empfiehlt das Konsensus-Statement, die Plasma- LDL-Cholesterolspiegel sogar noch früher zu senken, als derzeit empfohlen. Sie quantifizieren auch konkret, in welchem Umfang dies sinnvoll und nützlich sein könnte: Jede Senkung von LDL-Cholesterol um ein Millimol pro Liter (mmol/l) soll das relative Risiko eines ASCVD-Ereignisses im ersten Jahr der Behandlung um etwa 10 Prozent senken können und nach drei Jahren Behandlung um rund 20 Prozent. Jedes Folgejahr der Behandlung nach dem dritten könnte mit einer weiteren 1,5prozentigen Reduktion des Risikos pro mmol/l und Jahr verbunden sein. Fünf Jahre Therapie mit einem Lipidsenker müssten das relative ASCVD-Risiko ihren Berechnungen zufolge pro Senkung des LDL-Cholesterols um ein mmol/l um rund 20 bis 25 Prozent verringern können und vierzig Jahre Behandlung sogar um etwa 50 bis 55 Prozent.

Erst vergangene Woche hatten drei Kardiologen in einem Editorial im British Journal of Sports Medicine eine andere Meinung vertreten. Es sei an der Zeit, den Fokus weg von der Senkung der Blutfette und der Beschränkung gesättigter Fette zu lenken, schreiben sie. Jahrzehntelang habe der Schwerpunkt auf dem Primat gelegen, das Plasma-Cholesterin zu senken – als sei dies ein Selbstzweck, wie die Wissenschaftler anmerken. Für sie ist dies jedoch eine Fehlannahme. Sie halten das Verhältnis von Gesamtcholesterin zu den Lipoproteinen hoher Dichte (HDL) für den besten Prädiktor für das Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko, nicht aber die Lipoproteine geringer Dichte (LDL). 

Das wichtigste zum Mitnehmen

Die Schlüsselergebnisse des Konsensus-Statements noch einmal zusammengefasst:

  • Die kumulative Belastung der Arterien mit LDL ist ein zentraler Faktor für die Entstehung und Progression von atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen.
  • Sowohl die proportionale (relative) Risikominderung als auch die absolute Risikoreduktion hängen davon ab, wie weit der LDL-Cholesterol-Spiegel abgesenkt wird.
  • Je niedriger LDL-Cholesterol durch Mittel, die in erster Linie auf die LDL-Rezeptoren wirken, abgesenkt wird, umso größer ist der klinische Nutzen.
  • Bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, vor allem bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie, sollte LDL-Cholesterol eher früher als später reduziert werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

und wem nützt das alles?

von norbert brand am 11.05.2017 um 8:06 Uhr

ganz klar, vierzig Jahre Compliance bei fast jedem zweiten Zweibeiner, da kommt schon was zusammen; und dabei viel Freude am Leben und v.a. am Essen. Gebt die "LDL-spezifischen" Leckerli doch gleich in die Muttermilch

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Statine

von Fridolin Kretschmer am 10.05.2017 um 12:20 Uhr

genau so ist es. Selbst in der Familie. Meine Frau ohne "Glucose Probleme" erhielt Simva, dazu einen erhöhten Blutzucker. Toll.
Nach Absetzen reversibel.
Seither auch keine erhöhten Werte.
Viele NW werden einfach ignoriert und verschwiegen. Demenz zum Beispiel.
Die Statine werden für die Industrie gepuscht. Meine Meinung. Und daher viel zu oft verschrieben.

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Je früher, desto besser

von Land-Apothekerin, Andrea am 09.05.2017 um 20:52 Uhr

Ezetimib? Ist doch viel zu teuer! Auf jeden Fall Simva- und Atorvastatin möglichst früh geben- das erhält die Kunden; die haben dann im Alter wenigstens noch einen Diabetes... upps, das erhöhte Risiko haben wir wohl vergessen zu erwähnen!
Lancet, 2010 Sattar, N, et al., Statins and risk of incident diabetes (Meta- Analyse)

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