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Kommentar
Der Verlust der Apothekenpflicht ist nicht lustig!
Der Südwestdeutsche Rundfunk hat in seiner TV-Sendung „Landesschau Baden-Württemberg“ den Konflikt zwischen Apothekern und DocMorris rund um den Abgabeautomaten in Hüffenhardt aufgegriffen. Untermalt von lustiger Klamauk-Musik erweckt der SWR den Eindruck, dass das mit dem Automaten doch alles gar nicht so schlimm sei. DAZ.online Chefredakteur Benjamin Rohrer meint: Doch. Die Apothekenpflicht hat einen Sinn und sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Wenn man sich den Beitrag über den DocMorris-Automaten in der „Landesschau Baden-Württemberg“ anschaut, müsste man meinen, dass sich in dem Örtchen Hüffenhardt derzeit ein lustiges Schauspiel abspielt. Begleitet von aufgeheiterter Musik berichtet die Sprecherin vom „Wunder von Hüffenhardt“. Warum Wunder? Weil der „erste Medikamentenautomat Deutschlands“ in Hüffenhardt die Bevölkerung mit OTC-Arzneimitteln versorge, „obwohl die Behörden ihn zuvor geschlossen hatten“. Schon zu Anfang des Berichts stellt die SWR-Landesschau klar, was sie von der Entscheidung der Behörde hält: „Dabei sind doch die Hüffenhardter ganz glücklich mit der modernen Technologie…“
Zum Beweis dieser These stellt das Fernsehteam eine Bewohnerin zur Rede. Die ältere Dame ist per Video-Schalte mit einer DocMorris-Mitarbeiterin in Holland verbunden. Ihr Fazit: „Das macht mir Spaß. Ich werde das auch meiner Mutter empfehlen und die ist 87 Jahre alt.“ Anschließend zeigt der Beitrag einen älteren Herren, der die Abgabestelle mit einem Rezept betritt. „Ich bin wohl nicht richtig hier, ich will ein Rezept einlösen…“ Die Antwort der TV-Sprecherin: „Stimmt. Denn Rx-Medikamente dürfen nur richtige Apotheken abgeben, so das Regierungspräsidium, Karlsruhe.“
Es gibt keine „unrichtigen“ Apotheken
Die Aussage zeigt, dass der SWR offenbar nicht verstanden hat, worum es in Hüffenhardt eigentlich geht. Denn die Apothekenpflicht gilt in Deutschland für alle Arzneimittel, die der Gesetzgeber als apothekenpflichtig eingestuft hat, also auch für die meisten nicht verschreibungspflichtigen Präparate. Und diese im Arzneimittelgesetz und der Apothekenbetriebsordnung verankerte Regelung stellt DocMorris in Hüffenhardt derzeit in Frage – mit freundlicher Unterstützung des Regierungspräsidiums.
Hinzu kommt, dass es keine „richtigen“ oder „unrichtigen“ Apotheken gibt. Alle Apotheken müssen sich in ihrer Ausstattung und in ihrem Angebot an die Apothekenbetriebsordnung halten. Für die Verbraucher ist das ein Versprechen: Sie haben die Möglichkeit, in allen Apotheken die gleichen Leistungen zu beziehen. Der DocMorris-Automat kann das nicht. Deswegen ist er nicht einmal im Ansatz eine „unrichtige“ Apotheke, wie im TV-Beitrag suggeriert; er ist ganz einfach gar keine Apotheke.
Dass der SWR vom DocMorris-Automaten offenbar recht angetan ist, zeigt auch die Einordnung eines Kurzinterviews mit dem DocMorris-Chefapotheker Christian Franken. Der DocMorris-Mitarbeiter sagt: „Hier wollte doch keiner hin. Die Bevölkerung akzeptiert uns, das sieht man am positiven Feedback. So etwas darf doch nicht verboten sein.“ Der Kommentar der TV-Sprecherin: „Zumindest dann nicht, wenn die Alternative heißt: Kilometerweit bis ins nächste Dorf fahren.“ Es folgt erneut Klamauk-Musik.
Wie ernst muss man den DocMorris-Automaten nehmen?
Ganz lässt die SWR-Redaktion die Gegner des DocMorris-Automaten aber nicht aus. Zitiert wird Landrat Achim Brötel, der die Kritik als „nachvollziehbar“ bezeichnet und erklärt, dass man einen solchen „Angriff auf Strukturen“ abwehren müsse. Die Redakteure gehen auch kurz auf den politischen Konflikt innerhalb Baden-Württembergs ein: Zwei Minister begrüßen das neue Angebot in Hüffenhardt, der grüne Gesundheitsminister Manne Lucha meint, dass das Apothekennetz ausreiche. Dass laut Apothekerkammer Baden-Württemberg im 10-Kilometer-Umkreis von Hüffenhardt 22 Apotheken sind, erklärt der SWR seinen Zuschauern allerdings nicht.
Vielmehr wird die Kritik am Arzneimittel-Automaten erneut humoristisch aufgelöst und auf die leichte Schulter genommen. „Da steht er nun, der Automat und darf nicht, wie er eigentlich könnte.“ Ein Hüffenhardter DocMorris-Kunde bestätigt: „Wir sind im 21. Jahrhundert, es wird Zeit, dass man sich dem anpasst.“ Dass die Bevölkerung des Ortes nicht völlig abgeschnitten ist von der Versorgung, sondern via Rezeptsammelstelle durch Apotheker versorgt wird, erwähnt die SWR-Redaktion dann doch noch in den letzten Sekunden des Beitrages. „Bis dahin gibt’s in Hüffenhardt eine Kombi-Lösung: Den Hightech-Automaten für OTC-Medikamente und für Rx-Arzneimittel den guten alten Briefkasten.“
Was der SWR in seinem TV-Beitrag als nette Anekdote aus einem baden-württembergischen Dörfchen darstellt, könnte sich aber nicht nur für die Apotheker zu einem ernsthaften Problem entwickeln. Denn DocMorris macht in Hüffenhardt nichts anderes, als die Apothekenpflicht in Frage zu stellen. Und deren Sinn ist es nicht, den Apotheker, sondern den Verbraucher zu schützen. Nicht umsonst gibt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Sachverständigenausschuss, der sorgfältig prüft, ob Medikamente der Apothekenpflicht unterzogen werden sollten oder nicht. Das Bundesgesundheitsministerium kann die Empfehlungen der Experten dann in eine rechtsgültige Verordnung überführen. Allein schon dieser regulatorische Prozess zeigt, dass der Gesetzgeber Arzneimittel als besonders beratungsbedürftige Produkte ansieht.
3 Kommentare
Schnäppchenjägers Rechtsempfinden
von Heiko Barz am 27.05.2017 um 11:27 Uhr
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Hüffenhardt
von Wolfgang Steffan am 26.05.2017 um 20:40 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Hüffenhardt
von Christian Becker am 27.05.2017 um 10:06 Uhr
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