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Österreich
Gericht widerspricht EuGH-Urteil zur Bedarfsplanung
Zweiter „Anlauf“ beim EuGH
In
seinem Beschluss vom 30. Juni 2016 (Rechtssache C‑634/15 „Sokoll-Seebacher II –
Naderhirn“) stellte der
EuGH klar, dass das Kriterium einer starren Grenze der Personenzahl bei der
Prüfung des Bedarfs „allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung
unterzogen wird, angewendet werden dürfe“. Andersherum ausgedrückt, so
folgerte die Österreichische Apothekerkammer, müsse es überall in Österreich
möglich sein, die Personengrenze von 5500 im Rahmen der Bedarfsprüfung unter
bestimmten Bedingungen zu unterschreiten.
Apothekengesetz wieder angepasst
Daraufhin musste das heimische Apothekengesetz erneut nachgebessert werden. Nun darf die Grenze immer dann unterschritten werden, „wenn es aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken geboten ist“. Die Änderung ist am 7. Dezember 2016 in Kraft getreten.
Zu früh gefreut
Inzwischen hatten oberösterreichische Apotheker, die zunächst ebenfalls an der Bedarfsprüfung gescheitert waren, auf Geheiß des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich ihre beantragten Lizenzen erhalten, unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH. Nach „Wegfall“ der 5500er-Regel waren aus der Sicht des Gerichts alle sonstigen Voraussetzungen im Rahmen der Bedarfsprüfung gegeben und die Anträge somit positiv zu bescheiden. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof sieht das allerdings anders. Ein Apotheker hatte sich über eine außerordentliche Revision beim VwGH gewehrt und bekam Recht. Mit einem Urteil vom 29. März 2017 (Ra 2016/10/0141), das jetzt in der Tiroler Zeitung aufgegriffen wurde, erachtet er die Entscheidung als rechtswidrig und hebt sie auf. Der VwGH ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des EuGH nicht etwa die Prüfung des Bedarfs als solche als unionrechtswidrig erachtet, sondern lediglich das zahlenmäßig starre Ausschlusskriterium. Das Verfahren sei fortzusetzen, und die Apothekerkammer müsse, wie nach dem Apothekengesetz vorgesehen, ein Gutachten dazu erstellen.
EuGH-Entscheidung kann nicht direkt angewendet werden
Keinesfalls sei die Entscheidung des EuGH unmittelbar in Österreich anzuwenden gewesen, meint der VwGH, denn es habe sich um ein Verfahren mit reinem Inlandsbezug gehandelt. Da sei die Meinung des EuGH lediglich als „von Nutzen“ für die Entscheidungsfindung einzustufen. Außerdem habe ein „erhebliches öffentliches Interesse“ daran bestanden, dass die österreichischen Bestimmungen für Apotheken bis zu einer Neuregelung bestehen bleiben. Diese sei ja dann im Dezember 2016 auch gekommen. Die mögliche „inländerdiskriminierende“ Wirkung einer Norm sei während des Zeitraumes zwischen der Fällung eines EuGH-Urteils und der gesetzlichen Neuregelung angesichts eines erheblichen öffentlichen Interesses sachlich zu rechtfertigen und müsse daher hingenommen werden.
Fazit: Die Apothekerkammer hat den schwarzen Peter
Um der Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu tragen, müssen die Behörden in Österreich in jedem einzelnen Fall prüfen, ob besondere örtliche Verhältnisse vorliegen, die ein Unterschreiten der Grenze von 5500 zu versorgenden Personen bei den Nachbarapotheken rechtfertigen und die Entscheidung entsprechend begründen. Der Gebietsschutz für Apotheken besteht weiter, könnte damit aber nach und nach aufgeweicht werden. Den schwarzen Peter hat die Apothekerkammer, die den Bedarf neuer oder erweiterter Abgabestellen nach dem Apothekengesetz im Einzelfall begutachten muss.
1 Kommentar
EU
von Dr. Schweikert-Wehner am 24.05.2017 um 10:31 Uhr
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