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Roche und Daiichi Sankyo
Strafen für Pharmafirmen wegen Ärzte-Beeinflussung
Wenn Pharmafirmen Ärzten ungefragt Arzneimittel-Werbung mit handgeschriebenen Notizzetteln und der Grußformel „LG Micha“ verschicken, überschreiten sie Grenzen. Roche erhielt hierfür kürzlich eine Geldstrafe. Und Daiichi Sankyo musste blechen, da die Firma eine Fortbildungsveranstaltung in einer Veranstaltungsstätte mit „besonderem Unterhaltungswert“ abhielt: dem Porsche-Zentrum Leipzig.
Dass Zuwendungen von Pharmafirmen an Ärzte oder Apotheker deren Verschreibungen beziehungsweise Empfehlungen beeinflussen können, ist hinlänglich bekannt. Große Pharmahersteller haben sich nach mehreren Skandalen im Zuge der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) selbst verpflichtet, Ärzte oder andere Heilberufler nicht mehr auf fragwürdige Weise zu beeinflussen.
Bei Verstößen untersucht die FSA den Vorfall und kann Geldbußen verhängen, wie es in letzter Zeit beispielsweise bei Roche oder Daiichi Sankyo der Fall war. Bei der deutschen Niederlassung von Daiichi Sankyo wurden 15.000 Euro fällig, da sie für eine Ärzte-Fortbildung eine Tagungsstätte mit „besonderem Unterhaltungswert“ gewählt hatte – nämlich das Porsche Zentrum Leipzig, bei dem Daiichi Sankyo auch einen Snack sowie einen Imbiss bereithielt.
Nach Einschätzung der Spruchkammer, in der neben Industrievertretern auch Ärzte- und Patientenvertreter die Entscheidung trafen, wurde den rund 200 Ärzten „zwangsläufig und unmittelbar“ während der gesamten Veranstaltung der besondere Unterhaltungswert der Tagungsstätte vermittelt. Dies konkurriere „mit der Fortbildungsveranstaltung um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer“. Wenn die Teilnehmer einer Fortbildungsveranstaltung „zwangsläufig und ständig“ in die Erlebniswelt, die die Tagungsstätte vermittelt, integriert sind, droht Firmen eine Strafe – denn laut FSA-Kodex sollen sie Orte vermeiden, „die für ihren Unterhaltungswert bekannt sind oder als extravagant gelten“.
Porsche-Zentrum hatte laut Daiichi Sankyo keinen Unterhaltungswert
Nach Ansicht des Pharmakonzerns war die Veranstaltungsstätte Porsche-Zentrum „weder extravagant noch für ihren Unterhaltungswert bekannt“, wie die Spruchkammer protokolliert. Zudem sei eine andere Veranstaltungsstätte „wegen der schwierigen Verkehrssituation und der leichten Erreichbarkeit“ ausgeschieden. Die Pharmafirma musste später allerdings einräumen, dass nur etwa zehn von insgesamt 24 per einfacher Web-Recherche ermittelten Veranstaltungsorten nicht geeignet seien. Das Porsche-Zentrum Leipzig habe bei dem Event keinen Unterhaltungswert gehabt, argumentierte Daiichi Sankyo weiter – und führte eine Porsche-Erklärung an, nach der vielmehr Tradition, Innovation, Leistungsorientierung oder soziale Verantwortung zählten.
Doch auch hier kam das FSA-Gremium aufgrund einer Internetrecherche zu einer deutlich anderen Einschätzung: Das Porsche-Zentrum werbe mit Worten wie „luxuriös“, auch wolle die Autofirma dafür sorgen, dass Events für die Gäste zu einem „einmaligen Erlebnis“ werden. „Ein Diamant ist zeitlos und exklusiv“, wirbt Porsche – „gemeint ist hier auch das Gebäude der Tagungsstätte“, hält die FSA-Schiedsstelle fest. In anderen Fällen hatte sie sogar Museen als Event-Location beanstandet.
Am Ende knickte Daiichi Sankyo ein und verpflichtete sich, die für den Konzern wohl zu verschmerzende Geldstrafe von 15.000 Euro einer gemeinnützigen Vereinigung zu überweisen. Auf die Frage, inwiefern im Unternehmen Konsequenzen aus dem Zwischenfall gezogen wurden, antwortete eine Sprecherin auf Nachfrage nicht.
Roche verabschiedete sich mit „LG Micha“
Eine etwas höhere Geldstrafe erhielt die Pharmafirma Roche, nachdem die „Welt am Sonntag“ über Schleichwerbung für sein Krebsmittel Erivedge® (Vismodegib) berichtet hatte. Über eine Agentur hatten knapp 10.000 Ärzte handschriftlich adressierte Sonderdrucke von Artikeln aus Fachzeitschriften erhalten, die mit besonderen Post-It-Aufklebern versehen waren: „Lieber …, schau mal, was ich noch auf dem Tisch hatte. Hast Du damit schon Erfahrungen machen können? LG Micha“, war auf ihnen beispielsweise handschriftlich geschrieben worden – ohne Angabe, dass es sich um eine Aktion der Firma handelte.
Hiermit habe Roche den irreführenden Eindruck hervorgerufen, es handele sich um einen persönlichen Hinweis von einem Bekannten oder Freund, entschied das FSA-Gremium: Die Aktion habe nicht nur gegen das Irreführungsverbot sowie das Verbot der Schleichwerbung verstoßen, sondern die Ärzte hätten auch unzumutbare belästigende Werbung erhalten, und Pflichtangaben hätten gefehlt.
Doch die Firma schob den schwarzen Peter auf das „Individualverschulden eines einzelnen Mitarbeiters“, mit dem die weitere Zusammenarbeit zwischenzeitlich beendet worden sei. Er habe „diese Aktivität gesamthaft organisiert und verantwortet“, erklärte Roche laut FSA-Entscheid. Zwar sei die Aktion auf einem Team-Meeting besprochen worden, doch sei heute unklar, welche Details genau präsentiert wurden.
Nach ersten Beschwerden Mitte November 2016 reagierte Roche wochenlang nicht. Offenbar erst aufgrund der Anfrage einer Journalistin verschickte die Firma „unmittelbar vor dem Weihnachtsfest und der daran sich anschließenden Urlaubszeit“ ein „Entschuldigungsschreiben“ an die 10.000 Ärzte, heißt es im FSA-Beschluss.
Pro Arzt nur gut drei Euro Strafe für Roche
In einem Punkt fiel das Urteil der FSA-Kammer deutlich aus: „Es ist den Unternehmen zuzumuten, Freigabe- und Führungsprozesse zu etablieren, die sicherstellen, dass die vorgesehenen Maßnahmen in detaillierter Form zur Genehmigung vorgetragen werden und zu einem späteren Zeitpunkt noch nachvollziehbar ist, welche konkrete Maßnahmen wie umgesetzt werden sollten“, erklärte sie.
Die von Roche gegenüber einem Wettbewerbsverband unterzeichnete Unterlassungserklärung kritisierte die Schiedsstelle: Die Vertragsstrafe von 5.000 Euro sei für die Aussendung an einen Arzt angemessen – sie bezog sich aber auf eine Aktion an 10.000 Adressaten, bemängelte die FSA-Kammer. Sie legte am Ende ein Ordnungsgeld für den Wiederholungsfall von 10.000 Euro fest. Anders als offenbar von Roche erhofft, berücksichtigte die Kammer die „potenzielle Rufschädigung“ durch die Zeitungsberichte nicht strafmindernd – da die Firma sich die Medienkritik selber zuzuschreiben habe. Aufgrund der „zügigen Aufklärung“ von Roche brummte das Schiedsgericht der Firma jedoch eine Geldstrafe von nur 28.000 Euro auf, die wohl aus der Portokasse beglichen werden kann.
„Bei Roche stehen wir für hohe ethische Standards im Umgang mit unseren Kooperationspartnern im Gesundheitswesen ein“, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage. „Dass unsere üblichen Prozesse und Richtlinien in diesem Fall nicht eingehalten wurden, entspricht in keiner Weise unserer Unternehmenspraxis.“ Intern seien die nötigen Konsequenzen gezogen worden, betonte sie.
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