Pharmacon Meran 2017

Praktische Tipps bei Reisediarrhö

Meran - 24.05.2017, 13:45 Uhr

Professor Thomas Weinke gibt den Apothekern beim Pharmacon Tipps, wie sie bei Durchfall beraten. (Foto: DAZ)

Professor Thomas Weinke gibt den Apothekern beim Pharmacon Tipps, wie sie bei Durchfall beraten. (Foto: DAZ)


Medizinische Kohle bei Durchfall – sollten Apotheker das überhaupt noch empfehlen? Und Loperamid? Wann ist der Motilitätshemmer kontraindiziert? Professor Thomas Weinke stärkt beim Pharmacon in Meran Apotheker mit praktischen Tipps für eine gute und evidenzbasierte Therapie bei Reisediarrhö. 

Das Portfolio der Selbstmedikation bei Diarrhö ist in der Apotheke bunt – doch das bedeutet nicht automatisch, dass alle Präparate dem Durchfallpatienten auch gleich gut helfen. Professor Thomas Weinke von der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie, Potsdam, gab beim Pharmacon einen profunden Überblick zu wirksamen Therapien bei Reisediarrhö und wovon Apotheker in der Beratung eher die Finger lassen sollten. Wohl einziger Grund zur Freude bei Reisediarrhöen: Sie sind in den vergangenen Jahren durch verbesserte hygienische Bedingungen in einigen Reiseländern rückläufig. Häufigste Erreger sind Enterotoxin-bildende E.coli-Stämme (ETEC). Daneben haben Noroviren einen Stellenwert, aber auch Clostridium difficile werde derzeit in einigen Studien herausgestellt, sagte der internistische Infektiologe.

Was macht man therapeutisch bei Reisediarrhoe? 

„Klipp und klar: Entscheidende Maßnahme ist primär die orale Rehydratation“, erklärte Weinke. Mit der oralen Rehydratation verkürze sich die Krankheitsdauer zwar kaum – die Diarrhö persistiere. Allerdings verhindere man, dass der Patient in einen kritischen Zustand kommt: Dehydratation, Exsikkose und Kollaps. Daneben gibt es weitere symptomatische supportive Maßnahmen – Motilitätshemmer, Kohle, Gerbstoffe, Probiotika. Was hilft wann und wem?

Motilitätshemmer wie Loperamid sind laut Weinke bei Patienten meist nicht ganz unbeliebt, stoppen sie doch den Durchfall zuverlässig. Therapeutisch haben sie in gewissen Fällen auch eine absolute Daseinsberechtigung: Loperamid kann bei unkompliziertem Verlauf für eine kurz dauernde Therapie gegeben werden. Das empfiehlt auch die aktuelle Leitlinie aus dem Jahr 2015, sogar mit starkem Konsens – was bedeutet: Mehr als 95 Prozent der Beteiligten stimmten der Empfehlung zu. Anders sieht es bei schweren Durchfällen aus. Hier sollten Apotheker von Motilitätshemmern abraten. Was unterscheidet nun eine unkomplizierte Diarrhö von einer schweren Erkrankung? Weinke nennt hier klare Kriterien – blutige Durchfälle, Fieber und Megakolon. Lähme man in dieser Situation den Darm, könne es eher zu Komplikationen führen.

Keine medizinische Kohle mehr bei Durchfall

Und wie sieht es mit einer analgetischen und spasmolytischen Therapie aus? Der Internist gibt Paracetamol hier ein positives Votum – bei Vorliegen einer Verordnung auch dem Wirkstoff Metamizol. Von Ibuprofen und Co. hingegen rät er eindeutig ab. „Es sollten bitte keine NSAR eingesetzt werden“. Das gleiche Schicksal ereilt  nahezu allen anderen Wirkstoffe der Selbstmedikation. Für die meisten Präparate ist die Datenlage eher spärlich. „Kein Tannin, Kaolin, Pektin, medizinische Kohle: es gibt keine Evidenz“, lautet das klare Fazit des Internisten. „Medizinische Kohle sollte heute nicht mehr eingesetzt werden.“ 

Probiotika: Für Kinder ja, für Erwachsene nicht

Bei den Probiotika gestalten sich die Empfehlungen nicht ganz so niederschmetternd, sondern deutlich differenzierter – denn hier unterscheidet sich die Datenlage bei pädiatrischen Infektionen von den adulten. So sei die Datenlage für Kinder recht gut, bei den Erwachsenen hingegen, reiche die Evidenz nicht aus, so Weinke. Hier müsse man klar sagen, „ist die Datenlage so dünn, dass eine generelle Empfehlung zur Therapie nicht gegeben werden kann“.

Was nach Ansicht Weinkes in der Leitlinie allerdings ungenügend berücksichtigt wurde, ist Racecadotril. Der Enkaphalinaseinhibitor ist seit 2007 in Deutschland auf dem Markt und seit 2013 für Durchfallpatienten ab 18 Jahren auch rezeptfrei in der Apotheke erhältlich (Vaprino®). Racecadotril hemmt den Abbau von Enkephalinen, die dann wiederum Opioidrezeptoren-vermittelt, die Sekretion von Wasser und Elektrolyten ins Darmlumen stoppen.

Was sollte man also empfehlen? Der Internist bringt es abschließend nochmals kurz und knapp auf den Punkt: „Mit den entsprechenden Einschränkungen für Motilitätshemmer, sind Elektrolyte, Enkephalinasehemmer und Loperamid Basismaßnahmen, die sicherlich sinnvoll und richtig sind“, resümierte Weinke. „Mit diesen drei Maßnahmen liegen Sie absolut richtig und Sie geben eine evidenzbasierte Empfehlung ab“. 

Wann zum Arzt?

In manchen (Durch-)Fällen sind die Grenzen der Selbstmedikation erreicht. Diese Grenzen sollten Apotheker erkennen. Dauert die Diarrhö bereits länger als drei Tage, sind die Durchfälle blutig oder hat der Patient Fieber, muss der Patient zum Arzt. Gleichermaßen sollten Apotheker zum Arztbesuch raten, wenn der Patient über Kreislaufbeschwerden, Apathie und Koliken klagt oder alternierende Beschwerden mit Diarrhö und Obstipation äußert. Besonders gefährdet sind ältere Patienten und Kleinkinder.

Tequila gegen Reisediarrhoe?

Zum Schluss hat der Infektiologe doch noch einen Tipp auf Lager – den selbst die Leitlinie nicht berücksichtigt hat. Basis bildet die „Eiswürfelstudie“, wobei für eine ausreichende Evidenz wohl die klinischen Daten fehlen. Gebe man mit E. coli, Shigellen oder Salmonellen kontaminierte Eiswürfel in Wasser, steigt die Keimzahl. Von Cola sind die Bakterien offensichtlich auch wenig beeindruckt und selbst Scotch und Soda lässt die Keime munter wachsen. „Aber wenn Sie Tequila oder reinen Scotch Whiskey zu sich nehmen – da haben Sie eine Chance“. Allerdings solle dies nun kein Aufruf zum Alkoholkonsum sein.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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