Pharmacon Meran 2017

Durchfall bei der Krebstherapie: Ist Loperamid immer die beste Wahl?

Meran - 26.05.2017, 13:35 Uhr

Zahlreiche Apotheker lauschen trotz des herrlichen Wetters den Vorträgen im Kurhaus von Meran. (Foto: ck / daz)

Zahlreiche Apotheker lauschen trotz des herrlichen Wetters den Vorträgen im Kurhaus von Meran. (Foto: ck / daz)


Woran denken Sie, wenn Sie nach Supportivtherapien bei Zytostatika gefragt werden? Antiemese? Höchstwahrscheinlich. Doch viele Tumorpatienten leiden  auch an schweren Durchfällen, was in der begleitenden Therapie oft vergessen wird. Beim Pharmacon in Meran legt Krankenhausapotheker Lars Gubelt den Fokus auf Diarrhoen unter Zytoralia.

Knapp 50 Prozent der Patienten, die sich einer oralen Therapie mit Capecitabin und Irinotecan unterziehen, leiden an schweren Durchfällen. Gerade im niedergelassenen Bereich seien Diarrhöen als Nebenwirkung einer zytostatischen Therapie noch nicht ausreichend angekommen und umgesetzt, beobachtet Lars Gubelt, Apotheker des St.-Johannes-Hospitals in Dortmund.

Und der niedergelassene Bereich spielt mittlerweile durchaus eine Rolle bei der Versorgung von Tumorpatienten. Waren zytostatische Therapien lange Zeit fast ausschließlich in Kliniken konzentriert, wächst das Portfolio peroral verfügbarer Wirkstoffe – Capecitabin oder Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Afatinib und Lapatinib sind nur einige Beispiele. Was bedeutet das? Die Patienten bekommen diese Zytoralia im niedergelassenen Bereich verordnet – und holen ihre onkologischen Arzneimittel in öffentlichen Apotheken. Für die öffentliche Apotheke heißt das: Sie hat es plötzlich mit Patienten und Therapieregimen zu tun, mit denen Offizinapotheker bis vor einigen Jahren kaum Berührungspunkte hatten. Und gerade bei Tumortherapien spielt das Supportivmanagement eine zentrale Rolle für den Erfolg der Therapie.

Supportivtherapie: Diarrhö meist vergessen

Sei eine supportive Antiemese mittlerweile recht gut umgesetzt, sieht Gubelt noch deutlichen Aufklärungsbedarf beim Auftreten von Diarrhöen. „Warum geben wir den Patienten nicht gleich eine Packung Loperamid mit?“, fragt der Klinikapotheker. 

Warum kein Loperamid bei Diarrhöen unter Checkpoint-Inhibitoren?

Denn Loperamid ist bei zytostatikainduzierten Durchfällen das Mittel der ersten Wahl. Ungleich der Antiemese wird Loperamid allerdings nicht zur medikamentösen Prophylaxe empfohlen. „Wir warten den Durchfall ab“, sagt Gubelt. Zusätzlich indiziert sind Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Die Beratung durch den Apotheker ist insbesondere dann von essenzieller Bedeutung, wenn der Arzt eine antidiarrhoische Supportivtherapie nicht verordnet hat – das verunsichert viele Patienten.

Klassische Zytostatika schädigen das Darmepithel direkt und führen über Ausschüttung sekretorischer  Faktoren zu einer Dysmotilität des Darms. Besonders gefährdet sind Patienten, die simultane Bestrahlungen des Gastrointestinaltrakts erhalten oder durch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa vorbelastet sind.

Anders verhält es sich bei der Pathogenese von Diarrhöen unter Checkpoint-Inhibitoren. Kommt es hier zu Durchfällen, besteht der Verdacht einer immunvermittelten Colitis. Denn Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab, Ipilimumab und Pembrolizumab aktivieren das Immunsystem. Zwar erhalten diese Patienten ihre Arzneimittel nicht in der öffentlichen Apotheke, dennoch sollte der Apotheker hier aktiv werden, wenn Patienten unter Checkpoint-Inhibitortherapie von Diarrhö berichten. Der Patient muss in diesem Fall sofort zum Arzt. Die Therapie besteht in der Gabe von Methylprednisolon. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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