Kommentar

Der Verlust der Apothekenpflicht ist nicht lustig!

Berlin - 26.05.2017, 16:15 Uhr

In einem TV-Beitrag zieht der Südwestdeutsche Rundfunk die Geschichte um den DocMorris-Automaten ins Lustige. Dabei wäre der Verlust der Apothekenpflicht alles andere als lustig, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer in einem Kommentar. (Screeshot: DAZ.online)

In einem TV-Beitrag zieht der Südwestdeutsche Rundfunk die Geschichte um den DocMorris-Automaten ins Lustige. Dabei wäre der Verlust der Apothekenpflicht alles andere als lustig, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer in einem Kommentar. (Screeshot: DAZ.online)


Wie ernst muss man den DocMorris-Automaten nehmen?

Ganz lässt die SWR-Redaktion die Gegner des DocMorris-Automaten aber nicht aus. Zitiert wird Landrat Achim Brötel, der die Kritik als „nachvollziehbar“ bezeichnet und erklärt, dass man einen solchen „Angriff auf Strukturen“ abwehren müsse. Die Redakteure gehen auch kurz auf den politischen Konflikt innerhalb Baden-Württembergs ein: Zwei Minister begrüßen das neue Angebot in Hüffenhardt, der grüne Gesundheitsminister Manne Lucha meint, dass das Apothekennetz ausreiche. Dass laut Apothekerkammer Baden-Württemberg im 10-Kilometer-Umkreis von Hüffenhardt 22 Apotheken sind, erklärt der SWR seinen Zuschauern allerdings nicht.

Vielmehr wird die Kritik am Arzneimittel-Automaten erneut humoristisch aufgelöst und auf die leichte Schulter genommen. „Da steht er nun, der Automat und darf nicht, wie er eigentlich könnte.“ Ein Hüffenhardter DocMorris-Kunde bestätigt: „Wir sind im 21. Jahrhundert, es wird Zeit, dass man sich dem anpasst.“ Dass die Bevölkerung des Ortes nicht völlig abgeschnitten ist von der Versorgung, sondern via Rezeptsammelstelle durch Apotheker versorgt wird, erwähnt die SWR-Redaktion dann doch noch in den letzten Sekunden des Beitrages. „Bis dahin gibt’s in Hüffenhardt eine Kombi-Lösung: Den Hightech-Automaten für OTC-Medikamente und für Rx-Arzneimittel den guten alten Briefkasten.“

Was der SWR in seinem TV-Beitrag als nette Anekdote aus einem baden-württembergischen Dörfchen darstellt, könnte sich aber nicht nur für die Apotheker zu einem ernsthaften Problem entwickeln. Denn DocMorris macht in Hüffenhardt nichts anderes, als die Apothekenpflicht in Frage zu stellen. Und deren Sinn ist es nicht, den Apotheker, sondern den Verbraucher zu schützen. Nicht umsonst gibt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Sachverständigenausschuss, der sorgfältig prüft, ob Medikamente der Apothekenpflicht unterzogen werden sollten oder nicht. Das Bundesgesundheitsministerium kann die Empfehlungen der Experten dann in eine rechtsgültige Verordnung überführen. Allein schon dieser regulatorische Prozess zeigt, dass der Gesetzgeber Arzneimittel als besonders beratungsbedürftige Produkte ansieht.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Schnäppchenjägers Rechtsempfinden

von Heiko Barz am 27.05.2017 um 11:27 Uhr

Der "Arzneimittelabgabeautomat Hüffenhardt" ist ein absolutes 'Nogo'
Wie hier, sogar von vereidigten Ministern in BW, bundesdeutsche Arzneimittelgesetze mit Füssen getreten werden, kann ja nur mit deren sofortiger Suspendierung geahndet werden müssen.
Wenn natürlich die dortigen pharmazeutischen Aufsichtsbehörden, die dieses Konstrukt hätten sofort schließen müssen, vor Angst in die Hosen machen, weil sie befürchten, ihren Job zu verlieren, dann haben wir die obengenannten Sizilianischen Verhältnisse.
Wir hatten doch sowas vor Jahren schon im Saarland.
Und, was ist daraus geworden??

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Hüffenhardt

von Wolfgang Steffan am 26.05.2017 um 20:40 Uhr

Tja, man kann sich nur wundern über das RP KA.
Wehe dem Apothekenleiter, der zuläßt, daß eine PKA bei uns ein AM über den Ladentisch reicht, in Hüffenhardt fällt das AM
aus dem Automatenschacht. Ob dahinter in Holland (oder Deutschland) eine PKA oder PTA oder .. stand, weiß kein Mensch. Ob der Herr oder Dame auf dem Bildschirm ein echter Apotheker/in ist oder ein Schauspieler, weiß auch niemand. Diese großzügige Behandlung eines offensichtlichen Gesetzesbruchs durch das RP KA läßt sich nur durch Korruption erklären. Tja, wir haben also auch im Apothekenbereich sizilianische Verhältnisse.

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AW: Hüffenhardt

von Christian Becker am 27.05.2017 um 10:06 Uhr

Ich fürchte, dafür braucht es nicht einmal Korruption, sondern lediglich etwas unfähiges Personal beim RP.
Man hätte ja, bevor man nur für Rx einen Sofortvollzug anordnet, mal bei der Kammer nachfragen können.
Die hätten sicherlich die zugegebenermaßen nicht immer ganz leicht zu verstehende Gesetzeslage erklärt.
Ich glaube nämlich immernoch, dass man beim RP davon ausging, dass Apothekenpflichtig = Rx bedeutet und man dann überrascht war, dass an dem Automaten auch weiterhin Medikamente abgegeben werden dürfen.

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