Bundestag

Linke wollen Arzneimittel-Zuzahlungen abschaffen

Berlin - 10.05.2017, 07:00 Uhr

Die Linke ist für die Apotheke vor Ort und gegen Arzneimittel-Zuzahlungen. (Foto: Philipp Külker)

Die Linke ist für die Apotheke vor Ort und gegen Arzneimittel-Zuzahlungen. (Foto: Philipp Külker)


Immer weniger zuzahlungsbefreite Arzneimittel

Darüber hinaus hat die Linksfraktion eine Kleine Anfrage zum Thema Eigenbeteiligung GKV-Versicherter bei der Krankenbehandlung an die Bundesregierung gerichtet. Ihr Ausgangspunkt: Eine Steuerungswirkung von Zuzahlungen kann gesundheitspolitisch nicht gewünscht sein, da die Leistungen ärztlich verordnet und medizinisch notwendig sind, Versicherte wegen der Eigenbeteiligung aber möglicherweise auf sie verzichten.

Unter anderem wollte die Fraktion eine Aufstellung, wie hoch das Volumen der Zuzahlungen in den vergangenen Jahren war. Das Bundesgesundheitsministerium listet die Summen für die Jahre 2005 bis 2016 auf. Demnach ist die insgesamt geleistete Zuzahlung in dieser Zeit von 5,4 Milliarden auf knapp  3,9 Milliarden gesunken. Ein Knick erfolgte im Jahr 2013, als die bei Arzt- und Zahnarztbesuchen fällige Praxisgebühr wegfiel.

2,2 Milliarden Euro Arzneimittel-Zuzahlung in 2016

Die Zuzahlung für Arzneimittel hatte eine bewegtere Entwicklung. 2005 lag sie bei 2,1 Milliarden Euro, sank dann 2007 deutlich auf 1,6 Milliarden Euro. Der Grund: Der Gesetzgeber regelte, dass Arzneimittel, deren Preis mindestens 30 Prozent unter Festbetrag liegt, von der Zuzahlung freigestellt werden können. Zudem wurden die Rabattverträge scharfgestellt, und Krankenkassen machten von ihrer Möglichkeit Gebrauch, Rabatt-Arzneimittel ganz oder teilweise von der Zuzahlung zu befreien – nicht zuletzt, um den Versicherten eine Umstellung schmackhaft zu machen. Drei Jahre blieben die Arzneimittel-Zuzahlungen auf diesem Niveau, dann ging es stetig aufwärts – 2016 leisteten die GKV-Versicherten wieder einen Eigenbeitrag von knapp 2,2 Milliarden Euro zu Arzneimitteln.

Der kurze Boom der Zuzahlungsfreistellung zeigt sich auch in der Entwicklung der Zahl zuzahlungsfreigestellter Arzneimittel: Waren es Anfang 2010 fast 12.500 Medikamente, so waren es ein Jahr später nur noch knapp 6.700. Zum 1. April 2017 betrug ihre Zahl 3.829. Wie sich der Zuzahlungsverzicht der Krankenkassen im Hinblick auf Rabatt-Arzneimittel entwickelt hat, wurde nicht im Detail erfragt. Die Antwort bezieht sich daher nur auf die gegenwärtige Lage. Demnach gab es am 1. April 2017 nach Angaben des GKV­Spitzenverbandes für insgesamt 15.375 Fertigarzneimittel (nach PZN) Rabattverträge mit mindestens einer Krankenkasse. Für 226 davon, also rund ein Prozent, ist die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigt, für 3.933 (rund 26 Prozent) vollständig erlassen.

Belastungsgrenzen sichern soziale Ausgewogenheit

Die Linke hakt zudem nach, ob die Bundesregierung die „postulierte Steuerungswirkung“ von Zuzahlungen belegen könne – und ob sie mit der Aussage übereinstimme, Zuzahlungen könnten gesundheitspolitisch nicht erwünscht sein. Hierzu verweist die Antwort auf eine Evaluation des GKV-Spitzenverbandes von 2012 und bleibt im Übrigen allgemein: „Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen sollen neben ihrem Finanzierungsbeitrag zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Überforderung das Bewusstsein für die Kosten medizinischer Leistungen und die Eigenverantwortung der Versicherten stärken“. Belastungsgrenzen sorgten dabei für die soziale Ausgewogenheit und verhinderten, dass Versicherte finanziell überfordert werden und auf medizinisch notwendige Behandlungen verzichten. Sie schließt aus, dass Menschen durch Zuzahlungen unter das Existenzminimum fallen.

Auf die Frage, ob eine Abschätzung möglich ist, wie viele Leistungen wegen der Steuerungswirkung von Zuzahlungen nicht in Anspruch genommen werden, erklärt die Regierung, hierzu gebe es keine Erkenntnisse. Sie betont aber, dass die deutschen Regelungen im internationalen Vergleich „sehr moderat und sozial verträglich ausgestattet sind, sodass niemand aus finanziellen Gründen auf eine notwendige Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen verzichten muss”.

Harald Weinberg, Sprecher der Fraktion Die Linke für Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie, bleibt hingegen der Auffassung: „Es ist nicht sinnvoll, kranke Menschen zusätzlich mit Zuzahlungen und anderen Eigenbeteiligungen zu belasten. Zuzahlungen wälzen einen Teil der Behandlungskosten auf die Patientinnen und Patienten ab. Einen anderen Zweck erfüllen sie nicht, denn die behauptete Steuerungswirkung konnte bis heute nicht nachgewiesen werden.“   



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

BlaBla

von Anita Peter am 10.05.2017 um 8:08 Uhr

"Auf die Frage, ob eine Abschätzung möglich ist, wie viele Leistungen wegen der Steuerungswirkung von Zuzahlungen nicht in Anspruch genommen werden, erklärt die Regierung, hierzu gebe es keine Erkenntnisse."

Es kann keine Erkenntnisse geben, weil es keine Steuerungswirkung gibt. Das Medikament verordnet sich der Patient ja nicht selber, sondern der Arzt. Der Patient hat also nur die Möglichkeit, das Rezept nicht einzulösen. Da hatte die Praxisgebühr zehnmal mehr Steuerungsfunktion als die Zuzahlung auf AMs.
Warum kann die Politik keine ehrlich Antwort geben? Die Zuzahlung ist eine Selbstbeteiligung und hält den KV Beitrag "niedrig". Fallen die Zuzahlungen weg, steigt der KV Beitrag.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: BlaBla

von Der Prof. am 10.05.2017 um 8:48 Uhr

sehr richtig, genau so ist es!

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